Casus mit dem Mikroskop zu untersuchen. Die Sache hat aher einzig in diesem Betraclit
etwas Komisches, im Uebrigen ist sie ernst, sehr ernst. Die runden Scheibchen, welche
dem Blut die rothe Fai’bc geben, haben bei jedem Wirbelthier*), vom Fische bis zum
Menschen, ihre bestimmte Gestalt, ihre unabänderliche, von den Mikroskopikern genau
gemessene Grösse. Demgemäss lässt sich Menschenblut immer mit Sicherheit von anderm
Blute unterscheiden und zwar auch in getrocknetem Zustande. Diess Resultat der Wissenschaft
haben die englischen Gerichte zu benutzen angefangen, nicht ohne günstigen
Erfolg. Schon etliche Verbrecher sind durch das Mikroskop, wo alle ändern Indizien
fehlschlugen, des Mordes überwiesen und zum Geständniss gebracht worden, unter Ändern
eine Mutter, an deren Knchenmesser Menschenblnt nachgewiesen ward, ausserdem ein
wenig Eichhornhaar. Ihr Kind, welchem sie den Hals mit diesem Messer durchschnitten,
hatte zu jener Stunde ein Eichhornpelzchen um den Hals getragen. Im Uebrigen kann
das IMikroskop ebenso leicht unschuldig Angeklagte entlasten. Zeichen, die dem unbewaffneten
Auge in hohem Grade verdächtig erscheinen, während sie keine Schuld impliziren,
führt es auf ihren wahren Werth zurück, so z. B. rothe Flecke, die entweder nur aus
Farbe oder aus Thierblut bestehen.
Mit diesen wenigen Andeutungen, welche nur beabsichtigen, einen Begriff von der
theoretischen und praktischou Wichtigkeit der mikroskopischen Forschungen zu geben,
wollen wir uns vorderhand begnügen. Der Hauptzweck vorliegender Schrift ist ein anderer,
nämlich dem geneigten Leser einen Blick zu eröffnen in das mikroskopische Leben
unserer Gewässer. Für die meisten unserer Gebildeten, welche sich gerne in die Welt
des Kleinen möchten einführen lassen, dürften selbst Willkomms «Wunder des Mikroskops»
und Klcncke’s «Mikroskopische Bilder» noch etwas zu weitläufig sein. Auch sind wilder
Ansicht, der Schweizer werde ein verwiegendes Interesse dai-an haben, zuerst die
mikroskopische Welt der Heimat etwas näher kennen zu lernen, w-esshalb wir uns
entschlossen haben, nur selbst Beobachtetes aus schweizerischen Gewässern vorzuführen.
Die Einschränkiuig des Stoffes auf die mikroskopische Welt des Wassers versteht sich
für den Raum eines' Neujahrsblattes von selbst. Auch so können wir nur das Hervor
■) Versteht sich lo ii selbst, dass w ir ungeachtc lc t dieser Klassifikation den Menschen niclit für ein
T iiier ansehen. Mit seinem Geiste hat die N a tu rk u n d e nichts zu schalten.
ragendste bieten und sehen uns zudem genötlhgt, mehr die Pflanzenthierchen und Pflänzclien,
als die eigentlichen Infusorien in den Kreis unserer Darstellung zu ziehen. .Je mehr
aber der Stoff beschränkt wird, desto deutlicher lässt er sich in Wort und Bild zur
Anschauung bringen, desto vollständiger kann daher die Absicht, in die mikroskopische
Welt einznführen, erreicht werden.
Die mikroskopischen Organismen unserer Gewässer zerfallen in drei grosse Ab-
theiluugen:
1. Die Diatomeen, w-elche theils pfiauzlicher, theils thierischer Natur sind,
2. die Algen, wirkliche Pflanzen von der verschiedensten Gestaltung,
3. die Infusorien, wirkliche Thiere von der einfachsten bis zu einer hinsichtlich des
Eruähruugsapparates vollständigen Organisation.
Die Diatomeen und Algen w-erdeii wir im Allgemeinen, wie im Besondern näher
besprechen und in einigen der wichtigsten Arten bildlich darstellen. Von den Infusorien,
auf deren Besprechung wir für einmal verzichten, finden sich Einzelne im Gesammtbilde,
welches die Welt des Wassertropfens gleichsam als eine mikroskopische Landschaft vor
Augen zu führen sucht.