Dagegen lieweisl eine Untei-sm-lumg des Kieidemergels von Caltaniselta auf den ersten Blick, dass
derselbe den Meeresbilduiigen angeliörl. .Aasser den Diatomeen enthält nämlich derselbe zahlreiche
Foraminireren, eine Art kalkschaaliger Infusorien, welche ausschliesslich im Meerivasser Vorkommen,
wie die jetzt noch lebenden GattungsverwaiuUen derselben beweisen. Es gibt übrigens eine Menge
von Meeresbildungen, welche neben den Foraminiferen durchaus keine Diatomeen enthalten, oligleich
die Mecrdiatomeeu durchschnittlich grösser und haltbarer sind, als die des süssen Wassers. So viel
uns bis jetzt bekannt ist, enthält w eder der Nummulitenkalk der ägyptischen Sphinxe, noch der Foraminiferenkalk
des Libanon und Antilihanon Diatomeen, eben so wenig aher der an Foraminiferen so
reiche Kalk der Schweizeralpen, den wir bereits vom Säntis bis zu den Glanierbergen mikroskopisch
unlersncht haben. Auch der gew iihnlichen Schreibkreide, so reich sie sich meist an Foraminiferen
zeigt, fehlen die Diatomeen nicht selten gänzlich, wähi-end die Kreide anderer Gegenden Diatomeen
aufweist, die zum Theil noch jetzt lebend im Meere angetrolTen werden. Diese ThaLsachen sind um
so auffallender, da die Schaalen der Diatomeen zerstörenden Eintliissen jeder .Art viel leichtei- w idei--
•stehen, als die der Foraminiferen. Wir wollen uns hier nicht auf das Feld der Hypothesen hinauswagen;
aher so viel scheint denn doch aus den mitgetheilten Beobachtungen hervorzugehen, dass die
Dialomeen. sollte der Alpenkalk wirklich zur Kreideperiode gehören, in jenem ürm e e r eine weit
geringere Verbreitung besessen haben, als die Foraminiferen. Im Uebrigen hat die mikroskopische
Untersuchung der Alpengesteine erst kürzlich begonnen und bietet dermalen noch ein so weites Feld
der Foi-scimng dar, dass wohl .lahre vergeben werden, bis .sich die Entstehung der verschiedenen
Ablagerungen aus den Gewä.ssern der Vorzeit durch Ermittlung der in ihnen enthaltenen organischen
Ueherreste geniigeml erklären lässt.
■le mehr wir uns aher zur Pflicht machen, mit uiiseni Behauptungen vorsichtig aufzutreten, desto
mehr miis.sen wir bedauern, dass es auf dem Gebiete der Mikroskopie immer noch von nnherechtigten
Annahmen und für Besultate ausgegebenen Vermulhungen wimmelt. Unter Anderm wird behauptet,
»die erdigen Mergel seien der Hauptsache nach nichts Anderes, als Anhäufungen von mittelst Kalk
oder Thon verkitteten Diatomeenpanzern.« Wir aher haben bei öfterer sorgfältiger U ntersuchung der
in unserer Gegend sehr liäuligen erdigen Mergel niemals die geringste Spur von Diatomeenschaalen
gefunden, nicht einmal in dem schwarzen Mergel, der wohl erhaltene, noch keineswegs versteinerte
Gehäuse vorwelllicher Süsswasserschiiecken fHiOiorfas m\A Lymphea) enthält. Es ist diess um so
auffallender, da man hei Untersuchung wirklicher Diatomeen-Erden und -Gesteine sofort im ersten
Präparat einige Kieseliianzer findet, was besonders vom Biliner Polirschiefer und vom Caltanisetta-
inergel gerühmt werden darf. Eben.so glauben wir die Behauptung zurückweisen zu .sollen, dass alle
Dammerde Diatomeenschaalen enthalte. Kützing sagt mit Becht: »In der Dammerde trocken gelegener
Gegenden kommen keine Diatomeenpanzer vor», und wir sind im Falle, diess in Folge eigener
Forscluing zu bestätigen. Ist doch keineswegs alle üaramerde durch Anschwemmung abgelagert
worden. Woher kämen aber sonst die Diatomeen? Nur wo häufige Ueherschwemmiingen staltge-
fundeii haben, oder wo der Grund ausgetrockneter Seen und Meere urbar gemacht worden ist.
kommt eine l)eachtensw'erthe Zahl von Diatomeeniianzern in der Dammerde vor. Vereinzelt zeigen
sich am Ende die Diatomeen an jedem heliehigen Orte, wo zufällig ein paar Trojifen Brakwasser hin
gelangten.
