
also Blätter und Stamm fast gänzlich; des anatomischen
Baues sämmtlicher Organe aber gedenkt die gegenwärtige
Physiographie der Pflanzen nicht mit einer
Silbe.
In noch ungünstigerem Lichte erscheint die bisher
in der Botanik befolgte Methode, wenn man diese mit
de r Methode der Naturgeschichte des Mineralreiches
vergleicht.
Die Mineralogie begnügt sich nicht damit, die
Formen, in welchen die Mineralien erscheinen, genau
zu ermitteln und festzustellen, sie begnügt sich nicht
damit, den Formenkreis der Species empirisch nachzuweisen
und zu erschöpfen, sie leh rt auch den gegenseitigen
Zusammenhang dieser Formen kennen und
construirt die vollständige Eeihe aus einem einzigen
Gliede derselben, der sogenannten Grundgestalt. Das
Individuum, an welchem die Mineralogie die Form
betrachtet, ist der Krystall. Kennt man von einem
Mineral nur einen einzigen charakteristischen Krystall,
so ist es nicht nur möglich, aus demselben die Grundgestalt
der Species zu bestimmen, sondern auch jedes
einzelne Glied der gesammten Formenreihe der Art
durch die Ableitungsmethode zu co n stru iren , oder mit
anderen AVorten, kennt man nur ein einziges Glied aus
der Krysta llre ihe einer Species, so kennt man al l e
Glieder derselben, sie mögen bisher in der Natur avif-
gefunden worden sein oder nicht. Dies ist aber in der
Alineralogie noch nicht genug ; man ermittelte auch den
Zusammenhang zwischen der Krystallforin und anderen
sehr merkwürdigen Eig en sch a ften , die sich gleichsam
als die Anzeiger des inneren Baues der Alineralien
beurkunden, nämlich mit der Theilbarkeit und den E rscheinungen
des Lichtes. In vielen Fällen ist es daher
möglich, aus einem kleinen Bruchstück eines Individuums
das Krystallsystem, ja sogar die Grundgestalt und
somit die ganze Krystallreihe der Sp ecies, zu welcher
es gehört, zu bestimmen.
Die heutige Botanik kennt aber die Ableitungsgesetze,
also den inneren Zusammenhang der Pflanzenformen
noch g a r nicht.
Am deutlichsten springt die Unzulänglichkeit der
gegenwärtigen Methode der Botanik in die Augen,
wenn man sie zur Bestimmung der in den Erdschichten
bee-rabenen Reste von vorweltlichen Pflanzen in An- o
Wendung bringen will. Nach derselben ist es geradezu
unmöglich ein fossiles Blatt oder einen fossilen Stamm
zu bestimmen, da man die Merkmale, welche die Blätter
und Stämme der je tz t lebenden Pflanzen in ihrem anatomischen
Baue zeigen, für die Unterscheidung der
Pflanzen nicht berücksichtigt hat. So muss also das
Bestreben die Geschichte der untergegangenen Vegetationen
zu erforschen nothwendig zur A^ervollkomm-
nung unserer Kenntnisse über die gegenwärtige Pflanzenwelt
führen.
Die erste und dringendste F o rd e ru n g , welche die
Paläontologie an die Botanik zu stellen ha t, besteht
d a rin , dass vor allem die Blätter und blattartigen
Organe der je tz t lebenden Pflanzen genauer als bisher
untersucht werden, um verlässliche Merkmale zur
Unterscheidung der Pflanzenspecies und hieraus die
nöthigen xAnhaltspunkte zur Bestimmung der so häufig
vorkommonden fossilen Blätter zu gewinnen.
E t t i n g s h a u s e n . Neuholl. Char. d. Eocenflo ra Europa ’s.