Man nähert sich einem Dorfe. Der Führer weicht vom geraden Pfade ab und geleitet im Bogen zum Ziele, manchmal durch Gras und Gestrüpp. Dem Einspruch begegnet er mit dem Kufe tschlna. Wer stolz in der Hängematte reist, wird an einer Stelle ersucht, auszusteigen und eine Strecke zu gehen. E r sträubt sich, poltert, droht. Vergeblich. Tschlna. In einem Dorf, wo er gut aufgenommen worden ist, will er einer Frau ein Andenken überreichen. Ein vielstimmiges eh! tschlna, tschlna! nkäsi lemba! verboten! es ist eine lemba-Frau!'belehrt ihn über seinen Missgriff. E r langt nach einem niedlichen zutraulichen Kinde, um es zu hätscheln. Warnend tönt es sogleich: bika, blka, tschlna! halt ein! unerlaubt! Ebenso, wenn er vielleicht nach hübschen Schmuckstücken, Schnitzereien, Geflechten deutet oder greift, die Weiber öder Männer an sich tragen. Einem Begleiter bietet er von seinem Essen an. Der weicht bedauernd zurück: tschlna. E r trägt dem Diener eine Botschaft auf. Der bleibt und sendet einen anderen, ihm sind die Umstände oder ihm ist der Wohnort des Empfängers oder ein zwischenliegendes Gelände tschlna. Nicht anders ist es, wenn er jemand, der an der Tür zaudert, zu sich einlädt; wenn er selbst eine Hütte besuchen, eine Vorrichtung betrachten, eine ÖrÜichkeit untersuchen, eine Pflanzung prüfen, an einer Quelle lagern, einen Kahn benutzen, mit Häuptlingen sich irgendwo besprechen will. Tschlna! heisst es wer weiss wie oft. So geht es fort, je nach seinem Tun und Lassen und nach den Verhältnissen, wobei nicht immer ausgeschlossen ist, dass das Tschlna bloss vorgeschoben wird, weil es gerade so passt und eine gute Entschuldigung ist. Tschlna, der Plural blna wird kaum gehört, bedeutet hauptsächlich Verbot, Verbotenes, das Verbieten, manchmal auch Gebot, also im ganzen etwa Verordnung, Eegel, Vorschrift, Unverletzlichkeit; es bedeutet gleichfalls Erlass, Gesetz, wofür aber im Lande gewöhnlich mukäka, plur. mikäka und noch anders gesagt wird. Am passendsten können wir für das Hauptwort wohl Satzung, Auflage setzen. Europäer führen als gleichbedeutend das Wort kissüle oder keschila und keslla an, und im Verkehre mit ihnen gebrauchen es bisweilen die Bafiöti, um sich verständlich zu machen, wie sie auch vom Warenmagazin als vom Fetisch reden, lehnen aber sonst den Ausdruck als portugiesisch ab. Im Süden des Kongo, an der Kongoküste, wo ich das Wort nicht hörte, soll es keslle lauten. Unsere aus dem Hinterlande Benguelas (sprich Bengelas) eingeführten Leute betonten es kislla und liessen es nur teilweise sich mit tschlna decken. In Loängo, wo es vergessen sein mag, würde es tschislla lauten und könnte entstanden sein aus tschi- nslla: zum Wege gehörig, für den Weg, auch gegen gesperrte oder verlegte Pfade, und bezeichnete dann einen Weg-, Wander- und vielleicht auch Handelszauber für glückliche Reise und Heimkehr. Leider habe ich von Sinkimba nicht erfragt, ob sie den Ausdruck in diesem Sinne anwenden. Vermutlich hatten die Bafiöti vormals so viele Ausdrücke wie Arten von Satzungen und Auflagen, von denen sogleich zu handeln sein wird, und vermehrten sie nach Bedürfnis. Neben tschlna sind es Ausdrücke wie tschimpängu, tschinkönko, lemba, lünga, nlöngo, lubiku, luwllu, mwlla. Ab und zu taucht beiläufig noch die eine oder die andere Bezeichnung auf. Aber wenn man ihrer besonderen Bedeutung nachspürt, gerät man ins Ungewisse und stösst zuletzt auf das Tschlna, womit dann alles erklärt sein soll. Den Leuten genügt jetzt eben unterschiedslos für alles das eine Wort, und daran haben wir uns zu halten. Schon der alte Battell sagt: Ein jeder hat sein Kin. Jetzt würde er eher melden: Ein jeder hat seine Kins. „Kin,“ erklärt Battell, „ist der Name von ungesetzlichem und verbotenem Fleisch, das, entsprechend jeder Gemeinschaft Glauben, in manchen Familien irgendeine Art Fisch, in anderen Huhn, in anderen Büffel und so fort ist.“ E r erzählt ferner, dass, wenn jemand, selbst unwissentlich, von seinem Kin gegessen hätte, er an seinem Schuldbewusstsein und aus Angst vor dem Zorne des Mokisso sterben würde. Leuten, die bei ihm gegessen hatten, redete er manchmal ein, sie hätten von ihrem Kin genossen, bis er sich an ihrer Todesangst genug ergötzt hatte und ihnen dann das Gegenteil versicherte. Bemerkenswert für unsere Untersuchungen is t, dass Battell ausschliesslich von verbotenem Fleische sowie vom Mokisso, vom Zauber, Fetisch berichtet. Wahrscheinlich war tschlna der ursprüngliche Ausdruck für älteste ererbte und bedeutsamste Satzungen, hat aber allmählich Geltung auch für spätere Zutaten erlangt und endlich die erwähnten besonderen Ausdrücke verdrängt. Nicht ganz grundlos, wie bald zu erweisen sein wird. Die Einrichtung ist mannigfaltig erweitert, übertrieben worden. Sie umfasst jetzt viel mehr als Fleischverbote und sozusagen Wappentiere oder Symbole, mag allerdings schon zur Zeit Battells nicht darauf beschränkt gewesen sein. Schliesslich haben die Eingeborenen die einstige Bedeutung, den tieferen Sinn des Überlieferten teilweise vergessen, in ihrem Wust von Fetisch, Zauber und Tschlna begraben. In vielen erst erworbenen Einzelheiten der persönlichen Dinge können die Leute allerdings Auskunft geben, wann, wo und warum ihnen dieses oder jenes auferlegt worden ist. Aber über Grund und Entstehung der Einrichtung überhaupt und besonders über älteste ererbte Verbote und Auflagen, die im totemistischen Sinne aufklären könnten, wissen sie kaum Brauchbares. Sie meinen, dieses oder jenes Tier, diese oder jene Pflanze, ein Gestirn, eine Erscheinung habe einst die Aufmerksamkeit, das Wohlgefallen der Vorfahren erregt, sei ihnen einstmals nützlich oder
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