Bevor ich mit der Beschreibung der Saugadern der Fische beginne, mufs ich (einige
Bemerkungen vorausschicken, die sich auf die Eigenschaften von Seiten des Bearbeiters
und die Manipulationen beziehen, diese Gefäfse aufzufinden und einzuspritzeu, so wie auf
die Werkzeuge zu diesem Behufe;
Die Saugadern aufzufinden und durch Hülfe der Injection in ihrer Ausbreitung
kennen zu lernen, setzt gute anatomische Kenntnisse und Fertigkeit in anatomischen
Arbeiten überhaupt voraus. Wem diese Eigenschaften abgeben, dem wird selbst eine
weitläufige Beschreibung, auf welche Weise man hier verfahre, wenig nützen, da man vor
Allem die verschiedenen, die Organe zusammensetzenden, Systeme kennen und voneinander
zu unterscheiden verstehen mufs, was denn freilich viel leichter theoretisch aufzufassen
als praktisch zu bethätigen ist. Die beste Schule sich zu feineren anatomischen Arbeiten
zu befähigen, bereitet auch zu Untersuchungen über die lymphatischen Gefäfse vor. Man
begnüge sich nicht mit der Kenntnifs von der Form eines Organs, sondern suche näher
in seine Struktur und seine Beschaffenheit in den Verschiedenen Thieren eirigeweiht zu
werden, um hier oder dort zu erfahren, was uns an einem andern Orte weniger klar
geworden.
Wer auf diese Weise bei seinen anatomischen Arbeiten verfahrt, wer nicht bei
einer oberflächichen Kenntnifs der verschiedenen Organe verweilt, sondern sich bemüht,
den Antheil, den die verschiedenen einfachen Systeme an deren Zusammensetzung nehmen,
näher zu erforschen, wird eben so leicht Saugadern auffinden, als er feinere Nervenver—
lcettungen entwickelt, oder andere schwierigere Gegenstände im Gebiete der Zergliederungskunst
entwirrt.
Die Saugadern der Fische sind nicht in allen Thieren dieser Klasse gleich leicht
zu erkennen, was seinen Grund in verschiedenen Umständen , hat. Entweder liegt die
Ursache in der Beschaffenheit der Gefäfse selbst, die bei manchen Thieren klein sind, oder
in der Anordnung des Gekröses, welches häufig nur von geringem Umfange und unvollständig
ist; oder es wird das viele Fett, welches hier vorkömmt, das Hindernifs. Auf
die letztere Schwierigkeit stöfst man gewöhnlich bei den Fischen, die im süfsen Wasser
leben, weswegen auch die Untersuchungen in diesen Thieren, viel mühsamer sind, als an
den Seefischen. Gelingt es auch, die Saugadern mit Quecksilber anzufüllen, so glückt es
doch äufserst selten, sie in ihrer ganzen Ausbreitung zu verfolgen, da man sie, bei dem
Wegnehmen des Fettes, gewöhnlich verletzt, wobei sich dann das Quecksilber entleert.
Betrachtet man die Abbildungen von den Saugadern, so wird man wohl zu glauben
veranlafst, es raüfsten diese Gefäfse in dem Zitter-Rochen (Torpedo marmordta), dem Welse
(Silurus Glanis) und dem Seewolfe (Anarrhichcis Lupus), bei denen sie von so bedeutender
GrÖfse sind, sehr leicht zu unterscheiden seyn. Allein das ist doch nicht der Fall. Enthalten
sie keinen Nahrungssaft, so sind sie zusammengefallen, und wegen ihrer zarten
Wandungen so durchsichtig, dafs sie nur schwer erkannt werden.
Gewichtiger als diese Umstände 'jedoch sind die Schwierigkeiten, die mit den
Untersuchungen über die Saugadern des Aals (Muraena Anguillä), des Hechts (Esox Lucius),
der Steinbutte (Plcuronectes maximus) verknüpft sind, welche theils in der Kleinheit dieser
Gefäfse, theils in dem Fette, welches sie dem Auge verbirgt, ihren Grund haben.
