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Hie und da werden auf der grofscn Steinplatte undeutlich
hervorragende Massen sichtbar, welche, wie es
scheint, gröfsern Pflanzen angehört haben , ohne dafs
sich etwas über ihre Form, oder was sie eigentlich waren
bestimmen läfst. Als wir auf einen Gegenstand dieser
Art ein etvras stark vergröfserndes Glas anwandten. Icam
nichts als ein Haufen kleiner Blümchen zum Vorschein!
Diese kleinen Blümchen haben ganz die Gestalt der Fig. 7.
auf dieser Tafel abgebildeten Blume, sind aber so klein,
dafs zweie auf einem Blatte derselben Raum haben. Dem
blofsen Auge entgehen sie so lange, bis sie durch die Vergröfserung
aufgefiuiden sind völlig, indem es nur scheint,
als ob die Oberfläche mit kleinen Erhöhungen, die man
demSteine zuschreibt, bedeckt wäre. Wir suchten weiter,
und fanden fast die ganze Oberfläche des Steins damit
bedeckt; sie liegen auf den Blättern "der gröfsern Blumen,
auf denKolben der Farrnkräuter und überall, völlig dicht
neben einander. Doch giebt es Stellen, wo sie getrennt
und einzeln liegen] andere wo sie ganz fehlen— doch sind
diese nur selten.
"Wir untersuchten nun die Abdrücke in Steinkohlen
selbst; hie und da finden sie sich eben so häufig j in manchen
Stücken selten, in andern giir nicht. Eben so fand
es sich bei Abdrücken im Kühlenschiefer und Kohlensandstein.
Einige Schiefer sind ganz davon bedecktj auf andern,
obwohl sie viele der gröfsern Blumen zeigen, findet
sich keine Spur davonj ebenso fanden wir es im Kalkstein.
Wir müssen es den Botanikern überlassen, über
die auffallende IVIenge und aufserordentliche Kleinheit dieser
Blümchen, etwas Erklärendes zu sagen.
I X .
Allgemeine Bemerkungen über die beschriebenen Fflanzenreste und ihre Lagerungen.
F ü r den Geologen lassen sich aus den lioeclii-icbenen und
abgebildeten Pflanzenresten, und den Lagern in welchen
sie gefunden werden, wichtige Folgprungen herleiten.
Wir Wüllen hier nur auf einige aufmerksam machen.
Erstens: Dieselben Pflanzen und Blumen, weichein
den Lagern der Kohle selbst vorkommen, zeigen sich in
allen Plötzen, im Schieferthon, Sand-und Kalkstein, bis
zur Oberfläche unseres Kohlengebirges überhaupt. Es
geht daraus nicht allein hervor, dafs die Erde schon beim
Beginn dieser Flotzbildung mit Pflanzen und Blumen bedeckt
war, sondern auch dafs während der ganzen Zeit
dieser Bildung auf unserem Erdlheile keine klimatische
Veränderung oder Umwandlung der Pflanzenwelt vorgegangen
sei.
Zweitens-. Alle Lager dieses Kohlengebirgs, sind Medcrschläge
im fVasser. Dies beweisen die vielen, durch
die ganze Masse verbreiteten Pflanzenreste,. und die, einigen
Druck abgerechnet, ziemlich erhaltene Gestalt vieler
Blumen und Blätter, und vorzüglich die Lage derselben
in den Schiefer-und Sandsteinflötzen, welche gerade
so ist, wie Blumen und Blatter der Art gewöhnlich auf
dem Wasser zu schwimmen pflegen; ferner die rostfarbige
Haut mit Blumenresten an dem versteinerten Holze,
die dünnen Schichten des rothen Sandsteins, mit denBlumenvollen
Zwischenlagern u. s. w.
Keineswegs abe-r scTieint bei diesen Niederschlägen
die Schwere allein thätig gewesen zu sein. Woher käme
es sonst, dafs diese verschiedenen Lager, — obwohl sie
da, w'o sie sich berühren in einander Übergehn— sich im
Ganzen so bestimmt sonderten? Dafs 'auf ein SandsteinflÖtz
, z. B. ein reines Kohlenlager, auf dieses ein Schieferflötz,
dann wieder Sandstein, oder Kohlen, oder Kalk
f o l g t ? Plätten, wenn die Schwere allein hier wirksam
war, sich die Massen nicht anders, nicht gemischter
bilden müssen?
