Wird man hieraus die Folgerung ziehen, die Lungenvenen sögen eben so, wie sie dort
das blausaure Kali aus den Bronchien aufgenommen haben, die Bestandtbeile ein, welche
die Schleimhaut der Bronchien im Leben absondern, und die Saugadern der dichten Netze,
welche die Lungen umstricken, deren Drüsen unverkenntlich die Spuren der Stoffe tragen,
die beim Athmungsprocefse in die Luftwege ausgeschieden werden, hatten keine andere
Verrichtung, als die Lymphe abzuleiten, die ihnen die Bronchialarterien zuführten.
Die Schwierigkeit der Aufgabe, die Erscheinungen wie sie sich im Bereiche der
Physiologie dem Beobachter darbieten, den verschiedenen Anforderungen gemäfs, zu
würdigen, wird in den Untersuchungen über die Einsaugung nicht minder fühlbar, als man
sie bei anderen physiologischen Forschungen erkannte. Ohngeachtet der vielen Erfahrungen,
die wir den zahlreichen Experimenten und Vivisectionen der neuern Zeit verdanken,
vermögen wir doch nicht diesen Lebensprocefs in seinen verschiedenen Verhältnissen
genügend zu erklären, und es scheinen uns, trotz der vielen Thatsachen, die sich über
diesen Vorgang angehäuft haben, immer noch die Kenntnisse zu mangeln, ohne die wir
vergebens eine richtige Ordnung und Deutung der vorliegenden Materialien versuchen.
Welchen Weg wérden wir aber einschlagen, um in den Besitz dieses Wissens zu
gelangen? Werden wir die vorhandenen Thatsachen durch die Ergebnisse neuer Vivisectionen
bereichern? Werden wir glauben, das Problem auf dem Wege der Speculation^ a priori>
zu löfsen? Oder unterwerfen wir die Theile, die das Einsaugungsvermögen äufsern, weiteren
anatomischen Untersuchungen ?
Dieser letzte Punkt scheint uns zuvörderst der wichtigste, zunächst unsere
Aufmerksamkeit ansprechende zu seyn, da die Beleuchtung dieser Seite nothwendig allen
anderweitigen Betrachtungen vorangehen sollte. Auch scheint es endlich nach einem
Zeiträume von 37 Jahren, während dem kaum etwas in der Lehre vom Säugadersysteme
geschah, an seiner Zeit auch, hier zu versuchen weiter zu kommen, um die grofsen Lücken
und problematischen Verhältnisse, auf die wir in diesem Gebiete hinsichtlich des Ursprungs,
der Entwickelungsgeschichte , der verschiedenen Formen und Bildungsstufen dieser Gefäfse
und ihrer Drüsen stofsen, auszufüllen und zu entwirren.-------
Was meine Erfahrungen angeht, die in den eben erwähnten Beziehungen Aufklärung
geben dürften, so werde ich diese in vier Abtheilungen unter dem Titel:
Naturgeschichte des Saugader Systems der Wirbellhiere
bekannt machen.
Das e r s te Heft soll das Saugadersystem der Fische, das zw e ite die Saugadern
der Amphibien, das d r i t t e diese Gefäfse der Vögel1 und das v i e r t e endlich das Lyiüph-
gefäfssystem der Säugthiere und des Menschen enthalten. Ein jedes Heft soll für sich, so
weit es wird geschehen können, diese Gefäfse der Klasse, von der es handelt, vollständig
enthalten, und in Verbindung mit den übrigen die Naturgeschichte des Saugadersystems der
Wirbelthiere ausmachen. Die Abbildungen, welche ich jedem Hefte beifügen werde, sollen
die Saugadern eines oder auch mehrerer Thiere der Klasse, wenn es erforderlich scheint,
in der ganzen Ausbreitung darstellen und aus den übrigen Ordnungen nur solche Theile
erläutern, die in physiologischer Hinsicht merkwürdig sind. Die vorzügliche Arbeit
von Mascagni in Betreff der Topographie der Saugadern des Menschen, enthebt mich in
der Hinsicht Abbildungen zu liefern. Bei der Untersuchung des Saugadersystems des
Menschen und der Säugthiere werde ich die Theile hesonders behandeln, die rücksichtlich
der Physiologie nähere Erwägung verdienen: die verschiedenen Arten von Saugaderdrüsen,
ihre Struktur und Entwickelungsweise, mit steter Beleuchtung durch vergleichende
anatomische Beobachtungen, über die verschiedenen Saugaderdrüsenbildungen in den
UÊÊSSMSlW Ê
niederen Wirbelthieren, die Eihäute dieser Thiere und des Menschen hinsichtlich dieser
Gefäfse u. dgl. r).
