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Farbenstimmung bilden. Selbst die dunkeln Streifen, welche mit den glanzvolleren und wärmer gefärbten abwechseln, erscheinen keineswegs stumpf und trübe, sondern, trotz ihrer kälteren Farbe m den meisten Fällen dennoch in geradezu unbeschreiblicher Weise leuchtend. Das Blau derselben gewinnt bisweilen eine solche Intensität, vertieft sich zu einer so prächtigen Schattirung, dass es in wundervoller Reinheit von dem matteren Blau des Abendhimmels absticht, und den Eindruck hervorbringt, als habe man es nicht mit wirklich dunkleren Schattenstreifen, sondern mit herrlich blauen Lichtbändern zu thun. Ich habe bis zu neunzehn dieser Dämmerungsstrahlen auf hellem Hintergründe gezählt. Allmählich werden sie undeutlicher, in demselben Masse wie die Atmosphäre lichtärmer wird, bleiben indessen im Durchschnitt bis dreissig, am Westhimmel zuweilen auch bis vierzig und fünfzig Minuten nach Untergang der Sonne sichtbar. Mehrere Male, jedoch stets nur in der Nähe des Aequators, habe ich sogar noch nach Eintritt voller Dunkelheit einzelne sehr lichtschwache, milchweisse Strahlen auftauchen sehen, die radiär von dem Sonnenorte heraufdrangen und etwa eine halbe Stunde lang erkennbar blieben. W ar zugleich das Zodiakallicht vorhanden, so erblickte ich sie nur südlich von demselben und stets bleicher, gewisser- massen in grösserer Ferne als dieses, dennoch aber deutlicher begrenzt und bisweilen höher aufragend. Ich möchte indessen diese wahrgenommenen Lichtsäulen so ohne weiteres weder mit dem Zodiakallicht, noch mit den Dämmerungsstrahlen in Beziehung bringen; vielleicht sind sie von beiden unabhängig und speciell der Sonne eigen- thümlich. Am Abend des 20. Februar 1875 war trotz des Vollmondscheines das Zodiakallicht deutlich sichtbar, und südlich davon, im unmittelbaren Anschluss an dasselbe radiär vom Sonnenorte ausgehend, ragten bis zu fünfundvierzig Grad Höhe drei breite, bleiche Strahlen der schon beschriebenen A r t empor. Ich entdeckte sie erst um neun U h r nirgendswo habe ich sie vordem zu so später Stunde erblickt beim Rundgang nach den meteorologischen Instrumenten, weiss also nicht, wie länge sie schon bestanden; die langsam verbleichenden vermochte man noch zehn Minuten hindurch zu erkennen. Am Zodiakallicht wurde eine gleichzeitige Abnahme der Lichtstärke nicht bemerkt. Dämmerungsstrahlen waren am selben Abend nicht aufgetreten, und mit Recht darf man auch Bedenken tragen, bei einem Tiefenstand der Sonne von einigen vierzig Grad, noch eine derartige von ihr stammende directe Lichtwirkung in der Atmosphäre anzunehmen. Irgend welche Bewegung, besonders ein langsames seitliches Verschieben der Dämmerungsstrahlen habe ich noch niemals beobachtet, halte es aber trotzdem und trotz der manchmal überraschenden Regelmässigkeit ihrer Anordnung für sehr wahrscheinlich, dass die dunkeln derselben-nur Schattenstreifen sind, welche unter dem Horizont schwebende Wölkchen oder Dunstschwaden heräufwerfen. Befinden sich diese nebst der Sonne noch über dem Horizont, so entstehen ähnliche, doch kürzere und weniger deutliche Strahlen, weil die Atmosphäre noch viel zu lichtvoll ist; unter diesen Umständen gleicht die Pirscheinung dem schon erwähnten Wasserziehen der Sonne. Erst wenn letztere zu Rüste gegangen ist, wenn sich die wärmeren Farben verbreiten, können die-Contraste zur vollen Geltung kommen. Die Bezeichnung der Engländer: pink rays ist darum auch nicht eine be? sonders glückliche; denn die lebhaft gefärbten goldigrothea Bänder repräsentiren das allgemeine Colorit des Abendhimmels, welches um so prächtiger hervorgehoben wird durch die dunkleren Schattenstrahlen, die zufällig auftreten und eben das Wesentliche der Erscheinung bilden; denn ohne sie würden wir die einfache Abendröthe erblicken. P'erner zeigen die letzteren, nicht aber die ersteren jene feine Längsstrichelung, welche sie gerade als Strahlen charakterisirt. Im atlantischen sowie im stillen Ocean habe ich mehrmals von isolirten hochragenden Bergen, namentlich von den noch unter dem Horizonte liegenden riesigen Vulcanen Hawaiis, ähnliche Schattenstrahlen ausgehen sehen, welche sich einmal sogar noch deutlich auf» dem oberen Theile des im Osten hochrückenden Erdschattens proji- cirten. Befinden sich dagegen die Berge selbst in Sicht, so können sie aus dem gleichen Grunde, wie die oben erwähnten Wölkchen, eine gleich intensive Wirkung nicht hervorbringen. Bisher habe ich diese Dämmerungsstrahlen noch niemals des Morgens, auch nicht in höheren Breiten als bis dreissig oder fünfund- dreissig Grad Nord und Süd in einigermassen befriedigender Schönheit erblickt. Bereits in diesem Abstand vom Aequator werden sie nur noch selten beobachtet, weil sie in viel geringerer Intensität auftreten, sodass die Farbenglut durch ihren Gegensatz nicht erhöht wird. Diese Eigenthümlichkeit bleibt insofern bemerkenswerth, da man doch auch ausserhalb des Tropengürtels bisweilen Sonnenuntergänge bewundern kann, die den prächtigsten jener begünstigten Zone an Lichtstärke und Wärme des Colorits nicht allzusehr nachstehen. Dann und wann bilden sich die Schattenstreifen sogar in unseren Breiten, indessen selbst auf blendendem Hintergründe in so wenig auffälliger Weise, dass Andere, deren Aufmerksamkeit ich darauf hinlenkte, dieselben kaum zu erkennen vermochten. Am glanzvollsten entwickelt sich das Phänomen jedenfalls innerhalb der Wendekreise. Loango. III. ~ 8 *


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