und auch die Neuzeit ift in diefer Hinficht hinter dem Alterthume durchaus nicht zurück
geblieben. Unausgefetzt fehen wir Gelehrte und Kttnftler, Alterthums- und Naturforfcher,
Architecten und Maler das Nilthal bereifen, und fo manche fchöne Frucht, die auf egyptifchem
Boden Ge gepflückt, wird von den Zurückkehrenden uns zum Gefchenk. —
Das ■ herrliche Resultat einer lblchen Reife, eine koftbare Auswahl acht egyptifcher
Früchte bietet auch das vorliegende Werk. Durch eine Reihe von Nilbildem, die das
Au ge eines genialen Künftlers gefchaut, um ebenfo fchon als wahrheitsgetreu fie wieder
zu geben, werden wir in das alte wie neue .Egypten eingeführt. • ' Hier das Leben' und
Treiben in den volkreichen Strafsen der heutigen ReGdenz oder die ärmliche Araberhütte
auf dem Lande, eine, auf dem Strome dahintreibende Barke, oder eine zum Aufbruch Geh
rüftende Karavane, dort die Pyramiden und Obelisken, die Sphinxalleen und Säulenhallen,
diä Tenigelpaläfte mit ihren Vorhöfen und Pylonen, welche wie Götterwerke der Vergangenheit
aus den Schutthaufen der Gegenwart emporragen, Altes und Neues in buntem Wechfel,
und beides in der heute wie ehedem glänzenden Landfchaft, über beidem. das in unwandelbarer
Pracht und Herrlichkeit Geh ergiefsende Licht des egyptifchen Himmels. :—■
Dafs diefen Bildern des gefeierten Künftlers noch eine von den Unterzeichneten
verfafste Erläuterung beigegebenj wird denjenigen Befitzem des werthvollen Werkes, die
Egypten nicht aus eigener Anfchauung kennen, wie wir hoffen, erwUnfcht fein, urtd wer
felbft an .den Ufern des Nil es gewandelt, dem werden diefé Erläuterungen vielleicht manches
bereits in eine etwas undeudiche Ferne gerückte Bild wieder- näher bringen; Ge werden
möglicherweife auch hie und da auf einen oder den anderen Punkt ihn aufmerkfani machen,
der ehedem der eigenen Wahmehmung entgangen war.
Berlin, den '16. Juni 1871.
A l f r e d B r e h m. Hl o h a n n e s D ü m i c h e n .
D ie C ha l ifen g r ä b e r von K airo.
^vach Memphis, welches König Menes, der erfte unter den bis jetzt uns bekannt gewordenen Herrfchcm
Egyptens, auf einem dem Nile am weltlichen Üfer durch einen gewaltigen Steindamm abgerungenen Platze gegründet haben
foli, erhoben nach der Vertreibung der Afiatifchen Hykfos die nun wieder zu ihrem Rechte gekommenen legitimen
Pharaonen das oberegyptifche Theben zu ihrem Sitze, und nodi fpäter, als das.Land feine cinheimifchen Regenten für
alle Zeiten' verloren, wurde das an der Killte des Mittelmeeres angelegte Alexandrien die Relidcnz der egyptifchen
Machthaber, jener zum gröfsten Theile unwürdigen PtolomäerlÜrften und durchaus nicht ;be(ieren römifchcn Präfekten, die,
im Ueberfluffe fchwelgend, mit den Schätzen ihres Landes das GlUck ihrer Unterthanen vemiditeten, die, dur?h den
Uppiglten 'Luxus glänzend und durch die fchèulslichften Lader lieh auszeichnend, das and fo mächtige und blühende
Egypten nach und nach einem Verfalle entgegen führten, aus dem lieh wieder emporzuraflen, es ihm nie mehr gelang,
weder, als nach Theilung des römifchen Reiches man zu einer Provinz des Byzantinifchen Kaiferthums es gemacht hatte,
noch, als durch das Schwert des Islam den Byzantinern wieder ehtrilfen, cs ein Theil des grofsen Chalifenreiches geworden
war. Niemals wieder lächelte Uber Egypten das alte GlUck, wohl aber wurde noch einmal in der.Folgezeit, zum vierten
Mal war es feit der Gründung des Reiches, die Relidenz feiner Herrfcher eine der grofsäftigflen Weltflädte.
