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B 9 von langer oder kurzer Dauer, ob durch einförmige Gegenden oder in paradififcher Landfchaft lieh
hinziehend, ob auf bequemen Pfaden oder unter Mühe und Entbehrungen, Ob in Freude oderTrUbfal verlaufend, nach einem
und, demfelben Ziele führt 'der Weg eines jeden Erdenwanderers, fUr einen jeden Mcnfchen ül der letzte Meilenilein
auf feiner irdifchen Pilgerfahrt der Grabftein. Ob wir nun auch Alle diefes Endziel unferer Reife kennen, ob auch an Alle
der Ruf ergeht: »Beftelle, o 'Menfch, bei Zeiten Dein Haus, denn Du mufst Herben, noch diefe Nacht kann der Herr Deine
. Seele von Dir fordern«. Io gehört es doch im Ganzen zu den Seltenheiten, dais namentlich ein noch rußiger Wanderer
fchon crniUich diefes Ziel ins Auge feist Aengßlich wird vielmehr alles, was nur irgend wie mit dem Abfeheiden aus
diefem Leben in Beziehung lieht fo viel als möglich von der Hand gewiefen und felbil dem Schwerkranken koßet' es
■ oh noch grofse Uebemvindung, lieh. mit dem Gedanken uh fein nahe bevorftehendes Dahingehen vertraut zu machen und Ihr
daffclbc fein Haus zu beilellen. Wir wollen nun einmal leben und der Gedanke an das Aufhören diefes Lebens iit uns kein
angenehmer, id.ein Gedanke, dem lieh Niemand gern hingiebt. —
Ganz anders die alten Egypter. Sie, die wie Herudot fagt, unter allen Völkern die erßen Waren, welche an eine
Unllerblichkeit der Seele glaubten, erblickten in dem fo fluchtig verlaufenden diesfeitigen Leben nur eine Vorfchule’ftlr das
jenleitige, und in einer Weife, wie es bei keinem anderen Volke jemals der Fall gewefen, verfloflen ihnen im fleten
Hinblick- auf das’ Leben, welches nach. dem Tode fle erwartete, die Tage ihres Erdendafeins. Der alte Egypter befchäßigte
ftch während feiner ganzen Lebenszeit, ich möchte beinahe Tagen, mit einer gewilfen Vorliebe mit feinem Tode, Keineswegs
aber achtete er nun deshalb diefes irdifche Leben gering, keineswegs etwa betrachtete er nun diefe Erde nur als ein
grofses Jammerthal, in welchem er tliatcnlos in Träumen von einem' belferen jenfeits feine Tage verbrachte, im Gegentheil,
aufs Glänzendß'e haben unter den -Kulturvölkern des Alterthums die alten Bewohner des Nilthaies ihre Million in der
Weltgefchichte erfllllt, mehr oder weniger aber waren ihnen doch ihre Thäten hienieden gewiffermafsen nur die einleitenden
Strophen zu dem gro&en Gedichte der Ewigkeit, jenes nachmals fo viel und fchön gelungenen Liedes, welches zuerft von
den Lippen egyptifcher Pricller in fchwungvollen Hymnen erklang. — >Herbergen nannten lie die irdifchen Wohnungen«,
fagt Diodor, »aber ewige Häufer, die'.man auch fllr eine ewige Dauer ausflatten mUfle, die Behaufungen der Todten.« —
Das Grab fllr fleh und feine Angehörigen im herrlichllen Schmuck und fo feil als möglich herzullellen, war eine der
Hauptlebensaufgaben des alten Egypters. In feiner Grabkapclle, bald Freibau, bald Felfenhalle, bald eine einzelne Kammer
von geringen Dimenfionen, bald eine aus geräumigen Sälen, Conidoren und Vorhöfen beflehende Anlage, in diefer feiner
Grabkapelic Tollten'in allen Zeiten ihm die Todtenopfer dargcbracht werden von Seiten der nach ihm Kommenden, welche
fortleben machen Tollten leinen Namen, und der in dunklem, unzugänglichem Schachte tief verborgene Sarkophagraum, er
halle die Bcßimmung den nach Ablauf feines Erdcnlebcns wohl cinbalfamirten Körper aulzunehmen, clcflcn forglajiige
