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(Abbildung II 56) steht zu Böma am Congoufer; der Umfang seines kurzen gewulsteten Stammes schwankt zwischen zwölf und vierzehn Meter — je nachdem man die Messschnur umlegt — der schöne Wipfel ragt über zwanzig Meter hoch auf und beschattet einen Raum von siebzig Schritt Durchmesser. In die Rinde seiner unteren Aeste sind viele Namen von Besuchern eingeschnitten, darunter auch der des Mannes, welcher wol mehr Gebiete Africas aus*eigener Anschauung kennt als irgend ein anderer: Richard Burton 1863. Einzelne der schlangengleich am Erdboden hinlaufenden und vielfach entblössten Seitenwurzeln lassen sich dreissig und vierzig Schritt weit verfolgen. Ein ähnliches Exemplar, welches fern im Süden, eine halbe Stunde landein von Ambrisette wächst, ist ungleich grösser: der Umfang seines Stammes beträgt siebenundzwanzig Meter, doch ist der Wipfel weniger gleichmässig entwickelt. Die dritte und gemeinste Form habe ich, wol nur zufällig, nie von ähnlicher imposanter Grösse gesehen. Bei ihr bemerkt man hier und da auch einmal auffallend absonderliche Auswüchse am Stamme: wandförmig heraustretende Pfeiler sowie mächtige Kloben und Wulstungen, welche manchmal dicht mit abgerundeten, traubenförmig aneinander gedrängten Warzen besetzt sind. Doch finden sich derartige überflüssige Bildungen immerhin selten. So ist denn die Adansonia der Loangoküste ein verschiedenartig entwickelter", in der R ege l aber wolgewachsener Baum von gigantischer Gestalt, dessen Stamm und Geäst von übermässiger, man könnte sagen, ungeschlachter Dicke erscheinen. Sie gleicht einem Ueberreste aus grauer Vorzeit und nimmt im Pflanzenreiche mit dem Drachenbaume (Dracaena draco L.) etwa eine ähnliche Stellung ein wie Elephant, Hippopotamus und Wal im Thierreiche. Von Mitte Juni bis Ende September steht sie laublos wie ein Riesengerippe da und kommt, da sie eine glatte und hellgraue Rinde besitzt und frei steht, im Landschaftsbilde zu besonderer Geltung. Während der übrigen Monate trägt sie eine dichte Belaubung. Die Blätter sind fünf- oder siebenfach gefingert. Blüten und Früchte hängen, gleichsam wie an dünnen Stricken, ah fünfzig bis siebzig Centimeter langen Stielen vom Gezweig herab (Abbildung III zu Anfang von Capitel VIII). Die sehr ansehnliche und gewichtige, mit einem grossen Büschel langer Staubfäden quastenähnlich verzierte Blüte erreicht einen Durchmesser von zwölf bis fünfzehn Centimeter und erscheint anfänglich von rein weisser Farbe, später mit gelbbraunen Tüpfeln gesprenkelt. Sie verbreitet einen schwachen, des Abends stärker werdenden unangenehmen Geruch, der, wie bei manchen Pilzen, an verwesendes Fleisch erinnert. Die Früchte sind sehr abweichend gestaltet: bald melonenähnlich, bald langgestreckt wie Gurken, bald lang und dick zugleich. Die von uns . mitgebrachten von nur mittlerer Grösse erregten dennoch ob dieser das Staunen von Forschern, die nur den Baobab der östlichen Gebiete Africas kennen. Ihre dünne holzige Schale, welche mit einem fest anhaftenden, im frischen Zustande goldiggrünen Sammetüberzug sehr hübsch bekleidet ist — an alten Früchten verbleichen die freundlichen Farben desselben Ä umschliesst fest ein feines, durch Faserbündel der Länge nach leicht in Abschnitte ge- theiltes Mark, in welchem die schwarzen bis haselnussgrossen Samen fest eingebettet ruhen. Die reife ausgetrocknete Frucht ist überraschend leicht. Mark und Samen werden weder von Menschen noch von Thieren genossen; erstere greifen selbst bei-Hungersnoth nicht zu diesem Nahrungsmittel, das sie überhaupt als solches gar nicht kennen — nur Liebhaber sollen aus jungen Blättern ein Gemüse bereiten — und letztere finden allenthalben besser mundende Erzeugnisse des Pflanzenreiches. Niemals fand ich im Freien Früchte, welche etwa von Thieren beschädigt gewesen wären, und unsere zahmen Affen der verschiedensten Arten kosteten höchstens einmal von dem ihnen gereichten Marke, das im frischen Zustande nicht unangenehm säuerlich schmeckt, und warfen es dann beiseite. Die Adansonia wird nur in geringfügiger Weise benutzt. Das weisse, sehr mürbe Holz ist nicht einmal zum Brennen tauglich, das willig fortglimmende trockene Mark der Früchte — msünga pl. mi- sünga — wird dagegen als Zunder und, in grösserer Menge, zur Erzeugung von Rauch verwerthet, mit welchem man die Mosquitos vertreibt oder doch zu verscheuchen sucht. Aus dem sehr festen, unter der dicken Rinde sitzenden, netzähnlich verbundenen Fasergewebe — mièle miköndo— , welches aus südlich vom Congo gelegenen Gebieten, nachdem J. J. Monteiro 1865 seinen Werth erkannt hatte, nach europäischen Papierfabriken ausgeführt wird, wissen die Leute durch Knoten und Flechten sehr dauerhafte Beutel , und Säcke herzustellen. Die harten Fruchtschalen benutzen sie als Schöpfgefässe in ihren Canoes, oder gestalten sie zu primitiven Musikinstrumenten. Eine anderweite Verwendung irgend welcher Theile habe ich nicht bemerkt. W ill Jemand einen Baobab besteigen, vielleicht um die an ihm wachsende besonders geschätzte Orseille, Färberflechte, Orchilla weed (Roccella tinctoria und R. fuciformis D. C.) zu sammeln, so nimmt er einfach eine entsprechende Anzahl zugespitzter Holzpflöcke und treibt diese in den Stamm ein, indem er zugleich von einem zum anderen aufwärts steigt. Gewöhnlich bewegt er sich dabei in einer steilen Spirale um den Baum herum.


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