Damals, als die jugendfrifchen, freiheitliebenden Stämme Arabiens — bedeutungslos und ungekannt seither, feiten
Wohnfttzen abgeneigt, unflät umherfehweifend und gegenfeitig fich befehdend, nun aber durch Mohammed-s neue Lehre zìi
einem mächtigen Ganzen vereinigt — plötzlich hervorbrachen aus ihren Wüllen und Steppen Und in wilder Kampfesluft
fit* auf die altersfchwachen Nachbarvölker fiüraten, gleich dem vernichtenden Samum ihrer Wüfte, Angft und Schrecken
vor und um fich her verbreitend, als mit dem Rufe: »Das Paradies ilt vor euch, das höllifchc Feuer hinter euch!« die
Flammen der Begeilterung fchürend, die moslemifchen Heerführer ihre todesmuthigen Krieger- zum Kampfe führten, als jene
fanatifirten Horden, hier das westliche Allen, dort das nördliche Afrika überfallend, vom Euphrat bis zu den Pyrenäen im
rafcljen Siegesläufe dahihstUrmten, da fand auch an Egyptens Grenzen der verheerende Strom nur einen fchwachcn
Widcrltand-, nicht lange währte es, und auch diefes fchöne Land war eine Beute des Islam. Als Amru-ibn-cc-Aits,
der kühne Feldherr des Chalifen Òmar, es feinem Herrn erobert hatte, da fchlug er, nach der. Einnahme von Alexandrien
lüdwärts ziehend, es war im Jahr 624 unfercr Zeitrechnung, an der Stelle des heutigen Alt-Kairo fein Lager auf. ln der
Mitte des Lagers Rand das Zelt des Feldherrn, und ein Taubenpaar, so heilst es, liefs fieli, auf demselben nieder, uni
daselblt zu nifien. Dies als günfiige Vorbedeutung betrachtend, erwählte man nun den Platz jur Anlage einer Stadt, die
Zelte verwandelten fich in feste Anfiedelungen, der Häuser wurden immer mehr und mehr, bis fchliefelicheine bedeutende
Stadt, mit zahlreichen Mofcheen, Bädern, Bazars und was fonfi an Baulichkeiten zum orientalifchcn Wohlleben gehört, ander
Stelle des ehemaligen Amru-Lagers Rand; man nannte fie zum Andenken an ihren UrfpruipgFoftätid. h. »das Zelt«,
welchen Namen fie. laia* noch heutigen Tages führt. Drei Jahrhunderte blieb fie die Relidenz der egyptifchen Statthalter
und Sultane, da wurde fie im Rhamadin des Jahres 968 n. Chr. von Gauher, dem gefcliicktcn Fcläherrn des erflen
Faumidifchen glinlifen EM-Moez-cd-din-illah erobert, und diefer legte im Norden von FoRat eine; neue Stadt an. Auf
Befehl feines Herrn, der nur in einer von ihm gegründeten Stadt feinen Sitz auffehlagcn wollte, empfing fie den Namen:
Masr-ei-Kahlrah »die fiegreiche« Maller, woraus die nachmalige Benennung Kairo entftanden, und aus ihr wurde
nun im Laufe der Zeit jene grofsartige. WeltRadt, die in taufend Märchen und Liedern hochgefeierte Saracenenrefidcnz an
den Ufern des Niles, noch heute die volkreichste Stadt Egyptens, eine der ¡niercffänteften im Orient, und in cthnologifcher
Hinficht vielleicht der merkwUrdigHe Punkt auf der ganzen öRlichen Hemifphäre, eine Stadt in der man fall alle Nationen
Europas und unzählige Völker Afien's und Afrika's vertreten findet, wo, wie A. v. Kremer in feinem beachtcnswerthen
Werke Uber das heutige Egypten fo treffend bemerkt, »vom flachshaarigen Skandinavier durch alle Abdämmungen
der europäifchen Völkerfamilien hindurch bis zu dem wollhaarigen Neger aus Darfur, Wadai und den innerlten