Erhaltung ja von hoher Wichtigkeit war in Bezug auf die .nach dem Tode anzutretende Wanderung im Reiche der Schatten
und von deflen unverfehrtem Zullande fein ganzes fpäteros Wohl und Wehe mit abhing, die Wiedervereinigung der
Seele’ mit dem'Urquell alles Lichtes und alles Guten, von dem fie ausgegangen war, die Vereinigung mit dem Uber Welt
und allen Göttern thronenden Sonnengotte, von dem die Achtbare Sonne diefer irdifchen Welt nur ein Symbol war, nur das
Auge des reinen himmlifchen Lichtes, wie cs in den Infchrißcn heifst. Von'keinem anderen Volke läfet lieh naclnvcifen,
dnfs es in ähnlicher Weife wie die alten Egypter auf die Erhaltung der entfachen körperlichen Hülle .eine folche Sorgfalt
verwendet. Es iß diefe angßvollc Sorge um den Körper nach dem Tode, diefes Sinnen, auf die- beßmöglichßcn Mittel
zur Konfcrvirung deflelbcn, um ihn dem Schickfalc der Vernichtung zu entreifeen, fowohl in Bezug auf die von innen'
heraus vor fleh gehende Auflöfung deflelbcn als auch in Betreff der von aufsen her ihm drohenden Zerllörung, es iil
diefe peinliche Vorforge in der Vorherbcfchaffung alles deflen, was fllr die vorfchriftsmäfsige Beßattung der körperlichen
Hülle erforderlich, diefe Überaus ängßliche ßcdaclunahmc aul die Dauerhaftigkeit der fo fchön als möglich ausgefchmückteh
Grabkapclle und auf die Unzugänglichkeit desjenigen Raumes, welcher der durchEinbalfamirung gegen Verwefung gefchützten
Mumie einen ewigen Schutz gewähren follte, es iß diefes ßete Denken an den Tod und diefes Vergnügen an dem
Aufrichten feines eigenen Grabes einer der GrundzUge egyptifchen Wefens. — Dais nun Egyptens Könige, die in der
Hcrßellung grofsartiger Bauwerke vor keiner Schwierigkeit zurUckfchreckten, die -im Entwerfen von Plänen zur Verherrlichung
der Religion und des Staatslcbcns und in der Bcfchaflung von Mitteln zu deren Ausfllhrung fleh gegenteilig Uberboten, die
den Göttern zu Ehren und fleh zum bleibenden Andenken Tempelbauten auflbhrten, wie den Reichstempel von Karnak, der'
Wie ein dem Reiche der entthronten Titanen angehörendes Werk mit feinem Säulenwalde uns entgegentritt, dafe fle auch
ihre Gräber in einer wahrhaft überwältigenden Grdfsartigkeit herßellen llefsen, darf uns nicht Wunder nehmen. Der
göttlich verehrte-königliche Herrfcher, ein Riefe unter Zwergen, hoch überragte er feine Zeitgenoffen und weithin Uber
die Eide erdrückte liehdm Leben feine Macht, fo follte denn auch fein fllr ewige Dauer berechnetes Grab ein feiner irdifchen
Macht entfprechendes Denkmal fein. Das'Tempelhaus, welches er den Göttern zu Ehren errichtete, es follte auch fein
'Andenken, in alle Zeiten feiern und vor feinem Grabmal follte man mit derfelben ehrfurchtsvollen’ Bewunderung Heben,
mit der man im’Leben vor feiner geheiligten Perfon fich beugte. »Der gnädige Gott, der mit-dem Diadem der Uräusfchlange
gefchmUckte lebende Reprälentant des himmlifchen Horus, der Gerechtigkeit liebende König, von Ober- und Unteregypten,
der Sohn der Sonne, Amenophis oder Tutmofis, Sethos Oder Ramfes iß fein Name, er hat errichtet zu feinem bleibenden
Andenken diefes,herrliche Monument, als ein Werk-yon ewiger Dauer«, diefer Auslpruch, der in wohlerhaltenen, hieroglyphifehen
Zeichen Ulis heute fo häufig auf den Steinen im Nilthale begegnet, er hat etwas Erhebendes, wenn man in Erwägung
zieht, die Zeit, aus welcher die betreffenden Denkmäler herrUhrcn. »Die unbefchreibliche Kraft des Eindrucks, den der
