manigfaehsten Beziehungen so Ausgezeiclmetes geleistet und so überraschende Entdeckungen
zu Tage gefördert., dass eine Naturkeuntniss, welche davon noch keme Einsicht
geuoiumen, veraltet, oberflächlich und daher entwerthet erscheinen muss. Mit Recht
haben sich demzufolge Fachmänner von guter Darstellungsgabe, wie H. Klencke und
M. Willkomm, verpflichtet gefühlt, auch die Hauptergebnisse der mikroskopischen Forschung
zu einem Gemeingute deutscher Bildung zu erheben und dadurch die Naturanschauung
der Laien nach einer der wesentlichsten Seiten hin zu ei'gänzen. Die grossen Werke
von Ehrenberg und Kützing können nur Solchen dienen, welche in selbständiger mikroskopischer
Forschung schon ziemlich weit Uber die Anfangsgründe hinaus sind.
Das Mikroskop führt in die innersten Werkstätten der irdischen Schöpfung em.
Alles und Jedes kann seiner Betrachtung unterworfen werden, das scheinbar unorganische
Gestein, wie der Organismus des Menschen und der Thiere, die lichte Blüthe, wie der
verachtete Schlamm der Gewässer, der chemische Prozess, \vie der geheimnissvolle Vorgang
organischer Zeugung. Ueberall führt es zu tiefem Verständniss, zugleich aber bietet
es dem Schönheitssinn die edelsten Genüsse, indem es oftmal das Gestaltlose in eine
Welt der zierlichsten Gestaltungen, ja das Hässliche und Eckelhafte ln einen Reichthum
der anmuthigsten Gebilde auflöst. Unzählbare Millionen bisher unbekannter Wesen führt
es dem Auge vor, und bewundernd sehen wir die Natur eine nie geahnte, Alles durchdringende
Lebensfülle entfalten. Das Kleinste erffält auf einmal eine ausserordentlich
wichtige Stellung im Gesammtleben der Natur. Ein neues überraschendes Licht fällt
auf die Büdungsgeschichte der Erdrinde: Wie MjTiaden von Jahren vor Entstehung des
Menschengeschlechtes Gebirge, felsige Küsten, Tiefebenen sich aus den Kalk- und Kiesel-
panzeru unsichtbar kleiner Geschöpfe gebildet haben, enthüllt sich deutlich vor deu
staunenden Blicken.
Naturerscheinungen, die zu manigfachem Aberglauben Anlass gaben, wie z. B. gewisse
Färbungen der Gewässer, Blut- und Schwefelregen u. dgl., werden durch das Milo-oskop
vollkommen erklärt. Geheimnissvolle Feinde des Menschen, sei es nun, dass sie ihm, an
der, Gesundheit, oder an Nutz- und Zierpflanzen, oder an Hausthieren Schaden zufügen,
werden mehr und mehr an’s Licht gezogen und unschädlich gemacht. Man denke nur
an die Trauben- und Kartoffelkrankheit, deren Ursache in der Entstehung gewusser mikroskopischer
Pilze gefunden ward, an die verschiedenen Arten der in deu Eingeweiden und
sogar in den Muskelfasern wohnenden Schmarotzerthiere, an den Mehl- und Honigthau,
an das Mutterkorn und den Brand im Getreide. Je gründlicher man durch das Mikroskop
die Lebensbedingungen solcher pflanzlichen und thierischen Schmarotzer kennen lernt,
desto eher findet man die Mittel, ihnen wirksam zu begegnen.
Welche Dienste das Mikroskop der Heilkunde leistet, beweisen besonders die Entdeckungen
eines Virchow, der seinen Ruhm als Physiologe vornehmlich der geschickten
Handhabung dieses Instrumentes zu verdanken hat. Auch der gew'öhnhclie praktische
Arzt wird es bald nicht mehr entbehren können, weil nicht wenige Krankheiten sich
erst durch mikroskopische Untersuchung mit Sicherheit erkennen lassen, so z. B. die
Schwämmchenkraukheit der kleinen Kinder, die ihre Entstehung einem mikroskopischen
Sclümmelpilze verdankt. Einen besonders wichtigen Dienst hat das Mikrosko]) der IMedizin
geleistet, indem es als walme Ursache der Krätze eine w’inzige Milbe nachwies, die sich
in der Haut einuistet und rasch vermehrt. Erst diese Entdeckung machte es möglich,
ein wirkliches Heilmittel für die Krätze aufzufindeu. Auch das Vorhandensein der Gicht
kann nicht immer bei Zeiten konstatirt werden ohne das Mikroskoi). welches noch bei
ihren Anfängen als untrügliches Kennzeichen die Harnsäurekrvstalle in den Ausscheidungen
der Nieren aufzeigt.
Alle Verfälschung von Geweben und Lebensmitteln verräth das Mikroskop. Unter
seinen Gläsern nehmen die feinsten Fasern von Baumwolle, Seide. Hanf, Flachs. Scliaf-
wmlle und Kaschmirziegenhaar so charakteristische Gestaltung an. dass selbst ein ungeübtes
Auge sie auf den ersten Blick von einander zu unterscheiden vermag. Wasser unter
der Milch verräth sich durch traurige Vereinzelung der sonst dicht zusammengedrängten
Milchkügelchen, ln grossen Städten sind gewisse Leute sogar überwiesen woi’den. künst-
Hche Milch aus Hammelsgehirn bereitet zu haben. Dass wir trotz der treuherzigsten
Etiquetten selten mehr Cacaopulver erhalten, welchem nicht eine schöne Portion Kartoifel-
mehl beigemengt wäre, das wollen wir nöthigenfalls mit unsern Mikroskopen beweisen
und zwar so, dass den betreffenden Fabrikanten bange werden könnte. Verfälschungen
von Thee- und Kaffeepulver bestehen nicht vor dem Mikroskop, und die berühmte Re-
valeuta arabica hat aufgehört, zu schwindeln, seit dasselbe gemeines Bohnenmehl als
ihren Hauptbestandtheil nachgewiesen hat.
Und. 0 Wunder! selbst die Juristen haben angefaugen, hie und da einen verwickelten