häufig verdarb die Neugier der Herumtreiber bei unzulänglicher Bewachung oder
die Gefahren des Transports wieder, was ein günstiger Augenblick geschenkt hatte.
Das Stillsitzen der Personen war natürlich für längere Expositionen gar nicht
zu erreichen, und es wurde daher ein Objectiv gewählt (Dallmeyer’s Portrait-Objectiv
von 3" Durchmesser, welches sich bei massig langem Focus durch Schnelligkeit des
Arbeitens auszeichnete. Dabei erwies es sich, einfach wie die Sache erscheinen mag,
unter den vorhegenden Verhältnissen als unthunlich, stets genau denselben Focus
einzuhalten, da das rapide Austrocknen der Platte keine lange Verzögerung erlaubte,
und das ungeschickte Hin - und Herrücken der Eingeborenen häufig noch im letzten
Augenblicke ein erneutes Einstellen nöthig machte.
Die gewählte Grösse ist ein Sechstel bis ein Siebentel der natürlichen, doch
schwankt sie in gewissen G-ränzen um diese Zahl; zur Ausgleichung solcher Unter-,
schiede wurden zwei in der Photographie leicht wiederzufindende Dimensionen, nämlich
die Gränze des Haarwuchses bis . zum Kinn und die Jochbeinbreite mit dem
Tasterzirkel gemessen und in das Verzeichniss aufgenommen, wonach sich die übrigen
Dimensionen berechnen lassen.
Für eine Anzahl von Personen sind auch diese Daten durch einen unglücklichen
Zufall verloren gegangen,, oder die Leute entzogen sich aus Aberglauben dem un-
heimlichen Messinstrument; doch sind die Unterschiede der ab so lu ten Werthe so
gering, dass' dieselben durch die nach kleinen Photographien genommenen Messungen
leicht verwischt werden, während die re la tiv e n Werthe ohne Maassstab genommen
werden können.
Auch hinsichtlich der Entblössung konnte nicht immer das gewünschte Ziel
•erreicht werden, indem verschiedene Umstände sich derselben hindernd in den Weg
stellten. In den wenigsten Fällen war es Schamgefühl, welches man zu bekämpfen
hatte, dagegen zeigten sich viele Eingeborene, besonders die Häuptlinge und die
Zöglinge der Missionsschulen ausserordentlich stolz auf die keineswegs kleidsamen
Lumpen, welche ihnen die Civilisation umgehängt hatte, und die Bekleideten erscheinen
daher besonders häufig in europäischer Tracht. Zeitweise war die Lufttemperatur
auch so-niedrig, dass eine Bedeckung des Körpers unumgänglich erschien, um
bei dem Stillsitzen Frostschauer zu vermeiden. In einzelnen Fällen wurde aus Vor*-
urtheil die Entblössung des Kopfes verweigert.
Das auf diese Weise unter beständigem Kampfe mit der Ungunst der Verhältnisse
gewonnene Material erreichte schliesslich einen ziemlich bedeutenden Umfang,
doch konnte es nicht wohl anders sein, als dass die Schwierigkeiten der Herstellung,
der Wechsel der äussern Verhältnisse und der Chemikalien eine -gewisse Ungleichheit
in der Haltung, sowie manche Unvollkommenheiten hineinbrachten, welche es
ungeeignet erscheinen. Hessen, die Photographien als solche erscheinen zu lassen.
E s . kömmt dazu, dass unsere gebräuchliche Art und Weise der Vervielfältigung
keine Garantie für die Dauerhaftigkeit der gewonnenen Copien bietet, und ein einziges
verbleichendes Bild die ganze Folge zerreisst; die neuen, noch nicht vollkommen
durchgebildeten Methoden aber, wie Lichtdruck, fiefem zwar dauerhafte Copien,
verlangen aber vor allen Dingen gleichmässige und tadellose Negative.
Ausserdem haben mich lange Beobachtungen gelehrt, dass es keineswegs allen
Personen leicht wird, Photographien richtig zu sehen, indem die durch bestimmte
I
Lokaltöne, besonders gelbliche, hervorgerufenen Dunkelheiten Vielen als Schattenwirkungen
imponiren, und es ein gewisses Studium verlangt, um diese Täuschungen
zu vermeiden. Ein Zeichner dagegen, der sich in die „Manier“ der Photographie
hineingearbeitet hat, findet darin die vollkommen deutliche Vorlage, um die Formen
in eine andere, allgemein verständhche Darstellungsweise zu übertragen, und kann
dabei ohne Schwierigkeit die fehlende G-leichmässigkeit in der Haltung nachholen.
Dies waren die Erwägungen,, welche mich veranlassten, das gesichtete Material
nach Ausscheidung aller. zweifelhaften oder undeutlichen Objecte in die Hände von
Künstlern zu geben, welche mit m ö g lic h s te r Treue- u n te r meiner beson-
d e rn L e itu n g die p hotographischen O rig in a le in Kupfer ü b e rtra g e n
mussten. Sie hatten hierzu Studien und Vorarbeiten nöthig, wodurch die ohnehin
mühevolle Arbeit noch um Vieles gesteigert wurde, aber es steht zu hoffen,, dass
das Urtheil des PubHkums die Mühe als keine verlorene bezeichnen dürfte.
Ein weiter unten eingefügtes Verzeichniss giebt die Liste der Personen, deren
Portraits hier zur Darstellung kamen, nebst den Angaben über den Stamm, welchem
sie angehörten, Geschlecht, ungefähres Alter und Ort der Aufnahme; auch sind, wie
erwähnt, zwei gemessene Distanzen .eingetragen, und etwa interessante PersonaHen,
soweit solche zur Kenntniss gelangten, vermerkt.
Hinsichtlich der Namen ist zu erwähnen, dass häufig der ursprüngliche nicht
zu ermitteln war, indem die Personen denselben aus unbekannten Gründen verheimlichten
und nur die coloniale Bezeichnung, angaben, in ändern Fällen aber, wie besonders
bei den Buschmännern, heimathliche Namen in unserm Sinne gar nicht
existiren, sondern nur Beinamen, auf welche sie selbst wenig Werth legen; auch
bei diesen sind daher die angegebenen Namen durchweg europäischer Abstammung.