
dern auf beide genannten Theile, und betrachten somit den ganzen Schädel von
oben, vorn, unten und von den Seiten. Da aber der Gehirnschädel bestimmtere
Umrisse als der Gesichtstheil hat, so wird es, besonders bei geringerer Uebung in
Bestimmung der Formen der Schädel, die Bestimmung der Schädelform wesentlich
erleichtern, wenn wir den Schädel gleichsam analisiren und zuerst die Form des Gehirnschädels
ausmitteln oder bestimmen, was am leichtesten durch die Betrachtung
des Schädels von oben her geschieht, und dann erst, indem man den Schädel von
vorn her betrachtet, die Gesichtsbildung bestimmt. Ja diese letzte Bestimmung
wird um so mehr erleichtert, als im Allgemeinen die Form des Gehirnschädels mit
der des Gesichtstheiles übereinstimmt. So z.B. hat ein rundlich geformter Gesichtsschädel
auch immer einen rundlichen Gesichtstheil oder ein rundes Gesicht. Wenn
die Schädelform ganz rein ist, so ist oft für ein geübtes Auge ein einziger Blick auf
den Gehirnschädel schon hinreichend, um seinen Totalhabitus richtig zu bestimmen.1
Nicht immer aber verhält es sich so mit der Betrachtung des Gesichtstheiles,-
wenn wir gleich im Allgemeinen die Uebereinstimmung der Bildung des Gesichts
und Gehirntheiles eben ausgesprochen haben.
Der Unterkiefer nämlich hat öfters eine abnorme Stellung und verunstaltet so
die eigentliche Form des Gesichts, so dafs man genöthigt ist, den Unterkiefer wegzunehmen
und ohne diesen die Hauptgrundlage des Gesichts, die Bildung der Oberkiefer
mit ihren benachbarten Knochen, mit den' Wangenbeinen, den Nasenknochen
u. s. w. zu betrachten und die Form des Gesichts zu bestimmen.
Die unrichtige oder abnorme Stellung des Unterkiefers kann auf mannichfaltige
Weise begründet seyn. Insbesondere kann die Veranlassung dazu die. abnorme Bildung
der Gelenkgrube oder des Gelenkhöckers des. Schläfenbeins oder des Unterkiefers
selbst seyn; oder das Kapselband ist zu schlaff; der Zwischenknorpel des
Unterkiefergelenkes zu dick oder zu dünn, auch zu flach u. s. w. Der Unterkiefer
pafst dann nicht gehörig in die Gelenkgruben der Schläfenbeine, so dafs man oft,
glauben möchte, der Unterkiefer pafste nicht zu dem Schädel. — Dieser Gegenstand
ist überhaupt bisher noch gar nicht gewürdiget.
Dafs bei Betrachtung der allgemeinen Umrisse der Schädel die Verschiedenheiten
der Schädel nach ihrer Schwere, Gröfse und Asymmetrie nicht in Betracht gezogen
werden können, ist wohl von selbst einleuchtend; denn diese Eigenschaften sind
zufällige, unbestimmte Charaktere, die bei jeder Sehädelform sich auf gleiche Weise
finden können, oder auch nicht. Vollkommene Schädelsymmetrie des menschlichen
Schädels findet sich vielleicht nie; wie diese Anordnung auch mit der Bildung des
Gehirns im innigsten Verbände steht. Keine Hemisphäre des Gehirns ist der ändern
ganz gleich geformt, und man mag den Schädel betrachten, wie man will, so findet
immer eine, wenn auch oft nur geringe, Asymmetrie der. beiden Schädelhälften statt.
Ebenso gibt es auch sehr grofse und wiederum sehr kleine Schädel von runder,
vierseitiger Form u. s. w.
Auch kleine Schädel, die sehr schwer sind, und umgekehrt grofse Schädel,
die sehr leicht sind, finden sich häufig.
2) Mit der Betrachtungs - und Bestimmungsweise der Beckenformen verhält sichs
auf ähnliche Weise wie bei den Schädelformen. Auch hier dürfen wir nicht einen
Theil allein ins Auge fassen, sondern die Bildung des ganzen Beckens. Aber auch
hier ist wieder eine Stelle, welche uns die Bestimmung der Form des ganzen Beckens
wesentlich erleichtert. Die Uebergangsstelle des grofsen Beckens in das kleine,
oder die sogenannte obere Beckenapertur des kleinen Beckens, ( Avertura superior
s. abdominalis pelvis) nämlich ist diese wichtige Stelle. An der Bildung dieser Stelle
nehmen nämlich alle Theile, woraus das Becken zusammengesetzt wird, theil, und
wie daher die einzelnen Theile des Beckens und das ganze Becken geformt sind,
spricht sich bestimmt hier aus. Diese Stelle wurde daher von jeher als die Bedeutungsvollste
in der Beckenlehre anerkannt; und auch hier gilt im Allgemeinen der
Satz, dafs die Form des obern Beckens mit der des untern oder kleinen übereinstimmt.
Also wenn wir nachher von einem ovalen, runden Becken u. s. w. sprechen
, so meinen wir vorzugsweise die obere Beckenöffnung des kleinen Beckens,
haben aber auch zugleich die ganze Beckenform vor Augen.
Dafs hier, yvo von Ur- und Racenformen gehandelt wird, von mifsgebildeten
Becken und Schädeln nicht die Rede sey, versteht sich wohl von selbst. —
Was die Darstellungen der Schädel betrifft, so ist die im Profil, wenn man
niclit unnöthiger Weise diè Abbildungen vermehren will, jeder ändern Darstellungsweise
weit vorzuziehen. Denn wenn die Zeichnungen gut sind, so kann man alle
Theile gehörig würdigen und so den ganzen Schädel genau und richtig bestimmen.
Einige Wenige Schädel habe ich daher auch nur von vorn zeichnen lassen, und dazu
bestimmten mich mehr Nebenabsichten.
Ebenso ist auch nur eine Beckenansicht, und zwar die von oben, für unsern
Zweck hinreichend. Die Hauptstelle des Beckens, die obere Beckenöffnung soll richtig
gegeben werden.
Wollte man ein Becken vollständig bildlich darstellen, so wären vier bis
fünf verschiedene Beckenansichten nöthig,. nämlich von oben, von vorn, von hinten,
von einer Seite, und im Durchschnitt. Solche Darstellungen sind hier aber nicht nö-
thig f hat man einmal die Grundform des Beckens erkannt, so läfst sich das Uebrige
durh Worte leicht nachtragen.
Um meinem Werke jene Vollständigkeit und Beweisfähigkeit zu geben, welche
nöthig.sind, um die aufgestellten Ansichten genügend zu begründen, so mufste ich
2