Was die geographische Vertheilung der Dialomeeiiarleii betrifft; so dürften hierüber
einige wenige lieinerkmigen genügen. Sowolil die Ptlanzen- als auch die Tliierformen sind weit un-
gleichartigei- über die Erde verlireilet, als die Diatomeen. Sollte manVs glauben, dass mehrere .Arten
eben .sowohl in heissen (juellen, als auch In kalten Gewä.ssern leben? Und doch ist dies eine über allen
Zweifel ei'hohene Thalsache. Ali-ika, Asien und .Amerika haben eine Menge von Arien mit den europäischen
Gewässern gemein. Begreiflich datier, dass die Diatomeen unserer Gegend durch die ganze
Schweiz, ja durch ganz Europa verbreitet .sind, nur dass die ganz frischen .Alpenwasser liie und da
einige Eoriiieii zeigen, welche der ebenen Schweiz fehlen. Den grössteii Einlluss auf die Verscliieden-
heil der Diatüiiieeiiformen übt die chemische Mischung des Wassers aus. Das Meer enthält dur<;li-
scliiiittlicli grössere und zusammengesetztere Formen, als die süssen AVasser. Die Salzwasser des
Binnenlandes hinwieder weisen mehrere Meeresformeii auf, welche den siisseu Gewässern fehlen.
Schliesslich haben wir noch darüber Bechenscliaft abzulegen, warum wir den Diatomei n eben so
wohl pllaiizliche, als tliieriscbe Natur zuschreiben. Fü r die pllanzlidie Natur derselben spricht zii-
näclist ihr Inhalt, welcher, obwohl in der Begel gelb oder b räunlich. entweder schon durch das Trocknen
oder doch durch Anwendung von Salzsäure grün wird und sich sowohl dadurch, als aucli durch
seine körnige Bescliafleiilieit als Clilorophyll erweist, welches bekanntlich einen Hauplbestaiidtheil des
Zelleiiiiihaltes bei allen Pllanzeii ausmacht. Sodann erinnert die Kuospenbildung liei etlichen Arten
ganz an die Fortpflanzungsweise gewisser Algen. Auch stimmt der Umstand, da.ss manche Arten nur
in ihrer .Jugend frei umherschwimmen. wälirend sie sich später festsetzen und unheweglicli werden,
ganz mit der Eiitwicklungsweise mancher Algen überein, welche als Sporen ebenfalls frei umlier-
.schwäniimen. bis sie sich festsetzen und ihr Wachstimm beginnen. Dagegen spricht l'iir die tliieriscbe
Natur der Dialomeen, dass ihr Inneres heim Glühen Ammoiiiakdänipfe entwickelt, da.ss ihr Panzer an
die Ihierische Knodienhildung e rinne rt, wie denn z. B. die Kiiocheiibilduiig hei den Insekten ebeii-
ialls die Aussenseite des Körpers einnimmt, am meisten aher, da.ss es mehrere und zahlreiche Diato- '
ineengeschlechter gieht, welche sich niemals irgendwo festsetzen, sondern ihr ganzes Leben hindurch
die freie Bewegung behalten. Allerdings zeigen auch einzelne Desmidien, nammenllili Closterimn
lunulu , Taf. II. Fig. 8 , ihr Leben lang freie Bewegung, zumal sie ebenfalls nirgends anw'acli.seii; seihst
ein minder geübtes Auge erkennt jedoch auf den ersten Blick das Träge, Ungewisse und Unfreie in
der Bewegung dieser Pflänzchen, während die Bewegung jener Diatomeen den Charakter des Kräftigen.
Sichern. Freien an sich trägt. Sollten sich die Beobaclilnngen Ehreiibergs lietrelfend die Bewegungsorgane
gewisser Diatomeen doch noch bestätigen, namentlich was die beweglichen Wimpern
allbelangt, so würde der tliieriscbe Charakter der Diatomeeiibeweguiig noch um etwas verschärft, obwohl
sich hinwieder nicbt läugiien lä.sst, da,ss auch die Keimzellen wirkliclier Pflanzen, iiameiitlich der
l aiiclieria c lamta, mittelst beweglicher Wimpern durch das Wasser rudern.
Die Aiiscliauung Elirenhergs freilich, welcher die Mittelöirnuiigeu lieider Nelienseileii für Mund
und .After, gewisse Bläschen um die eine OelViuiiig herum für Mageiizelleii und die in Kügelchen zer-
tlieille innere Substanz für den Eierstock der Diatomeen erklärte, gehört ins Beicti der Pharilasie.
Indessen ist es doch niclit ohne Bedeutung, dass der Gesammteindruck, welchen die Diatomeen auf
ihn macliteii. den so auserorderitlich lleissigen. scliarfsinnigen und kundigen Forscher geiiötliigl bat,
die tliierisclie Natur der Diatomeen mit der grössten ßeharrliclikeit zu verfechten. Selbst Kützing, .sein
Hauptgegner, konnte sich dieses Eindrucks nicht ganz erwehren, wesslialb er den Diatomeen neben
der chemisch anorganisclien und organisch vegetabilischen auch noch eine organisch aiiimali.sche Substanz
zugesprochen hal. Indem wir aus den angegebenen Griinden mit der Ansicht übereinstimmen,
dass die Diatomeen pilanzlich-tliierisclier Natur seien, erachten wir es als ein schiines Besullat der
Wissenschaft, die Einsicht gewonnen zu haben, dass auf der untersten Stufe des organischen Lehens
das Tliieriscbe und das Pflanzliche noch in ungetrennter Einheit erscheinen. worauf dann von Stufe
zu Stufe einerseits der Charakter der Pflanze, anderseits der Charakter des Thieres reiner, entschiedener,
ausgebildeter liervortrete. Dieses Grundgesetz organischer Entwicklung, zu welchem das
Mikroskop geführt bat, gehört ohne Zweifel zn den wichtigsten Bausteinen einer das Ganze umfassenden
Naluranscbauimg.
D i e Al g e n .
Ihr Name ist abgeleitet von dem lateinischen Worte ul(ja, welches »Wa.s.sergewächs» bedeutet.
Es sind wirkliche Pflanzen von der einfachsten bis zur zierlicli.sten Bildung, von mikroskoiiischer
Kleinheit bis zu riesenhafter Grösse. -Aus einfachen kugeligen Zellen besteht die .Alge (protococcus
nimlis), welche dem Schnee der höchsten Gipfel .seine rosenrolhe Farbe verleiht, und ebenso jene
andere (protococcus AtlanticusJ, welche das atlantisclie Meer auf weite Strecken bin blulrotli färbt.
Dagegen erreicht der Biesentang im siidliclien Polarmeer, w elcher ebenfalls zum Geschlechte der .Algen
gehört, eine Länge von 1300 Fuss.
Unter den Algen schliessen sich die D e sm id ie n hinsichtlich des Baues und der Lebensweise
den Diatomeen unmittelbar an. Wie diese, kommen sie bald als einzelne Individuen, bald in band-
oder fadenförmige Colonieen vereinigt vor und haben als wurzellose, frei schwimmende Pflanzen auch
die gleiche Art der Ernälinmg. Die einzeln Lebenden zeigen bisweilen eine den Diatomeen ähnliche
Bewegung. Dem Panzer der Diatomeen entspricht bei den Desmidien eine durclisichlige, ziemlich
feste Gallertliülle, Bei der sonstigen Vergänglichkeit dieser Hülle mii.ss es beinahe unerklärlich
erscheinen; dass Ehrenberg im Feuerstein sogar fossile Desmidien aufgefunden hat. Auch die A'er-
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