Page 78

27f 32-2

fractuosum D. C.), namentlich an Flussufern durch wahrhaft gigantischen Wuchs hervorragend, am kräftigsten und urwüchsig grotesk zum Ausdruck bringt. Drei bis sechs Meter vom Boden treten an den grössereren Bäumen allmählich tafelähnliche Strebepfeiler wie Wände hervor, nach unten weiter und weiter, bis zu drei und vier Meter Entfernung ausstrahlend. Bald radiär verlaufend, bald wunderlich gewulstet und gebogen, bilden sie um den Stamm (Abbildung auch I 210) Nischen und Kammern, in welchen eine massig grosse Karawane genügenden Raum zum Lagern findet. Diese fest in der Erde wurzelnden Flügel geben den hochaufstrebenden Schäften erst den genügenden Halt am Boden, doch überraschen sie auch an Baumarten, die zu geringerer Grösse aufwachsen und solcher Stützen nicht bedürfen. Seltsamer noch als in diesen Stammformen äussert sich die schöpferische K ra ft der Xropennatur in den Gebilden der L ian en . (Abbildungen XI 43, 144). Die oft zu erstaunlicher Länge entwickelten und, soweit sie sichtbar sind, in der Regel blattlosen Achsen derselben sind glatt und rund, gewulstet und geknotet, bandartig breitgedrückt, tief gerieft und öfters mit scharfen Dornen bewehrt. Von der Stärke des Bindfadens bis zu der eines Mannes sind sie frei- ausgespannt die jüngeren bisweilen so straff, dass sie gleich Saiten tönen und summen, wenn man gegen sie schlägt — oder verknotet, vieltheilig zu mächtigen Kabeln zusammengedreht, gleich Korkziehern gewunden und sogar wie Wachsstöcke aufgewickelt. Sie kriechen in wunderlichen Krümmungen auf dem Boden entlang und liegen wie niedergeglittenes Tau werk Um die Stammenden mancher Bäume aufgehäuft; sie umklammern in mannigfaltiger Verschlingung Stämme und Geäst; schwingen sich in luftiger Höhe von Wipfel zu Wipfel oder hängen in wüstem Gewirre herab, wo sie mit dem tragenden Gezweig niedergebrochen sind. Im Inneren des Waldes ist die Vielartigkeit ihres Laubwerkes, der Reichthum ihrer Blüten selten zu erkennen, denn diese Einzelheiten yerbergen sich den spähenden Blicken hoch oben im lichtbestrahlten und unerreichbaren Blätterdache. An den nackten Reben einer Aristolochia brechen indessen die zart röthlich und graubraun gefärbten übelriechenden Blüten manchmal auch dicht über dem Boden hervor. Sie sind zuweilen von bedeutender Grösse, obwol sie sich nicht messen können mit denen der A . grandiflora am Magda- lenenstrome, welche sich die Kinder im Spiele über den K o p f stülpen, und noch weniger mit denen der A . Goldieana Hook, der Nigerwaldungen, welche nächst der Rafflesia Sumatras und Javas als die grössten bekannten Blüten der Erde gelten. So zeigt der vollwüchsige Hochwald in seinem Innern eine überraschende Armuth an dem mannigfaltigen Schmuck, den die Farben und Formen der Vegetationsorgane dem Buschwald verleihen. Nur Pilze ersetzen bisweilen durch ihre lebhaften Färbungen einigermassen die mangelnde Blütenpracht. Freundliches Grün erquickt selten das Auge. Epiphyten haften nirgends an den hellen glatten Stämmen, selbst Moose sind verhältnissmässig nicht häufig. Das Unterholz ist spärlich vertheilt, und nur dichte Bestände einer Blattpflanze mit geraden, weithin rankenden Stengeln beleben einzelne Strecken. Eine Schicht trocknen Laubes lagert auf dem Boden; eingebettet iji sie modern die niedergebrochenen Hölzer, welche dort zu wüstem Haufwerk vereint liegen, wo einer der hochragenden Riesenstämme in gewaltigem Sturze den ganzen Wald unter sich niedergeschmettert hat. *) Da strömt durch die weite Lücke im Laubdache das Tageslicht herein, niedere Pflanzenformen haben sich angesiedelt, während junge Bäume im Wettwuchse nach oben streben. Die Pflanzenarmuth im Inneren dieser Waldungen kann nicht durch den Mangel an Wasser oder an Beleuchtung bedingt werden. Denn das fruchtbare Erdreich ist mit Feuchtigkeit gesättigt, und die Dunkelheit ist selbst an trüben Tagen nur an wenigen Stellen so bedeutend, dass man nicht mehr zu lesen vermag. Wenn auch die Menge des hoch übereinander geschichteten Laubwerkes dem Untenstehenden vielfach eine vollständig geschlossene Wölbung zu bilden scheint, so ist es in Wirklichkeit doch locker angeordnet; die Blätter sind vorwiegend büschelförmig an die Spitzen der Zweige gerückt, und letztere sind nicht so vielfach getheilt wie an deutschen Waldbäumen. Daher können allenthalben Lichtstrahlen durch das Laubdach dringen und, wenn auch mannigfach gebrochen, den Boden erreichen. A u f diese W eise entsteht das eigenthümliche ungewisse Helldunkel, welches den weiten Hallen einen besonderen Reiz verleiht. Dies ist vornehmlich der Charakter des Galleriewaldes am Kuilu und der grossen Bestände auf dem Lateritplateau im Norden desselben. Die Waldungen des Gebirges besitzen nicht eine so überraschende Gleichförmigkeit der Pflanzengestalten, sondern erinnern wieder vielfach an die älteren Buschwälder der Savane: Bäume von gedrunge- *) V o n einem hingestreckten W ald r ie sen wurden folgende Masse genommen: Höhe des noch stehenden Stumpfes: 6 m, Län g e des liegenden Stammes bis zu den ersten A e s ten : 42 m , einstige Höh e der K ro n e soweit sie noch messbar w a r : 20 m; Umfang des Stumpfes mit den Wurzelstü tzen 2 m über der E rd e : 18 m, Umfang des walzen runden Stammes am unteren E n d e : 5* 3° m> dicht unterhalb der ersten A e s te : 4 m. D ie äussersten Zweige dieses Baumes ragten also mindestens achtundsechszig Meter hoch in die Luft. ' IfOan^o. III, IQ


27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above