D ie T em p e l von L uqsor.
B ie Leuchtfeuer in plhdlofer Wildnifs, Co ragen aus der feil unabfehbaren Reihe von Denkmaibauten, weiche
der mcnfchliche GeiR feit Uber lunf Jahrtaufenden erfchuf, die Schöpfungsbauten als hohe Gipfel empor (d. h. jene
Originalwerke in der BaukunR, die fo neu und eigenartig, dafs gleichzeitige oder fpätere MeiRer dem erften Urheber aus
freier Ueberzeugung fielt anfchliefscn und in gleicher Richtung weiter fchaffen, fo dafs eine fruchtbare Entwicklung der
DenkmalbaukunR daraus hervorgeht, und die in ihrem Werthe immer höher und höher Reigen, je reicher und vieUeitiger
die Entwicklung wird, zu welcher fie zuerR die Bahn brachen). Sie allein find für den Architekten — was die Natur in
ihren hcrrllchRen Schöpfungen direct dem Bildhauer und Maler bietet — MuRcr und Vorbild! Weil aber das eigentliche
Feld der BaukunR die Städte find, die Anfiedelungspunkte der gefellfchaftlich verbundenen Mcnfchheit, fo nennen wir jene
Städte, welche tonangebend als Mittelpunkt ihre Mitwelt und Nachwelt in architektonifchemSinne beherrfcht haben, Welt-
Rädte in der BaukunR.« Acht Städte nun find es, welche man in der Gcfchichtc der Architektur vorzugsweife als
> WeltRädte in der BaukunR« zu betrachten pfiegt: Theben, Babylon, Athen und Rom dir das Alterlhum, Confiantinopel, Cairo
und Paris ftlr das Mittelalter, und Florenz liir die moderne Zeit, und auf den uns am femRen liegenden unter diefen acht
Gipfelpunkten der BaukunR wollen wir jetzt unferen Blick richten; die erfie von den genannten acht Städten ¡R es, mit
der wir hier cs zu thun haben, Theben, die weltberühmte Hauptfiadt des allcgyptifchen Reiches in feiner macht- und
glanzvollRen Epoche.
Unter 257»® nördl. Breite, in einem, durch ein weiteres Zutlicktreten der arabifchen Bergkette gebildeten, etwa
2 geogr. Meilen breiten Thale Oberegyptens, dehnte fich, durch den Nil in zwei Hälften getheilt, das alte Theben aus auf
einem Flächcnraumc, deflen Grenzen fich heute noch annähernd befiimmen laden durch die beiden Reihen von Monumenten,
welche uns hier auf der rechten wie linken Seite des Stromes erhalten .geblichen. Es find diefes die Tempel von Karnak,
Mcdamilt und Luqsor auf der ORfeitc, das von Scthos I. erbaute Heiligthum bei Qumah, der im Afiafif fich erhebende
Tcrmffentempel von Ddr-cl-bah'cri. das Rnmefleum, die Memnonskolofie, die Tempel von D&r-el-medinch und Mcdinet-Habu
auf der WeRfeitc, und thcils zwifchcn, tltcils hinter diefen dann die Nekropolis von Drah-abu'l-ncggah und die im Afiafif,
die Gräber von Schcchabd-el-Qurnah und Qumct-MuraY, und, am weitefien nach WeRen vorgcfchoben, die in den Schluchten
der libyfehen Bergkette vcrRccktcn KönigsgrüRe, jene gewaltigen untcrirdifchen Treppenltallen, Säle und Corridore, welche,
was Grofsartigkeit der Anlage und Aufwand betrifft, unter alten Maufoleen der Erde wohl nicht ihres Gleichen haben.
Schon aus der Fülle diefer, weithin Uber die ganze Ebene zerRrcuten Monumente zu fchliefsen, mufs Theben, was übrigens
auch anderweitig durch die Berichte griechifchcr und römifcher SchriRRcIlcr befiätigt wird, einR eine Stadt von ungeheurer
Ausdehnung gewefen fein; wenn wir unter den auf ihrem Grund und Boden noch heute Rehenden Denkmalbauten die
Entfernung zwifchcn den filnf Endpunkten: Karnak, Medamüt, Luqfor, Qumab und Mcdinet-Habu in Erwägung ziehen, fo
kommen wir zu dem Schluffe, dafs diefe Stadt einR einen Umfang von mehr denn 5 geogr. Meilen gehabt haben mufs,
eine Ausdehnung, welche alfo die von Paris noch um ein Erhebliches UberReigt.
Während im alten Reiche das untcrcgyplifchc Memphis die Refidenz der egyptifchen Herrfcher war, wurde nach
der Vertreibung der femitifchcn Hykfos, die Uber vier Jahrhunderte die Herren des Landes gewefen, nunmehr das ober-
cgyptifchc Theben die Capitnlc des cgyptifdicn Reiches. Unter ihrem cinheimifchen Könige Amofis war es den Egyptem
nach langen und fehweren Kämpfen endlich gelungen, fich von dem drückenden Joche der Fremdhcrrfchaft zu befreien;
auch aus der Stadt Auaris, deren altegyptifchcr Name «Ha-uar« fich in dem heutigen Tel-eI-H4r, unweit des alten
Pelufium, erhalten zu haben fcheint, auch aus diefem ihrem letzten und fefiefien Halte waren die Hykfos glücklich' hinausgetrieben
worden, oRwärts nach Allen hin, von wo fie Uber die Völkerbrücke von Suez nach Afrika gekommen waren.
