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iio der Dämmerungsbogen gewöhnlich als ein gleich verschwommener Schein dar wie in unseren Breiten; in Loango vermischte er sich entweder mit dem hervortretenden Zodiakallicht, oder verblich allmählich, ohne sich stetig unter den Horizont zurückzuziehen. Am Abend des 19. October 1875 erschien indessen das vielgenannte leuchtende Segment einmal in genügender Schärfe; sein Verschwinden erfolgte einundsiebzig Minuten nach Untergang der Sonne, nachdem diese also achtzehn Grad unter den Horizont gesunken war. Versuche, brauchbare Zeitbestimmungen nach dem ersten Sichtbarwerden von Sternen zu gewinnen, erwiesen sich noch erfolgloser; wir fanden Differenzen, welche den Resultaten jeglichen Werth nahmen. Besser gelang es, die Dauer der bürgerlichen Dämmerung zu bestimmen. W eil es eine sehr unsichere Methode ist, das Ende derselben auf den Zeitpunct zu verlegen, da man wegen Lichtmangels die Arbeit in Freien einstellen muss, bediente ich mich, wie schon früher, zu dem Zwecke der Messung des allenthalben verbreiteten und deswegen zu allgemeinen Vergleichungen am besten geeigneten Blattes: der Gartenlaube. Bei wolkenlosem Himmel war der Druck derselben während der Periode der theoretisch kürzesten Dämmerung für normale Augen mindestens fünfundzwanzig, längstens bis achtundzwanzig Minuten nach Untergang der Sonne im Freien bequem lesbar, und zwar mit Vermeidung aller günstigen Reflexlichter, im Schutze einer den leuchtenden Westhimmel verdeckenden Hütte oder eines Waldes. In anderen Tropengegenden, welche durch besondere Reinheit ihrer A t mosphäre Westafrica überlegen sind: im Gebiete der westindischen Inseln, an der Westküste Südamericas und inmitten des stillen Oceans, ergaben die unter Anwendung gleicher Vorsichtsmassregeln in der günstigsten Periode angestellten Versuche eine Dauer der bürgerlichen Dämmerung von nie unter zwanzig Minuten. Die vielgebrauchte Phrase von dem plötzlichen Hereinbrechen der Tropennacht, die gar manche wunderliche Vorstellungen erzeugt hat, ist demnach nichts weniger als wörtlich zu nehmen. Die Sonnenuntergänge vollzogen sich manchmal unter Entwickelung einer unvergleichlichen, in höheren Breiten unbekannten Farbenpracht. Je nachdem die Luft mit Wasserdampf mehr oder weniger gesättigt, durch Gewitter gereinigt, oder mit Dunst, mit Höhenrauch erfüllt war, zeigten dieselben eine wechselnde Grundstimmung des Colorits, welche berechtigt, von gelben, rothen und violetten Sonnenuntergängen zu sprechen. Der erstere und lichtvollste von allen zeigte Töne vom feurigsten Orange bis zum blendendsten Gelb und feinem Apfelgrun, der andere alle Abstufungen von Purpur- und Zinnoberroth mit warmen Sepiatönen, der letztere ein düster prächtiges Violett mit duftigem Perlgrau; bei vollkommener Ausbildung war dieser in malerischem Sinne unbedingt der grossartigste und stimmungsvollste von allen. In den meisten Fällen umgab ein zartes Rosa den aufsteigenden Erdschatten, der bald schmutzig grau, bald indigofarbig, bald grünlich angehaucht erschien, aber seinen scharfen Umriss kaum bis zu sieben Grad Höhe bewahrte. Ein nach dem Sichtbarwerden der Sterne eintretendes nochmaliges Aufleuchten des Dämmerungsbogens, wie es Herr Burkhart-Jezler in Brasilien wahrgenommen und als Abendlicht — Arrebol in Poggen- dorfls Annalen, Band 145 beschrieben hat, ist niemals wahrgenommen worden; die Dämmerung verblich ausnahmslos stetig und allmählich. Dies war das einzig Regelmässige an' dem sonst so regellosen V e rlaufe der Erscheinung, der eben darum nicht allgemein gültig dargestellt werden kann, weil dies für jeden Fall besonders geschehen müsste, ohne doch entsprechenden Nutzen zu bringen. Im folgenden Capitel, bei dem Versuche, Stimmungsbilder von der Landschaft in den verschiedenen Jahreszeiten zu entwerfen, soll der eine und andere . Sonnenuntergang eingehender, wenigstens nach seiner Farbenwirkung, geschildert werden. Dämmerungsstrahlen — ich weiss keinen besseren Namen für dieses zuweilen prachtvolle, von Reisenden merkwürdigerweise bisher kaum beachtete Phänomen — traten mehrfach auf, wenn auch nicht in solcher Häufigkeit und Schönheit, wie ich sie in anderen Tropengegenden, namentlich in stillen Ocean gesehen habe. In ihrer vollkommensten Gestalt zeigt sich diese Erscheinung an klaren, wolkenfreien Abenden folgendermassen: bei Sonnenuntergang entstehen in der von farbenreichem Licht durchfluteten Atmosphäre von Westen nach Osten sich leicht violett, oder rein hellblau, oder duftig perlgrau vom leuchtenden Hintergründe abhebende Streifen, welche gleich scharf begrenzt sind, wie die Licht- und Schattenstrahlen, die wir bei uns sehen, wenn die hinter lockerem Gewölk verborgene Sonne, nach dem Ausdruck der Landleute, Wasser zieht. Etwa zehn Minuten nach dem Verschwinden der Sonne überspannen sie das ganze Firmament, westwärts nach einem unter dem Horizont liegenden Puncte — der Sonne — ostwärts nach einen über diesem befindlichen con- vergirend und sich im aufsteigenden Erdschatten verlierend. Im Zenith besitzen die Strahlen ihre grösste Breite, während einer kurzen Zeit auch das schönste Colorit; zuweilen sind sie so regelmässig angeordnet, dass sie nach beiden Richtungen eine vollkommen fächerförmige Gruppirung von wunderbarer Zartheit und unvergleichlicher


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