Drittens ist nicht aufser Acht zu lassen, dafs dieses
•ganze Kohlengebirge sich in einer engen, wenn auch an
sich ziemlich grofsen, doch in Bezug auf grofse Landseen,
oder das Meer, sehr beschränkten Vertiefung in das Urgestein
, bildeten , wo örtliche Bewegungen wohl nur die
Oberfläche treffen konnten. Es müssen nothwendig bedeutende
Unterschiede statt finden, zwischen so gebildeten
Fletzen, und andern die unter dem Gewicht des Meeres
entstanden! Wird nicht manche Verschiedenheit, manche
Eigenthümlichkeit dieser und jener Lagerungen daraus
zu erklären sein?
Viertens: Wie kam aber diese unermefsliche Menge
von Pilanzenresten aller Art, und vorzüglich von Blumen
in diese Lager? Exemplare von Schieferthon und Sandstein,
so wohl aus den Waldenburger als Neuroder Werken,
sind fast eben so mit Blumen bedeckt, wie das Tob.
IX. Fig. 3. abgebildete Stück; in dem grobkörnigen Sandstein
konnten sie sich nicht so gut erhalten, doch finden
sich hie und da ihre Spuren; sie kleben an allen gröfseren
Massen, und werden in denPflanzenkernen dieses Gesteins
sichtbar. Und diese Lager nehmen vier bis/¿n/geographische
Quadrat Meilen ein, sind zusammen genommen
einige hundert Fufs mächtig, und steigen in den llCigelii
bedeutend in die Höhe. Wuchsen diese Blumen an den
steilen Ufergebirgen, von wo sie der Wind auf den Wasserspiégcl
herab warf? Oder wurden die ganzen Pflanzen von
Regengüssen herabgespühlt? Oder wuchsen sie zumTheil
im Wasser, oder auf der Oberfläche desselben? Von jedem
dieser drei Fäl le, scheinen sich deutliche Spuren zu
finden. Die vielen auf und neben einander liegendenBlumen,
ohne Stiele und Laub, können wohlnur , nachdem
ihre Zeit vorüber war, von der Luft lierbei geführt worden
sein. Dafs mehr ganze Blumen als einzelne Blätter
sich finden, deutet auf den Bau dieser Blumen überhaupt.
Beschädigte Pflanzen von denen sich nur einzelne Aeste
oder Wurzeln finden, können wohl nur durch Regengüsse
herabgespühlt seinj und das wirkliche Vorhandensein
von Wasserpf lanzen, beweist das häufige Vorkommen
der, dem Lyc. inundatum ähnlichen Pflanzen j auch
scheint dieTab.VI. Fig. 5 , gezeichnete Blume etwas Nymphäenartiges
an sich zu haben.
Es kommt hier aber das Niederschlesische Steinkohlen
Gebirg nicht aliein in Betracht; auch in Steinkohlen
aus Oberschlesien, fanden wir Abdrücke der vielblätterigen
Blume. Ein schöner Ammonit aus den grofsen Plötzen,
die sich von Oberschlesien nach Pohlen hinziehn,
liegt in einem Stück weifslichen Thon, der auf einer Seite
inEisenstein übergeht. In demThone sind'mehrereSpuren
der vielblätterigea Blume ganz unverkennbar. Indem
wir die Abbildungen der sechsten, neunten und zehnten
Tafel dieser Lieferungen qrF.Stpinf» nn« rUr, Kolrannto,-,
/cn/^q/^r Brüchen in Bayern, zeichneten, wurde dipRünkseite
derselben genauer untersucht. Sie enthielten eine
Menge derselben Blumen; doch fehlten die ganz kleinen
Blümchen gänzlich, und eine bedeutende Anzahl dieser
Platten, welche nachher untersucht wurden, hatten gaT
keine Pflanzenreste.
Ein Stück von weissen, harten, kristallinischen Kalk
aus den Brüchen in unsererSammlung, ist
höchst merkwürdig, weil es einen Beweis für eine scharfsinnige
Vermuthung liefert, die seit kurzem von einigen
Naturforschei-ij ausgesprochen istj dafs nämlich in kristallinischen
Lagern vielleicht nur deswegen jezt keine
vegetabilische Reste gefunden werden , weil die Kristallisation
die organischen Formen in denselben vernichtet haben
könne. (*) In unserem Exemplar ist die Kristallisation
nicht so vorherrschend, dafs die Blumenformen welche
sich darin finden, ganz vernichtet worden wären;
doch haben die Kristalle die Blatter durchbohrt, und hie
luid da die Umrisse fast ganz verwischt. So wie gewöhnlich
um Abdrücke vonFischen imKalk, sich die schwarzen,
dem Moose oder dem Schimmel gleichenden Dendriten
finden, so verbreiten sich auch hier von dem Rande der
Blätter die schönsten Zeichnungen durch den ganzen,
glänzend weifsen Stein. Diese Pflanzenreste finden sich
aber noch in manchem andern Gestein, das man nicht zu
denFlötzen zu rechnen gewohnt ist, und fehlen vielleicht
nur ganz in vulkanischen Producten.