Von Theben war die Erlöfung ausgegangen, von Theben her war den Egyptem die Errettung aus fchmachvoller Knecht-
fchaft geworden, und fie, die Wiege der Wiederbefreiung, wurde nunmehr fehr bald eine der gewaldgfien Städte, wurde
jene weltberühmte Stadt des Alterthums, von der Homer preifend fang, dafs fie
«Hundert habe der Thor’ und es zieh’n zwei Hundert aus jedem,
RURige Männer zum Streit mit Rolfen daher und Gefchirren.«
Sie wurde fortan der Mittelpunkt des Pharaonenthums, deffen Glanz nun heller aufleuchtete und weiter hin Rrahlte denn
jemals zuvor, welches feine Grenzen ausdehnte, wie es in den Infehriften heilst: »Von den Pforten des Windes bis zu den
Stützen des Himmels an den Thoren der Nacht, und von dem öfilichen Sonnenberge, auf welchem Ra fich erhebt, bis zu
den Beigen des Weflens, hinter denen der gnädige Gott fein Rrahlendes Antlitz verbirgt«, deffen Macht fich im Süden
nilaufwärts erflreckte bis hinaus Uber die Grenzen Aethiopiens, vor welchem im Norden fich beugten die KUflen- und Infelbewohner
des Mittelmeeres und im WeRen die in'Libyens WURen fefshaften Völker, und welches im Oflen feine Eroberungszüge
ausdehnte bis tief hinein in das benachbarte Afien. Auf fie zumal, auf fie, die ältefle von den vorhergenannten
acht Städten, finden die, einer geiRvollen Abhandlung unferes gelehrten Architekten Prof. Adler entlehnten Eingangsworte
fo recht ihre Anwendung, denn mehr noch als alle die glänzenden Kriegsthaten jener mächtigen Herrfcher, welche in
Theben einR ihren Sitz hatten, find es die Bauwerke diefer Stadt gewefen, durch welche der vor Jahrtaufenden fo blühenden
Capitale des egyptifchen Reiches ein unvergänglich ruhmvolles Andenken bewahrt worden, ihre BaukunR vor allem ¡R der
Reineme Ruhmeskranz geworden, welcher, um eines in den Infehriften fo häufig uns begegnenden Ausfpruchcs mich zu
bedienen, »ihren Namen wird fortleben laßen in alle Zeiten.«
Die vorliegende Tafel bringt uns nun von den vorerwähnten fünf Tempelgruppen, die unter den auf dem alten
Stadtgebiete erhalten gebliebenen Monumenten die fünf Endpunkte bilden, diejenige zur Anfchauung, welche auf der ORfeite
des Stromes die am nteiRen nach Süden zu gelegene iR, die Tempelgruppe von Luqfor. Wiewohl fehr viele von den
Dörfern im Nilthalc, die auf den Trümmern altegypfifeher Städte erbaut find, wie Edfu, Alfuan. Esnc, Siut u. a. m., in
ihren Namen fich zweifellos auf die alten Benennungen zurückfllhren laßen, fo Reht doch zufällig von allen den Ortfchaftcn,
die heute auf dem Grund und Boden des alten Theben fich befinden, keine einzige mit ihrem Namen in irgend welcher
Beziehung zu dem alten Egypten, und was nun fpeciell das Dorf Luqfor betrifft, deffen elende Lehmhütten fich heute um
das alte Amonsheiligthum gruppiren, ja zum Thcii in und auf dcmfelben angebracht find, fo iR der Name diefes Dorfes
entfianden aus dem arabifchen Worte >E 1-qussor. die Schlöffen, womit die hier fich anfiedelnden Araber die herrlichen
Tempclruinen bezeichnten, und woraus dann durch europäifche Reifende der. feltfamer Weife, gegenwärtig auch von den
Bewohnern jener Gegend acceptirte Name Luqfor gebildet worden iR. Wie noch heute man hier, bei einer Rromaufwärts
wie abwärts gerichteten Fahrt, in der Regel am öRlichen Ufer, des Niles, und zwar an der Südfpitze des Dorfes zu landen
pfiegt. fo befand fich auch wohl fchon im alten Egypten der Hauptlandungsplatz für die in Theben einlaufenden Schiffe in
der Nähe des Luqfortempels, der, in der Richtung von SW. nach NO. angelegt, durch die Infehriften fich ausweiR als
ein dem Amon geweihtes Heiligthum, gegründet von Amenophis III. und vollendet von Ramfes d. Gr. Erfierer iR der
Pharao, deflen Bild die beiden als Memnonskolofie bekannten Statuen darfiellen. über welche zu Tafel II der erften Lieferung
ausführlich geredet worden, und Ramfes d. Gr. iR der von den Griechen unter dem Namen SelöRris fo hochgefeierte Heldenkönig,
welcher die afrikanifchen Aethiopen und Libyer wie die afiatifchen Völker Arabiens und Syriens fich unterwarf, ja bis hin