Ländern Centralafrikas, von dein fanatifchen Moghrebiner, dem Bewohner der Küste des grofsen Weltmeeres bis
zum ölivenfarbigen Hindu oder, dem kaltanienbraunen Südaraber, vom halb europäifirten Osmanli durch alle Stamm-
Abtheilungen der Tataren, Perfer, Turkmanen, Kurden bis zum Rereotypen Chinefen, fad alle Völkerfamilien dreier Welt-
theile im bunten Gemifch zusammengewürfelt find und in ihren hundertfachen AbRufungen fich verfolgen und betrachten fallen.«
Wie einft die Bewohner des alten Memphis außerhalb der Stadt, fern von den Wohnungen der Lebenden,
¡n dcr Einfamkeit der angrenzenden Wüfte fich ihre »ewigen Häufer« erbauten, wie dort die noch heute flehenden
Pyramiden von Gifeh und Saqarah uns die Stelle der altmemphitifchen Nekropolis bezeichnen, fo hatte auch die neu
angelegte Capitale des egyptifchen Reiches, die, Memphis gegenüber im Mittelalter gegründete Kahirah ihren Todten-
acker in der anftolsenden Wulfe-, die fogenannten^^lifen- und Mamlükengräber im Süden und Südosten der Stadt
gehören ihm an. Es unterfcheiden fich diefe Grabmälcr der moslemifchen Herrfcher Egyptens wefentlich von den ihnen
gegenüber liegenden der Pharaonenzeit. Ganz abgefehen von der felliilvcrlländlich durchaus abweichenden Bauart, waren
die dem alten Reiche angehörenden Pyramiden der Könige von Memphis wie die fpäteren Maufoleen der in Theben
refidirtnden Herrfcher lediglich Gräber, die keine andere Bestimmung hauen, als der entfeelten körperlichen Hülle des göttlich
verehrten Königs in einer feiner irdifchen MachtfÜlle cntfprechenden Weife einen ewigen Schutz zu gewähren, bei den
Grabmonumenten der Bekenner des Islams jedoch bildet das Grab nur einen untergeordneten Theil des Ganzen, diefe
Bauten wurden errichtet mit Rücklicht auf Andere und zur Benutzung für Andere, mit ihnen waren verbunden allerlei
gemeinnützige Anstalten, mit ihnen war verbunden vor .Allem in der Regel eine Mofchee. in welcher fich auf den Ruf
von, Minaret die Gläubigen zum Gebete sammelten. Was Schnaafe in feiner Geschichte der bildenden Künde Uber die
Grahesbauten des mobammedanifch-indifchen Kaiferreidjes lagt, gilt mehr oder weniger auch von den Gräbern der
egyptifchen Chalifen und Sultane. »Es ift ein eigenthümlichcr Zug an diefen oft milden und wohlthätigen, oft graufamen,
immer aber ¿ewahigen Despoten, dafs fie ihre Grabftätten mit einer zwar feierlichen und fürftlichen, zugleich aber dem
Volke zugänglichen Pracht ausftatteten. Die römifchen Imperatoren verhüllten in der nur äufcerlich reich gefchmückten
dichten Mauermaffe ihrer Monumente den Afchenkrug, diefe kaifcrlichen Verehrer des Islam prunken noch im Tode mit
jener Freigebigkeit und Wohltliätigkeit, welche der Koran empfiehlt, und zu den guten Werken rechnet.« — Ich fegte
vorher: »Die fogenannten Chalifengräber», weil als folche man heute irrthümlich verfchiedene Grabmonumente Kairos
bezeichnet, die mit den Chalifen abfolut nichts zu thun haben. Zur Zahl diefer gehört nun auch die Grabmpfchee, von
der die vorliegende Tafel uns ein treues Bild giebt. Ihre Erbauung fällt in die erfte Hälfte des .5. Jahrhunderts n. Chr.
und .wir haben in ihr das Grabmal des Melekel-Afcheraff-Barfebay vor uns, eines Sultans der zweiten Mamluken