der Werkzeuge der Resorption, über deren nähere Bestimmung folgende Theorien aufgestellt
wurden:
1) Die zum Ersätze des Blutes dienenden Bestandtheile, der Nahrungssaft und die
Lymphe werden durch Saugadern aufgenommen und in d^s Venensystem übergeführt,
während
2) Die Blutadern die unverdauten, dem Organismus fremdartigen Stoffe,' Gifte,
Salze, Riech- und Färbe-Stoffe, einsaugen.'
Aufser den Beweggründen deren bereits Envähuung geschah, den Venen ein Resorptionsvermögen
von grofsem Umfange zuzuschreiben, hat man noch ferner angeführt, dafs
in den wirbellosen Tliieren und den Eihäuten der Vertebraten keine Saugadern existiren,
folglich also die Aufsaugung durch Venen vollzogen werden müsse. Magendie geht noch
weiter in der Beschränkung rücksichtlich der' Verbreitung der. Saugadern in den Thieren
und des Wirkungskreises dieser Gefäfse; nach seinen Lehren sollen sie sich nicht über
alle Klassen der Wirbelthiere erstrecken; schon die Vögel derselbeh gröfstentheils
ermangeln und die sogenannten lymphatischen. Gefäfse mehr dem Gefäfssysteme des
Blutumlaufs angehören als zur Aufsaugung dienen.
Blickt man auf die Lehren von der Einsaugung zurück, vergleichend die Theorien
aus den verschiedenen Zeiträumen, so findet man leicht die grofse Aehnlichkeit auf, die
zwischen diesen neuen Lehren und den Ansichten besteht, welche gegen die Mitte des
vorigen Jahrhunderts herrschend waren. Die Einsaugung, welche nach der HuNTER’schen
Schule ganz allein durch lymphatische Gefäfse oder Saugadern ausgeübt wurde, erscheint
hiernach wieder als Wirkung der sämmtlichen Gefäfse, die gegen das Cenlrum des Gefäfs-
systems zurückkehren, so wie die Gefäfse, deren Wirkung wir über den ganzen Körper
ausgedehnt annahmen, wieder auf einen kleinen Theil desselben, von Magendie auf die
Verdauungswerkzeuge, beschränkt werden.
In wie fern die Lehre von der Veneneinsaugung in der Wahrheit begründet sey,
ist öfters die Frage gewesen, die meistens bejahend beantwortet wurde; in wie weit man
aber bei der Kritik der Prämissen, auf welche diese Lehre gebaut ist, mit der erforderlichen
Umsicht zu Werke ging, scheint mir ein Umstand, besonderer Erwägung bedürfend.
Es fragt sich nämlich, ist die Richtigkeit der Voraussetzungen auch hinlänglich erwiesen ?
Sind die Saugadern in der That nur auf einen so kleinen •Theil im Thierreiche
beschränkt, wie Magendie lehrt? Folgern wir aus dem Umstande, dafs diese Gefäfse in den
wirbellosen Thieren und den Eihäuten der Vertebralen bis jetzt nicht dargelkah worden
sind, mit Gewifsheit, dafs sie wirklich’nicht bestehen? Und ist die Voraussetzung hinlänglich
als richtig verbürgt, dafs die Stoffe, die wir in der-Pfortader antreffen, wenn sie in den
Gedärmen der Aufsaugung dargeboten wurden, unmittelbar von den Wurzeln dieser Vene
aufgenommen worden seyen ? ;
Hat man mit Recht die HuNTER’schen Versuche, nach welchen ganz allein nur die
lymphatischen Gefäfse das Einsaugungsvermögen besitzen sollten, als zu wenig genau und
sorgfältig angestellt, nicht von dem entscheidenden Gewichte gehalten, das man früher auf
sie legte, und eine Wiederholung und Prüfung derselben für erforderlich geachtet, ehe
man den daraus gezogenen Schlüssen beipflichten wollte, so handeln wir aus denselben
Gründen, wenn; wir die Prämissen, die der Lehre von der Venenaufsaugung zur Stütze'
dienen, insbesondere was diese hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse der Saugadern
betrifft, als nicht erwiesen ansehen, und diese einer genauen Prüfung unterziehen,
bevor wir dieser Theorie huldigen.
