Die Grandlage dieser Himmelscharten bildet die Durchmusterung des
nördlichen Himmels, welche in den Jahren 1852 bis 1862 auf der Bonner
Sternwarte ausgeführl worden ist, zur Realisirung der Idee, die zuerst von
B e s s e l in den Astronomischen Nachrichten Bd. I. Pag. 257 ausgesprochen
und in dem E n tw u r f zu e i n e r H e r a u s g a b e n e u e r H im m e ls k a r te
n , welchen dieselbe Zeitschrift in Bd. IV. pag. 297 ff. enthalt, weiter entwickelt
worden ist. Wie die möglichst vollständige Erreichung des dort
ausgesprochenen Zweckes auf der Bonner Sternwarte angestrebt worden ist,
in kurzen Worten hier anzugeben, wird nicht unzweckmassig erscheinen,
wenn auch eine im Jahre 1856 erschienene kleine Schrift „Anzeige von einer
auf der königlichen Universilälsslernwartö zu Bonn unternommenen D u r c h m
u s te ru n g d e s n ö r d l i c h e n Himmels“ , so wie die Einleitungen zum
3. bis 5. Bande der Bonner astronomischen Beobachtungen ausführlichere
Kunde darüber geben.
Ich habe es vorgezogen, nicht, wie es in ähnlichen Fällen sonst geschehen
ist, die schon bestimmten und in den verschiedenen Catalogen und Beobachtungssammlungen
bekannt gemachten Sternpositionen zuerst in ein Netz
einzulragen, und durch Vergleichung mit diesen nach dem Augenmasse oder
durch rohere micromelrische Hülfsmitlel die unbestimmten in dasselbe Netz
einzuzeichnen, sondern unbekümmert um das schon Vorhandene, alle Sterne,
so viele im Bereiche der gesteckten Gränzen sich befinden, durch neue
absolute Beobachtungen mit einer solchen Genauigkeit zu bestimmen, wie der
nächste Zweck, die Darstellung von Ilimmelscharten, es fordert und gestaltet.
Als Gränzen wurden in Beziehung auf den Raum der Nordpol und der
Parallelkreis 2° südlich vom Aequator gewühlt. Weiter nach Süden die Untersuchung
auszudehnen, würde unter dem 51. Grade nördlicher Breite und
bei der fast nie ganz dnnstfreiön Atmosphäre unseres Climas, wegen der E x-
stinction des Lichtes in den liefern Gegenden der lelztern, zu Unvollkommenheiten
und Ungleichförmigkeiten geführt haben. Der südliche Himmel muss den
Sternwarten der südlichen Hemisphäre überlassen bleiben, und die 2 ersten
Grade desselben sind hier nur desshalb hinzu gefügt worden, um dadurch,
wenn einmal dort eine ähnliche Arbeit ausgeführl wird, eine Vergleichung
möglich zu machen.
Als Gränze der Grössen wurde die von Bessel aufgestellte der
9.10* beibehalten, oder vielmehr es wurden, wie Bessel es forderte, alle
in einem Fraunboferschen Cometensucher von 24" Brennweite und 34“'0 e ff-
nnng bei lOmaliger Vergrößerung noeb erkennbaren Sterne in den Pinn
der Arbeit gezogen. Dadurch war also auch ein Fernrohr von diesen Dimensionen
als Hanptinstrumenl für die Durchmusterung gegeben. Es fand
aber insoferne eine kleine Abweichung von dem Besselschen Plane statt,
als ich das ursprüngliche Münchner Ocular mit einem orlhoscopischen von
gleicher Vergrösserung aus der Werkstatt des Optikers K e l ln e r in Wetzlar
vertauschte, Welches ein ausgedehnteres Gesichtsfeld und eine grössere
Lichtstärke besitzt, als das Münchner.
Ein solcher Cometensucher nun ward unter der Drehkuppel des Südthurms
der hiesigen Sternwarte parallactisch aufgeslellt. In dem Focus desselben
ward eine halbe Kreisfläche von dünnem Planglase befestigt, so doss
der sie begränzehde Durchmesser dem Declinationskreise entspricht. Diese
Bcgränzung ist matt abgeschliffen, und bildet im Fernrohre eine dünne dnnkle
Linie, die selbst bei völliger Abwesenheit aller andern Beleuchtung als der
durch das Sternlichl gut erkennbar ist, den S t u n d e n s t r i c h . Senkrecht
auf diesen ist über die ganze Glasfläche ein Halbmesser gezogen, dor Mitt
e l s t r i c h , und diesem parallel auf beiden Seiten in gleichen Abständen von
einander 10 kürzere, die D e c l in a l io n s s t r i c h e . Diese Striche sind so
dick mit schwarzer Oelfarbe nufgetragen, dass auch sie bei dunkler Nacht
bequem erkennbar sind. Ihre Abstände von einander waren aus einem spä-
•ter anzugebenden Grunde zu verschiedenen Zeilen verschieden, Anfangs ungefähr
7, später 10 Minuten, so dass das erste System 2° 20", das zweite
3° 20' der Declinalion umfasste. In beiden Systemen ist jeder dritte Strich
der leichtern Unterscheidung wegen etwas länger ausgezpgen.
