Ehegatten schon seit der ersten Behandlung ein mannigfaltiges Tschlna befolgen müssen: sie haben eine Zeitlang getrennt gelebt, haben vor- schriftsmässige Wanderungen unternommen, bestimmte Orte besucht, aus dieser oder jener Quelle getrunken, in einem Wasser gebadet und so weiter. Vielleicht hatten sie das nur bis zum Erfolge zu wiederholen, teilweise als dauerndes Tschlna zu betrachten, das für das künftige Kind gleichfalls bindend sein sollte, damit es männlichen oder weiblichen Ge- - schlechtes, stark und gut werde. Um aber allen Wünschen gerecht zu werden, tut der Nganga gern ein übriges. J e nach Bang und Wohl haben heit der Auftraggeber trifft er seine Vorbereitungen mit allerhand Zauberei. Zunächst legt er den hoffenden Eltern oder der Mutter allein noch ein einfaches oder verwickeltes Tschlna auf, das bis zum ersten Schrei oder bis zum ersten Schritt des Kindes, aber auch viel länger zu beachten ist, damit das Kind gedeihen und noch Geschwister bekommen möge. Deswegen ist, falls ein Vater vor wie nach der Geburt seines Sprösslinges ein seltsames Verhalten beobachten sollte, nicht gleich an regelrechtes Männerkindbett zu denken, obschon die Sitte, die doch wohl in der Hauptsache rechtliche Anerkennung der Vaterschaft bedeutet, sich mit aus solchen Bräuchen entwickelt haben wird. Ähnlich sorgt der Berater iür den erwarteten Sprössling, für den er ein besonderes Tschlna empfiehlt. Meistens verbietet er gewisse Speisen, in der Regel das Fleisch eines Tieres oder mehrerer Tiere verschiedener Art oder nur gewisser Teile des Körpers. Manchmal verbietet er ganze Gruppen von Tieren: solche die brüten, solche die Schuppen tragen, die nackt sind, die im Meere, die in Flüssen schwimmen, die in der Luft fliegen. Oder er verbietet dazu Gruppen von Früchten: solche die an Ranken hängen oder auf Bäumen oder an Sträuchern oder einzeln oder büschelförmig wachsen. Auch mag er untersagen, dass das Kind anders als mit einheimischen Stoffen bekleidet sich dem Winde oder dem Regen oder dem Gewitter aussetze, in Regenpfützen patsche, bei Sonnenschein oder Vollmond oder bei bewölktem Himmel im Freien auf den Boden niederhocke, und was der Vorschriften mehr sind. Familien, die auf sich halten und es sich leisten können, geben bei solcher Gelegenheit zu Ehren des erwarteten Kindes ein Fest. Am Schmause beteiligen sich die Schwangere und ihre Blutsverwandten, also die Mutterfamilie, vielleicht mit Freunden. Der Nganga sorgt für die Zurichtung, zaubert und entwirft den Speisezettel. Nachher bestimmt er, was von dem Verzehrten, wie lange und unter welchen Vorbehalten, nicht mehr genossen werden soll, was für das Kind, was für die Mutter, was für die Blutsverwandten, was für die übrigen Gäste, die eine Art Patenrolle haben, tschlna sein soll. Grosse Beteiligung und gemeinsames Verhalten bringt dem Kinde Glück, Ein Verstoss dagegen, ein voller Bruch des Tschlna bringt Unglück: die Entbindung geht schlecht oder gänzlich fehl, die Mutter stirbt, das Kind auch, oder missrät körperlich und geistig, wird unbeholfen, unschön, stumm, blind, taub, dumm, schlecht, erwirbt keine Freunde. Gewöhnlich wird, wie schon angedeutet, das meiste von diesem verzwickten Tschlna dem noch ungeborenen Kinde und den Mutterangehörigen und erst recht der Gevatterschaft, nur zeitlich bedingt auferlegt, und zwar derartig, dass nacheinander die Vorschriften erlöschen, wie gewisse Ereignisse eintreten. Dem Kinde mag zum Beispiel eine Frucht verboten sein, bis sie an einem bei der Geburt gepflanzten Baume gereift ist. Seetiere dürfen erst gegessen werden, sobald der Knabe beschnitten worden ist oder das Mädchen menstruiert hat. Was fliegt, ist verboten bis zur Heirat oder bis das Mädchen Mutter, der Knabe Vater geworden ist. Und so fort, bis zuletzt vielleicht nur noch Ziegenfleisch oder grüner Mais oder die Spitze der Maniokwurzel tschlna ist und auch für das ganze Leben bleibt. Die Auflagen der Blutsverwandten werden viel früher gelöst, auch die der Mutter vielleicht bis auf einen kleinen Teil. Die der Gevattern gelten überhaupt nur, bis der Säugling die Mutterbrust genommen hat, selten noch etliche Tage, Wochen, Monate darüber, bis das Kind seine Farbe hat und bei der Namengebung öffentlich anerkannt wird. Meistens werden für sie aber zu diesem Feste die Regeln bloss auf kurze Zeit erneuert. Der Erfolg stärkt den Glauben. Eine gut beratene Familie wird den Ngänga auch zum nächsten Kinde rufen. Der Meister stellt dann möglicherweise für jeden folgenden Sprössling andere Satzungen auf, weil er solches Vorgehen für wirksamer hält. Daraus ist zu ermessen, was ängstliche kinderreiche Mütter im Kopfe zu behalten und ihren Nachkommen einzuprägen haben, und ferner, wie erzieherisch das ganze System angelegt ist. Mit alledem ist jedoch die Einrichtung des Tschlna noch lange nicht erschöpft. Häufig wird eins ausgetauscht oder angenommen beim Schliessen von Blutsbrüderschaft, eines Seelenbundes. Eines erhalten auch gruppenweise zuerteilt Mitglieder von allerhand Vereinen und Geheimbünden, namentlich von Jugendklassen. Wie und wozu, das ist in einem folgenden Kapitel zu erklären. Ferner: der Verbrecher, der Ausgestossene, .der Leibeigene verliert sein Tschlna wie bei uns seinen Adel oder die bürgerlichen Rechte. E r selbst mag es ja noch in Ehren halten, aber andere kümmern sich nicht mehr darum. Der Hörige behält sein Tschlna, wenn ihm daran liegt, und wenn er nicht, wie in anderen Dingen, sich fest an seinen Herrn hängt. Aber Unfreie, die ihren Herrn beerbt haben, sowie Halblinge mit zusammengelaufenem Volk, die auf eigene Faust ein
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