
zum Theil einige Abbildungen aus Blumenbachs berühmten Werke: Deca3.es collec-
tionis suae craniorum diversarum gentium illustratae etc.. benützen.
Die meisten Abbildungen aber sind nach Originalen d. i. nach der Natur
selbst, und verdanke ich mehrere interessante Darstellungen der besondern Güte des
Herrn Geheimen Medizinalraths Prof. D r. A. Rudolphi , welcher mir während meiner
Anwesenheit in Berlin die Erlaubnifs ertheilte, den Schädel eines Raffern, ein
Negerbecken, ein Becken eines Botocuden und das einer Botocudin., so wie eines
Raffern zeichnen zu lassen.
Auch der besondern Güte des Herrn Geheimenrathes von S ömme r r i n g ,
verdanke ich den Umrifs eines Negerbeckens.
Ich fühle mich zum innigsten Danke für die ausgezeichnete Gefälligkeit dieser
Coryphäen der Anatomie verpflichtet.
Gern hätte ich auch die Abbildungen der Racenbecken, welche G. Vrolik seiner
oben erwähnten Abhandlung beigefügt hat, in diesem Werke vollständig benützt.
Allein es ist sehr schade und zu bedauern, dafs die so classische Bestimmung
oder Beschreibung der Becken mit den Abbildungen nicht übereinstimmt. Die
Zeichnungen nämlich sind ganz falsch. Der Zeichner bemühte sich alle Theile des
Beckens in natürlicher Form und Gröfse darzustellen, wodurch natürlicher Weise
mifsgestaltene Becken, die in der Natur nie existiren können, entstanden. Der Rünst-
ler kann, wenn er richtig zeichnen will, nie zwei verschiedene Flächen, z. B. eine
horizontale und eine senkrechte irgend eines Rörpers in ihrer vollen Ausdehnung
geben, sondern immer mufs eine verkürzt dargestellt werden. Soll daher die richtige
Form und die Gröfse der obern Beckenapertur genau gegeben werden, so mit
eine horizontale Fläche, so mufs nothwendiger Weise die Schaamgegend, als senkrechte
Fläche, zurückweichend dargestellt werden. An den Beckenabbildungen yon
Vrolik sehen wir durchgehends die ganze Symphyse der Schaambeine, den Angulus
oder Arcus ossium pubis, die ovalen Löcher, foramina obturatona, und die Gelenkpfannen
in ihrer gangen Ausdehnung und Form nach, also müssen diese Becken von
vorn her aufgenommen seyn. In diesem Falle aber kann nimmermehr gleichzeitig,
wie es .hier wirklich sich findet, die obere Beckenapertur vollständig dargestellt werden;
so wie auch die gleichzeitige Darstellung des ganzen hl. Beins verfehlt ist.
Es scheint mir daher, dafs der Zeichner zuerst das hl. Bein gezeichnet habe, dann
den Umfang der obern Beckenapertur, und zuletzt die Schaamgegend angefügt habe,
so dafs also die eben bezeichneten Theile einzeln und für sich betrachtet richtig
seyn können, im Zusammenhänge aber unnatürliche Becken darstellen.
Nur mit-Berücksichtigung der angegebenen Mifsgriffe, : haben die Abbildungen
der Becken zur Vroliks vortrefflicher Abhandlung Werth, und es wundert mich, dafs
der Chef des Grofsherzogl. Sächs. priv. Landes-Industrie-Comptoirs, von Froriep,
der selbst ein ber. Anatom und Geburtshelfer ist, diese fehlerhaft gezeichneten Becken
nichtsogieich erkannte, und gleichzeitig mit der Uebersetzung der Abhandlung
von Vrolik darauf aufmerksam machte, und so vor nachtheiligen Ansichten und Mifs-
deutungen warnte. Mir ist wenigstens dieser Gegenstand zu wichtig, als dafs ich
ihn mit Stillschweigen übergehen konnte, und ich hoffe vertrauungsvoll von dem
berühmten und würdigen Naturforscher D r. Vrolik, dafs er meinem Urtheile Gerechtigkeit
wiederfahren lasse. Und da, wie schon bemerkt, die obere Beckenöffnung
nicht nur für unsere gegenwärtigen Untersuchungen, sondern überhaupt für die Beckenlehre
die bedeutungsvollste Stelle ist, so haben wir nur die Contouren der
obern Aperturen der Racenbecken von Vrolik gegeben.
Ich theile hier absichtlich nur reine Facta mit, und enthalte mich somit jeder
weitern Reflexionen, die nothwendig aus diesen Untersuchungen und Thatsachen
hervorgehen müssen, welche ich aber mitzutheilen gegenwärtig nicht für Zeit gemäfs
halte; und bemerke nur, dafs ich glaube, dafs diese Untersuchungen nicht nur für
die Naturgeschichte des Menschen, sondern selbst für die Geschichte der Menschheit,
welche, als die edelste und höchste Frucht aller Geschichte, aller Geschichte zum
Grunde liegt und die Entwickelungsgeschichte des Menschengeschlechtes in physischer
und moralischer Hinsicht umfafst, von einigem Belang seyn werden. Insbesondere
ist es aber noch die Absicht des Verfassers und Verlegers, den Lehrern der
Naturgeschichte, Anatomie und Geburtshülfe, die einer reichen Schädel und Beckensammlung
ermangeln sollten, was besonders in Beziehung auf die Racenschädel und
Racenbecken wohl noch an den meisten Universitäten und umsomehr an Lyceen
und Gymnasien statt findet, ein vollständiges und wohlfeiles Hülfsmittel beim Unterricht
über die in Rede stehenden Theile zu verschaffen, und der Verleger hegt
den Wunsch, dafs es vorzugsweise auch den Besitzern des berühmten und schönen
naturhistorischen Atlas von Professor D r. Goldfufs, welcher in demselben Verlag erscheint,
als Supplement dienen möge. Zur bequemem Benützung beim Unterrichte
sind daher auch die Abbildungen nur als löse Blätter in ein Cahier gebracht, so dafs
jeder Lehrer nach Belieben sie legen und vorzeigen kann.
Bonn, den 4. Juli 1829.
D r. M. J. W eber.