Welch eine Erscheinung! Woher die unermefsliche
Menge von Blumen, die selbst bei der Bi ldung eines nicht
unbeträchtlichen Theils der Erdrinde mitgewirkt zu haben
scheinen? , Aber sind dies auch wirklich Blumen?
Reste des Pflanzenreichs ? Sind es vielleichL nur Gestalten,
welche der Zufall im muschlichen Bruche bildete?
Es ist möglich das manche Augen, welche bisher im Schieferthon,
Kalk u. S.W, diese, nur bei genauer Beobachtung,
und mit einem, gerade durch Beobachtungen dieser
Art geschärftem Auge, schnell und leicht zu erkennenden
BUmien, noch ferner für zufällige Bildungen halten;
allein in der Steinkohle mit Kalkspath-Blumen , im Jüngern
Sandslein, möchte dits selbst dem verwöhntesten,
oder ungeübtesten Auge nicht möglich sein. Sind es nun
aber wirklich Blumen, wie können sie in dem festen Gestein
so dicht auf, neben und untereinander liegen, ohne
gegenseitig ihre Gestalt mehr zu vernichten, als dies wirklich
derFall ist ? Wie kommen sie in alle die Pflanzenkerne,
selbst in die harten Baum.stämme? Sind es vielleicht nur
eigenthümliche Formen der Kristallisation , wie die blumenähnlichen
Gestalten an manchen Erzen, oder an gefrornen
Fensterscheiben, in Schneeflocken, oder auf ruhig
frierenden Gewässern? Auf den ersten Blick hat dies viel
für sich, aber überwiegende Gründe streiten dagegen.
Diese Blumen haben durchaus nichts was an Kristallisation
erinnert, nichts Strahiiges, an strenge Regel Gebundenes,
wie der eigentliche Krisiall. Zwar strebt, der Kristcill
auch mit eigenthümlich lebendiger Kraft zur Darstellung
einer idealen Gestalt in seinem Aeufsern, aber
er ist beschränkt durch die geometrische Begrenzung des
Raums. Aus unseren Blumen aber spricht die Freiheit
des organischen Lebens, das zwar an einen Typus, an
ein Ideal, nach dem die Pflanze strebt, gebunden ist,
aber völlig frei vom Zwange mathematischer Formen.
Wir finden ferner dieselben HluuiQa in der Steinkohle, im
Schieferthon, im FlÖtzkalk, im grob- und feinkörnigen
Sandstein, wie in kristallinischen Lagern; wie hätte die
Kristallisation in diesen verschiedenen Massen sie so übereinstimmend,
so durchaus nach einem Typus bilden können?
Woher kämen endlich Wurzeln^ Stengel xradi Laub?
An dem vegetabilischen Ursprünge dieser Pflanzen und
Blumen kann man unmöglich zweifeln, wenn auch viel
Dunkeles und Räthselhaftes bei ihrem Vorkommen übrig
bleibt, das zu erklären wir uns keineswegs anmassen.
Haben wir nun wahrhafte Pflanzenreste vor uns,
so ist
Fünftens die Art ihrer Erhaltung in den verschiedenen
Lagern, in welchen sie vorkommen, höchst merkwürdig.
In den Steinkohlen sind viele Blumen in Kohle
übergegangen, ohne ihre Gestalt zu verlieren, während
Stengel und Laub, die hiei-doch wohl nicht ganz gefehlt
haben, sich in die forx-nlose Masse verschmolzen zu haben
scheinen; doch ist die Rinde von Schuppen-Pflanzen,
(*) Vollständiges Handbuch der Oryktognosie;
Einleitung zurGeoguosie von Bakevell.
von H. Steffens, Theil 2, xgiS. P- 79-
Uebersetzt von K.H.Mül ler, 1819- In den Anmerkungen, p. 309. 323-
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