Abgesehen nun von der Bedeutung der Diatomeen für die Bildnngsgeschichte der Erdoherlläclie
bieten sie auch als B T a h ru n g sm itte l des Menschen nicht geringes Iiileres.se dar. Da sie innerlich
aus einer thierisch-pllanzlichen Gallerte nebst etwelcheni Oel bestehen, so vermögen sie wohl gew isse
Erdarten essbar zu machen. \orausgesetzt. dass ihre innere Substanz noch nicht verweset isl. Unerklärlich
aber wäre das so häulige Verspeisen gewisser Erdarteii, wenn hioss die Kieselschaalen der
Diatomeen in denselben entbalten wä ren ; denn reine Kieselerde kann doch den .Vjipetil des Menschen
unmöglich reizen. Wahr.scheinlich erhält sich der Inhalt der Diatomeen. auch wenn ihr Uelien e rstorben
ist, noch lange fiisch. oder er vertrocknet, von Euft und Eicht ahgeschlo.s.sen. zu einer nahrhaften
Substanz. Wie dem sein möge. Thatsache ist, dass von dem Bergmehl Lajiplaiids und Schwedens,
imter’s Brot verbacken, jährlich hunderte von Centneni ver.spie.sen werden, lie.sonder.s helieht
ist das Bergmehl von Lollhagysyön. dessen oberste Schichten aus noch lebenden Diatomeen heslehen.
Auch die feinen Erdarteri, welche in Nordasien, Südaniei'ika und Westindien gege.ssen werden, sind
grösstentheils aus Diatomeen zusammengesetzt. Am läiig.sten und allgemeinsten sind wegen ihres
Erdeessens die Olomakeii bekannt.
Noch bleibt uns aher die Frage zu erörtei'U, wie die Diatonieenlagei' haben entstehen können,
Lager von einigen Zollen bis über 100 Fu-ss Mächtigkeit. Die Diatomeen. nachdem sie er.slorhen
sind, sinken herab auf den Grund der Gewässer, wo ihre nnzerstöT'baren Kieselpanzer sich übereinander
lagern. Es legt sich allmälig ein Geschlecht nach dem ändern auf die Ueherreste der frühem
Generationen, der Grund des Gewässers erlieht sich, die Eluthen laufen ah. das seicht gewordene
Wasser verdunstet schneller, und am Ende erheben sich Städte an der Stelle, wo einst weite Seen
ihre Wogen wälzten. Die Dialomeen haben demzufolge nichl wenig heigetragen zur Trockenlegung
des Binnenlandes. Ihr stilles Wirken w ird aber auch auf uiiangenelime Weise bemerkbar in Bächen,
welche nicht besonders schnell lüessen, und in künstlich angelegten Teichen. Da scheint der Schlamm
stets aufs Neue nachzuwachsen. Er wächst auch wirklicli nach durch die todten und lebenden Diatomeen,
und man hat seine liebe Noth, die Teiche, die Mühlkanäle, die Bäche immer wieder zu vertiefen.
So hat denn der Mensch auch mit dem zwerghaften Dialoraeengeschleclit zu kämpfen, welches
meinen landwirthschaftlidieii und technischen Zwecken nicht selten hemmend entgegen tritt. Dem Gebildeten
aller gereicht es zum Vergnügen, so winzige Geschöpfe als respektalilen Gegner kennen
zu lernen. Auch diese Erkenntniss lässt ihn die Bedeutung de.s Kleinen im GesamTiitliaiishalt der
Schöpfung ahnen. —