Nicht mit vorgefafster Meinung, nur von der Natur geleitet, ihre verschiedenen Formen
und Werkzeuge studierend, verfolgte ich meinen Gegenstand, und nur diejenigen Erfahrungen,
welche sich wiederholt und abermal als richtig bewährten, bringe ich zur öffentlichen
Kenntnils. Wohl überzeugt, dafs dieses Feld der Forschung einen grofsen Wirkungskreis
darbiete, hege ich nicht die Meinung, dieses Objekt jetzt schon in seinem
ganzen Umfange zu erschöpfen, sondern vielmehr die Nothwendigkeit einsehend, die
verschiedenen Thiere, die in der Hinsicht nicht zergliedert worden sind, so weites nur immer
geschehen kann, untersuchen zu müssen, um mit allen Formen des Saugadersystems bekannt
zu werden, soll mein Augenmerk auch noch fernerhin auf diesen Zweig des Gefäfssystems
gerichtet seyn. Im Besitze eines umfassendem Wissens von dieser Gefäfsart mögen wir dann
auch unsere Forschungen hierüber in den wirbellosen Thieren mit bessern! Erfolge beginnen
und überhaupt über die Verhältnisse des Saugadersystems und seine Wirkungen, mit mehr
Recht absprechen, als man dieses bis jetzt gethan zu haben sieh rühmen kann.
Gelingt es mir, diesen Theil des Gefäfssystems weiter zu beleuchten, so habe
ich das Ziel, das ich mir zunächst vorgesteckt, erreicht und damit hinlängliche Belohnung
für die mühsamen und zeitraubenden Arbeiten, die ich deshalb unternommen.
Die gewonnenen Kenntnisse, über die anatomischen Verhältnisse des Saugadersystems,
werde ich dann am Ende dieser Untersuchungen, bei der Betrachtung der Ergebnisse
der Experimente in Betreff der Werkzeuge der Resorption, zur Begründung einer
Lehre über die Einsaugung und den Uebergang des Resorbirten ins Blutgefäfssyslem,
mit derselben Unparteilichkeit in Anwendung bringen, als ich zuvörderst den anatomischen
Thatbestand treu darzulegen mich bcfleifsige.
1 ) Hier schon inufs ich vorläufig aufmerksam machen, auf ein besonderes Gefäfsnetz, welches die ganze
innere Fläche der Gefafshaut' des Pferdefötus einninimt, sich üher die Harnhaut ausbreitet und mit der Nabel-
sclieide-zusainmenfliefsend, in diese sich endigt. Die Gefäfse dieses Netzes umfassen die Blutgefäfse, die grösseren
Verzweigungen der Nabelpulsadern und der Nabelyene im Chorion, scheidenartig, - sie fliefsen allenthalben in
einander über, so dafs man durch einen Zw e ig das ganze Netz mit Luft aufblasen, oder mit einer andern Masse
anfüllen kann, und führen die blafsröthliche eiweifsstoffhaltige Flüssigkeit, die sich in ihnen findet, in die Nabelscheide.
Auf dieses Gefäfsnetz, welches ich schon seit 5 Jahren kenne’,‘ legte ich erst eine höhere Bedeutung, als
ich mit denfverschiedenen Formen der Saugaderbildung im Thierreiche%äher bekannt wurde, denn hier stöfst
man auf ähnliche Formen. Im Aal liegt die Arterie, welche dem Darmkanale angehört, und die V ene , welche
dieser entspricht, und in die Pfortader übergeht, in einem Saugadcrsacke, Der Milchbrustgang der Schlangen
umfafst die Aorta scheidenartig und die ihn zusammensetzenden Aeste bekleiden auf dieselbe W e is e'd ie von der
Aorta angehenden Stammch™ und Zweig e au den vetsclucdeneu Organen, in die sie s.pji auflosen Bei deu
Schlaugenfötus war ich so glücklich, einen Zusammenhang zwischen der Nabelscheide und dem Milchbrustgang zu
entdecken. Schneidet, man die ganz kurze Nabelscheide ein, und bläst man Luft in sie, so gelingt es leicht, ein
Gefafs anzufüllen, welches sich Von hier gegen den Milchbrustgang begiebt und ln diesen sieb-einsenkt. Quecksilber*
an dieser Stelle in die Säbelscheide gegen die EmgeweidChöhle geleitet, füllt gleichfalls dieses GclSIs an und
(liefst in den Milchbrustgang über.
Die Flüssigkeit, welche das Gefäfsnetz auf dem Chorion des Pferdes enthält, bespült dessen Blutgefäfse
eben so, wie die Lymphe und der Chylus-, 'den man in dem Milchbrustgange der Schlangen sehr leicht finden
kann, wenn man dife Eingeweidehöhle zur geeigneten Z e it> während oder nach beendigter Verdauung öffnet, die
Aorta und ihre Aeste bespülen.