Anblick-diefer Monumente auf unfere Seele macht, fle kommt nicht aus dem Gewicht und Umlange der hier aufgehäuften
’Werkflücke« um mit den Worten eines geillvollen Schrifdlellers zu reden, »fondem fle beruht auf dem Gedanken,, den der
Geiß des Menfchen anderen Menfcheh verßändlich hineinlegte. Diefer Gedanke iß Ewigkeit. Das unabweisbare Bedürfnife
des menfohlichen Wefens, feine Wirkfamkeit noch weit hinaus Uber das Leben der Zeit zu breiten, prägt lieh deutlich in allen
dielen wunderbaren Bauwerken aus. * Wie die weiten, unterirdifchen Grabßile im Oberegyptifchen Thale der Königsgräber
noch heute Kunde geben von dem Glanze des hundertthorigen Theben, der kololfelen Hauptßadt des neu verjüngten
egyptifchen Reiches, und der Macht feiner Herrfcher, fo'klingt es wie Geißerßimmen aus einer noch um Jahrtaufende
früheren Zeit auch von Egyptens älteßem Todtenacker noch heute zu uns herüber: Die unter diefen Hügeln zur ewigen
Ruhe fielt gebettet, das find die Egypter-Könige, welche einß in Memphis refidirten, von ihrer Macht und Gröfse mögen
euch ein Bild geben'diefe ihre ßeinemen Grabeszelte! — Unter diefen den ¡¡ließen Zeiten der Menfcbengefchichte angehörenden
Bauwerken, die den Jahrtaufenden Trotz bietend, am Rande der Libyfchen WUße in einzelnen Gruppin lieh erheben, unter
ihnen lind die bei weitem gröfeeften, denen wir hier unfere befondere Aufmerkfamkeit zu fchenken haben, die beiden
fogenannteri grofsen Pyramiden auf dem WUflenplateau von Giseh, die eine das Grabmal des Chufli, oder wie Herodot
ihn nennt, Cheops, eines Königs, welcher etwa 3000 Jahre vor unferer Zeitrechnung Uber Egypten regierte, die andere,
das feines Nachfolgers Chefren, der in unmittelbarer Nachbarfchaft der Cheopspyramide die feinige aufrichten liefe. —
- Diele beiden Riefengräber mit dem fle bewachenden Sphinxcolofe lind es, welche der gefeierte KünIller, dem wir
das vorliegende Werk zu verdanken haben, als erßes in der Reihe feiner Nilbilder uns vorführt, und zwar fo, wie es
einen ganz befonders Überwältigenden Eindruck machend, dem Befchauer entgegentritt, den feltfemßcn aller Kirchhöfe
ims zeigend in jenem fo wunderbaren. und viel bewunderten Glanze des egyptifchen Morgenlichtes, in jener lür die
Aufnahme, der weltlichen Landfchaft, fo Überaus güiißigen Beleuchtung, wenn auf dem ößlichen Moqattam oder, wiees-
in den Infchriften heilst »auf dem Sonnenberge des Ofiens Gott Ra fleh erhebt,« wenn, die letzten Schatten der Nacht
verfcheuchend, das glänzende GelKrh des Tages am Morgenhimmel emporileigt und nun auf den gegenüber liegenden
Höhen feine leuchtenden Feuer anzllndet und Sand und Geßein der WUße in hell glühendes Gold verwandelt. Was nun
den öfteren diefer beiden Riefenbauten, die Pyramide des Chufu betrifft, fo darf man wohl fegen, dafe nicht blos den
koloffelften aller Grabhügel fle darßeile, fondem den an MalTc gewaltigften Bau überhaupt, den von Menfchenhand
gethürmt die - Erde aufzuweifen hat Wohl zeigt auch die Neuzeit unter ihren architectomfchen Schöpfiingen Bauten,
in Betreff ihrer Höhe der Chufupyounide nicht viel nachflehen und, »ras den Flächenraum betrifft, mehrfach einen ebenfo
grofsen, ja zum Theil noch gröfeeren einnehmen, wie beifpielsweife der Dom zu Strafeburg und einzelne Paläfte m
Frankreich und Italien; doch gleich fchlanken Obelisken ragen diefe Thürme in den Äther hinein und weite, leere
umfchlicfeen diefe Mauern; das auf dem WUflenplateau von Gifeh fleh erhebende Grabmal des Chufu jedoch, es belicht