Page 16

27f 34-1

Wanderung, auf welcher er dem Führer folgt, der nur zuweilen nach rechts oder links biegend die wegsamsten Stellen auisucht, sonst aber gerade auf den Gipfel zusteuert. Obschon die Neigung nur zwischen 30 und 40 Grad schwankt, so scheint der Abhang sich dennoch wie eine Wand vor dem Reisenden auf- zuthürmen, der sich zwischen dem dichten vom Nass der Wolken triefenden Gestrüpp durchzwängt. Diese grüne Decke reicht bis an den Gipfel hinauf und von allen Pflanzen hält das Haidekraut Norddeutschlands, die harte Calluna vulgaris am längsten aus. Mir war das Wetter nicht günstig. Die Wolken zogen sich immer dichter zusammen und ein feiner eindringlicher Regen nöthigte mich auf halber Höhe umzukehren, nachdem ich die wulstförmigen Lavenströme, die aus bronzirten Schlacken senkrecht aufgethürmten Feueressen und die tiefen Spalten des Berges betrachtet hatte. Bei günstigem W e tter ist es indessen möglich, nach beendeter Besteigung Abends die Maulthiere zu erreichen, um vor einbrechender Dunkelheit die böseste Strecke zurückzulegen. Immer erfordert dieser anstrengende Ausflug die Zeit von 3 oder 4 Uhr Morgens bis 9 oder 10 Uhr Abends, weshalb es Viele vorziehn im Hochsommer bei schönem Wetter am Fuss des obern Kegels die Nacht am Feuer zuzubringen. Leicht ist es dagegen, das Gebirge von Faial zu besteigen. Die Strassen der Stadt sind steil, aber schon in einer Höhe von ein paar hundert Fuss führt ein ebener Weg zwischen blühenden Gärten und freundlichen Landhäusern nach dem Dorfe Flamengos. In einer fruchtbaren sanft ansteigenden Ebene ward hier im Anfang des XVI. Jahrhunderts die erste Colonie' von Flamlaen- dern angelegt, die später vollständig in der portugiesischen Bevölkerung aufgingen. Unmittelbar dahinter schwingt sich das Gebirge 3,000 Fuss hoch empor, aber es läuft nicht wie drüben in Pico in einen zuckerhutförmigen Gipfel aus, sondern bildet eine abgeflachte Bergmasse, auf deren Scheitel ein mächtiger Krater von 3 Minuten Umfang und 1000 Fuss Tiefe gähnt.. Nur nach Süden ragt der schmale kreisrunde Rand etwas höher empor, sonst umgiebt er mit wunderbarer Regelmässigkeit den gewaltigen in den Felsen ausgesprengten Kessel, in dessen Tiefe der Reisende über den schwindelnden Abgrund hinabsieht, sobald er auf den Mauleseln die Höhe des Gebirges erreicht hat. Nach rückwärts schweift der Blick*über die mit Gebüsch bedeckten Abhänge, über die lachende Landschaft von Flamengos und über die blaue Meerenge nach dem P ik , dessen kolossale Umrisse aus dieser Höhe betrachtet ebenso angewachsen zu sein scheinen, als die weite Meeresfläche, aus der sie emporsteigen. Welch ein Gegensatz in den Bergformen! Die vulkanischen K rä fte , welche drüben auf dem älteren Unterbau Laven auf Laven zu einem riesigen Kegel aufthürmten, haben hier in dem domförmig aufgeführten Gebirge ein mächtiges Stück herausgesprengt, in dessen Umgebungen die hochaufgehäuften Trümmer noch heute , die Gewalt der Explosionen veranschaulichen. Doch muss man diese Beweise der Zerstörung unter der üppigen Vegetation hervorsuchen, welche die Grauen erregende Vertiefung mit einem grünen Teppich auskleidete. An den jähen Abstürzen ragen nur hier und dort nackte Felskanten aus dichtem dunkel gefärbtem Laube hervor und im Grunde erheben sich ein paar kleine mit Gestrüpp überwachsene Hügel aus grünen mit Schafen und Ziegen besetzten Grasflächen , zwischen welchen ein Teich seine binsenumkränzten Buchten aushreitet. Selbst um Mittag, wo .die hoch emporsteigende Sonne mit ihrer ganzen Lichtfülle in den Kessel hineinscheint, lassen die einander so nahe gerückten jähen Abstürze denselben noch enger und tiefer erscheinen, als er es wirklich is t; wenn aber des Abends tiefe Schatten den Grund in ein mystisches Dunkel h ü llen , dann gähnt der alte K ra te r, der anscheinend sich noch mehr zusammenzieht und tiefer hinabsenkt, vollends als ein riesiger u n heimlicher Schlund zu den Füssen des Beschauers. Wenngleich Faial nicht so wie Madeira oder Teneriffa ein Stationsort für regelmässige Packetboote ist, so suchen dennoch in jedem Jahre-viele Schiffe seine Rhede au f, die einen Zufluchtsort bietet für alle Fahrzeuge, welche in diesem Theile des Oceans etwas bedürfen. Segelschiffe wie Dampfer finden dort ein wohlausgerüstetes Arsenal und Handwerker, um die erlittenen Schäden auszubessern; die letztem können .ausserdem noch ihren erschöpften Kohlen- vorrath aus den dort angehäuften Lagern ersetzen. Die Bewohner Horta’s wissen deshalb stets von Schiffen zu erzählen, die mit genauer Noth ihrem Untergang entrannen, und wer die tragische.Seite des Seelebens schildern wollte, der könnte hier reichhaltigen Stoff vorfinden. Sehr wichtig ist Faial ausserdem als Stationsort für die amerikanischen Wallfischfänger, die im Sommer in grösser Zahl in der Gegend der Azoren den Pottwallen nachstellen. Auf jener Insel legen sie ihre bereits gefüllten Fässer nieder, um- sie nach Amerika einschiffen zu lassen, während sie selbst zu Anfang des Winters nach den südlicheren Meeren aufbrechen um dort ihre Jagd fortzusetzen. Von der ärmern Klasse der Inselbewohner betheiligen sich vie le, durch den Gewinn angelockt, bei diesem gefährlichen Gewerbe und die Amerikaner, die nicht selten mehr Mittel und Unternehmungsgeist als Arbeitskräfte besitzen, nehmen die seetüchtigen Bursche gern auf. Ueberaus häufig kommen in jenen Meeren die sogenannten Finnbacks oder Finnfische vor, die ich oft gesellig mit hoch aufgerichteten Rückenflossen vorüberschwimmen sah. Da dieselben wenig Thran liefern und schwerer zu erlegen sind, beachtet sie der Mann n ic h t, der auf allen Wallfischfängern bei Tage im Mastkorbe sitzt, sondern späht nach den seltneren Physetern, welche das werthvolle Spermaceti liefern. Obschon ich in enen Meeren häufig in der Ferne die ausgestossenen Wasserdunstsäulen erblickte, so sah ich doch nie einen dieser riesigen Meeresbewohner so in der H a r t u n g , A z o r e n . 9


27f 34-1
To see the actual publication please follow the link above