Vor diesem Fernrohre sass oder lag der Beobachter auf einem Stuhle,
dessen Rücklehne so gestellt werden kann, dass bei vollkommen bequemer
Lage des Körpers das Auge unmittelbar vor dem Ocular ist. Künstliche
Erleuchtung befand sich im Zimmer nicht, und gegen die äussere des Himmels
war das Auge durch einen um das Ocularende des Fernrohrs befestigten
Schirm geschützt. In einem unter dem Beobnchtpngszimmcr befindlichen
Raume, von jenem nur durch einen einfachen Brotterboden getrennt, war eine
nach Sternzeil gehende Uhr aufgeslellt, vor dor der Gohülfe des Beobachters
seinen Platz einnahm. Nachdem nun vermittelst des Declinulionskreiscs dos
parallactischon Stalifs der Mittolstrich auf eine bestimmte Declination, der
Stundenslrich ouf oine bestimmte Rectascension eingestellt, das Fernrohr so
fest geklemmt und alle Beleuchtung entfernt w ar, der Beobachter seinen
Platz vor dem Fernrohre, dor Gehülfe vor der Uhr eingenommen hatte, begann
die Beobachtung. Sowie durch die tägliche Umdrehung des Himmels
die Sterne nach einander an den Stundenslrich geführt wurden, fasste der
Beobachter den Augenblick ihres Verschwindons hinter demselben und ihre
Grösse auf, soweit sie innerhalb der Theilung der Scale antrnlen. Zugloich
merkte er sich den Declinalionsstrich und die Lage desselben, ob nördlich
oder südlich ( + oder-—) vom Mittelstricho, und schätzte das Zehntheil
des auf diesen folgenden Zwischenraumes, bei dem das Verschwinden statt
fand. Die letztere Beobachtung notirto der Beobachter selbst ohne das Auge
vom Fernrohre zu entfernen auf einem Blatte, das in einem passenden Rahmen
lag, um das Ineinanderschreiben der Zahlen zu verhüten. Auf demselben
Blatte machte er zugleich hin und. wieder Notizen über etwaige Zwci-
. fei, über Duplicitüt, Farbe und ähnliche. Die Antriltszcit und Grösse dngogon
notirte der Beobachter nicht selbst, sondern rief im Augenblfcko des Antrittes
die Grösse laut aus, die dann der Gohülfe zugloich mit der von der
unmittelbar vor ihm stehenden Uhr -entnommenen Zeit des Rufes in einem
eigenen Buche in fortlaufender Reihe aufschrieb. Dass dieser ununterbrochen
fortzahlte, und nur von Zeit zu Zeit zur' Controlle nach der Uhr sah, versteht
sich von selbst. Die schwächsten Sterne wurden als 9.10 Grösse
angegeben, und dor Kürze wegen durch ein ausgerufenes „ N u l l “ bezeichnet,
dann folgte die 9., die 8.9 Grösse, die letztere durch den Ruf „ H a lb “
bezeichnet, die 8., 7., u. s. w. Nur ausnahmsweise wurden bei don hellem
Sternen Zwischengrösson angegeben, dogegen notirte der Beobachter auf
seinem Blatte es durch kurze Zeichen, wenn die Sterne geringerer Grössen
die mittlere Helligkeit merklich übertrnfen, oder unter ihr blieben, und besonderes
Augenmerk ward darauf gorichtet, es jedesmal zu notiren, wenn
ein Stern 9.10 Gr. heller als die meisten andern erschien, ohne doch zur
9. Gr. gezählt werden zu können. Solcho Storno nennen wir „gut 9.10 Gr.“
Sobald der Beobachter ein Blatt vollgeschrieben hatte, und es mit einem
neuen vertauschte, zeigte e r dies dem Geholfen an, der dann unter die zuletzt
notirte Zeit oinen Strich machte. Ein gleicher Strich ward aber auch
von dem Beobachter und dem Geholfen auf die Aufforderung des erstem
gemacht,: so oft oine Störung oder ein anderer Umstand Veranlassung zu -
der Befürchtung gegeben hatte, es könne ein Ruf überhört oder ein andrer
Laut für oinen solchen gehalten worden sein.
Auf diese Weise ward die Beobachtung, wenn nicht etwa wegen Trübung
des Himmels oder aus andern Ursachen früher geschlossen worden
musste, eine Stunde oder ein Paar Minuten länger fortgesetzt, nur in sehr
seltenen durch besondere Umstände horboigeführten Fällen über fünf Viertelstunden
lang, damit nicht Uobormüdung ointroto und der Genauigkeit der
Beobachtung schade. Sobald der Beobachter den Schluss angezeigt hatte,
benachrichtigte der Gohülfe davon durch eine nach dem Arbeitszimmer der
Sternwarte geleitete Schelle den zweiten Beobachter mit seinem Geholfen,
um sie zur Ablösung herbei zu rufen. Es wurden nun die Kreise nochmals
abgelesen und nolirt, und damit die Zone geschlossen. Der abgetretene Beobachter
und sein Gohülfe verglichen darauf unmittelbar ihre Aufzeichnungen
miteinander, führten kurz angedouloto Notizen sorgfältiger aus, und waren
überhaupt bemüht, etwa aufgekommeno Zweifel aus frischer Erinnerung zu
löson. Besonders in sehr sternreichon Gegenden ist es nicht selten vor-
gokommen, dass dor Beobachter auf einem Blatte oder zwischen zwei
Strichen einen Stern mehr oder weniger hatte, als dor Gohülfe. Es lioss
sich dann häufig aus manchen Umständen aus der frischon Erinnerung
noch ermitteln, wo das Versehen vorgcfallon war, entweder unzweifelhaft,
oder doch mit solcher Wahrscheinlichkeit, dass dadurch die spätore Vorifizi-
rung sehr erleichtert wurde. Sobald es die Zeit erlaubte, wo möglich am
folgenden Tage, wurden die von dem Beobachter notirten Angaben dor Do-
clinolionsslriche und ihrer Zebntheilo neben die von dem Gohülfon vorzoich-
neton Grössen und Antrillszeiten eingetragen, und es konnte zur Berechnung
' geschritten werden.
Als Epoche wurde hiebei der Anfang dos Jahres 1855 festgostellt, und