Unsere Kenntnisse von den Saugadern, die wir den Bemühungen unserer Vorfahren
verdanken, sind bei weitem nicht von dem Umfange, dafs sie vollständig genannt werden
könnten und in der neuern Zeit geschahen bekanntlich keine bedeutende Schritte zu ihrer
Erweiterung. So sehr wir hier den Eifer bewundern, durch den die Thieranatotnie raschen
Schrittes zu einem hohen Grade von Vollkommenheit geführt wurde, so sehr mufs die
Genügsamkeit befremden, die man hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse der Saugadern
nährte. Während die Physiologen, welche die Werkzeuge und die Vorgänge der
Aufsaugung auszuspähen j sich bemühten, ihre Versuche an lebenden Thieren immer mehr
ausdehnten und' vervielfältigten, hatten ihre anatomischen Arbeiten in Betreff des Sau«ader-
systems, bei einigen flüchtigen Nachspürungen .ihr Bewenden; nicht nur nicht weitere
Aufklärung erlangte dieser Zweig des Gefäfssystems, sondern selbst die treuesten Nachrichten
hierüber, aus der frühem Zeit, wurden bezweifelt und geriethen beinahe in
Vergessenheit. Magnet MageSdib nicht die Verbreitung der Saugadern in den vier höheren
Thicrklassen gröfstentheils, Venn er sie nur. dem Menschen, den Säugthieren und einzelnen
Theilen einiger Vögel zugcsleht, und, widerspricht er nicht, den Lehren von Mohro und
Hewsow, welche uns Abbildungen über das Sangadersystem der Vögel, der Amphibien
und Fische hinterlassen haben?
Wie irriger Weise Magendie aber behauptet, die Saugadern beschränken sich nur
auf. die oberen .Klassen der Wirbelthiere, habe ich mich bei meinen Untersuchungen über
diese Gefäfse,, auf das vollständigste üherzeugt. Nicht nur allein in den Thieren von
welchen uns die Saugadern von Monro und Hewson beschrieben worden sind, habe ich
diese Gefäfse wieder gesehen und näher untersucht, sondern auch in vielen anderen
Ordnungen und Arten, in welchen man sie bis jetzt. nur muthmafslich annahm, aufgefunden.
Wiederholt füllte ich die Blutgefäfse aus den verschiedenen Ordnungen der Fische, Amphibien
und Vogel, mit gefärbten Massen. Nach den glücklichsten Injektionen der Pulsadern und
Venen fanden sich überall noch andere Gefäfse vor, die sich nach allen Merkmalen als
Saugadern verriethen und die ich auf dem Darmkanale dieser Thiere sehr oft Chylus
enthalten sah. Die Menge dieser Gefäfse auf den Verdauungswerlczeugen geht in’s unzählige!
Sie umstricken diese nach allen Richtungen und bilden meistens oberflächige und tiefere
elzp, welche in den verschiedenen Klassen und Ordnungen verschieden angeordnet sind.'
er gröfste Theil folgt den blutführenden, umstrickt diese vielfältig und nimmt seinen
eo gegen [die Milchbrustgänge; eine geringere Anzahl mündet auf den Wandungen der
Verdauuugsorgane und im Gekröse in Venen.
Was ferner die Thatsachen selbst betrifft, welche man als sprechende Beweise
für das Aufsaugungsyermögen der Venen anführt, das Vorkommen sehr vieler Substanzen
in den Venen, die man früher immer nur in den Saugadern beobachtet haben wollte, so
scheinen auch hier anderweitige Deutungen zulässig, wenn man bedenkt, dafs diese nicht
ausschliefslich in dem Venen, sondern auch nicht selten in dem Milchbrustgange gefunden
wurden, und dafs diese beiden Gefäfsarten, Saugadern und Venen, in vielfachem Zusammenhänge
stehen.
Dafs übrigens die Venen unter gewissen Verhältnissen Bestandtheile anziehen
oder von gewissen Stoffen durchdrungen werden, ist unläugbar. Die Versuche von Mayer
und Magendie, bei welchen das.in die Luftröhre lebender Kaninchen gespritzte blausaure
Kali nach wenigen Minuten im linken Herzen sich zeigte, und das reine Wasser, welches
man durch eine Vene fliefsen liefs, sauer reagirte, nachdem man diese mit Säuren
beträufelt hatte, liefern hierfür den bündigsten Beweis. Allein, ist der Schlufs richtig, wenn
man annimmt, dafs Vorgänge der Art, wie sie bei aufsergewöhnlichen, stürmischen, selbst
das Leben zerstörenden Eingriffen, in die Wirkungsweisen des Organismus, oder an einzelnen^
aus dem organischen Zusammenhänge gerissenen Theilen, wahrgenommen werden, auch im
Zustande der Integrität, während dem ruhigen Gange der Lebenserscheinungen, statt finden?