Als ich mir von den Formen und Anordnungen der Saugadern in den Fischen
einige Kenntniis verschafft hatte, habe ich die Hoffnung, diese Gefäfse in solchen Fischen
tu finden, wo ich mich längere Zeit vergebens bemühte, sie zu entdecken, nicht aufgegeben,
sondern schnitt in der, Umgebung der Blutgefäße, and auf den Darmwandungen
selbst, nach verschiedenen Richtungen ein, and bliefs, mittelst eines Röhrchens Luft an
diese Stelle. Glückte es nicht aufs erstemal, so gelang es doch hei wiederholten Versuchen
einige. Sangaderzweige oder einige Stämmchen aufzublasen, nnd somit war dann der Weg
gefunden, diese Gefäfse mit Quecksilber anzufiülen und in ihrer weitern Verbreitung kennen
zu lernen, da.wegen des Mangels an Klappen in den Saugadern dieser Thiere das Queck-
Silber nach den verschiedensten Richtungen Vordringen kann.
Nachdem ich beim Aal die Säelce im Gekröse! als Saugadererweiterungen oder
Chylnsbehälter erkannt hatte, so; verfolgte ich das Sangadersyslem dieses Thiers von hier
aus, da Luft, wie Quecksilber, mit denen man diese Säcke anfüllt, sowohl in die Saugadern
des Magens und Darms,, aß in die Aestchen,, übergehen, die sich za den Milch-
bruslgärigen fortsetzen., Sehr leicht kann man auch die .Milchbrustgänge zu beiden Seiten
der Aoria auffinden und mit Quecksilber anfüllen.
Die Saugadern des Hechtes füllte ich durch, die Stämmchen, die zwischen Magen
und Leber, in der Nähe, der Gallengänge, Vorkommen, oder ich setzte das Stahlröhrchen
des Quecksilberapparat’s in die Saugadern, der Hod*j> oder Eierstöcke ein, welche viel
größer, als die eben angeführten sind. Leicht ist esr das , schöne Saugadernetz, welches
diese Organe bedeckt, mit Luft anzufällen, Quecksilber aber zerreifst nur za oft die
zarten Wandungen dieser Gefäfse, schon früher ehe das ganze, Netz eingespritzt ist
Die leichte Zerreifsbarkeit bei der Anfüllung mit Quecksilber rechne ich zu der
'größten Schwierigkeit bei dieser Arbeit, welche .sjch nur zum Theil, und zwar durch die
Anwendung'.vqn zusammemziehenden Mitteln,, beseitigen läßt. Durch den Gebrauch der
Adstringenden., Weingeist,, Alaunaufflösuug u. d. gl. gewinnen die Saugadern; sehr an
Stärke^ und ertragen einen viel großem Druck als ausserdem;; ich bediente mich zu diesem
Zwecke gewöhnlich des.' Weingeister und legte einzelne Theilet, oder die ganzen Thiere
an denen ich die Saügadern zu untersuchen gedachte, kurze Zeit in diese Flüssigkeit ehe
ich die Arbeit unternahm.
An den Därmen der Rochen., mißlingt sehr häufig die Injektion der Sangadern
weil die Contenta dieser Eingeweide die gewöhnlich aus Fischgräten bestehen die zarte
Schleimhaut, in welchg sich die'Saugädern aufläsen, verletzen, wo dann das Quecksilber
ausfli^fst. Da man wegen der besonderen Anordnung der Spiralklappe, welche beinahe die
ganze Höhle des Darmkanals anfüllt, diese,, Reste der Alimentarstoffe, nicht ohne die
Schleimhaut zu beschädigen, entfernen kann, und sie, im Darme verweilend, während den
Manipulationen der Injektion, und .bei dkm eindringenden Quecksilber in die grofsen Saug-
aderg-Anfänge in der,,^piralklappe, ihre nachtheilige Einwirkung auf den Darm äufsern
so mufs man Sorge tragen, diese Theile. aus Thieren zu erhalten, die längere Zeit gefastet
haben. Zu dem Ende liefs ich die Thiere, welche ich zu diesem Zwecke in Holland
untersuchte, die erforderliche Zeit iu Behältern aufbewahren, wo sie keine Nahrung fanden,
und schritt erst dann zum Werke, wenn sich vermuthen liefs, dafs die Reste der Alimentarstoffe
aus dem Darmkanale entfernt seyn könnten. Hat man diese Auswahl getroffen, so
nimmt man den Darm aus der Bauchhöhle, reinigt ihn, indem man Wasser durchfliefsen
läfst, legt,ihn noch kurze Zeit in Weingeist, und unternimmt dann die Einspritzung. Will
man sich von dev Anordnung des innörh Saugadernetzes, welches den Darm als Schlauch
auskleidet, unterrichten, so stülpt man das Eingeweide mit der gröisten Vorsicht um, damit
die Spiralklappe nicht Schaden leide, unterbindet das eine Ende des Darms und läfst an