454 Wunderfett und Wunderwasser. Die reisenden Wundertäter sammelten im Laufe der Zeit nicht bloss Reichtümer, sondern gewannen auch zahlreiche Anhänger, die als Gefolge mit ihnen .wanderten oder vor ihnen herliefen und ihren Ruhm verkündeten. Wie es aber in menschlichen Angelegenheiten zu gehen pflegt so auch bei dieser neuen Narrheit. Zweifler, Neider und rührige Gegner konnten nicht ausbleiben. Gesalbte Leute, die sich gefeit wähnten, wurden übel enttäuscht, und schrieen nun auch wider die Zauberer. Der Wunderglaube verlor an Kraft. Desto anmassender mochten sich die Bangänga mit ihrem Anhänge gebärden. Beherzte Grossleute, die wohl fürchteten, dass die allenthalben einreissende Unordnung bald nicht mehr einzudämmen sein würde, verboten ihnen das Betreten ihrer Erde. Da sie sich daran nicht kehrten, kam es zu Zusammenstössen. Blut floss, Leute wurden pingebracht, mitgeführte Güter listig oder gewaltsam erbeutet. Das Gefolge begann sich zu verlaufen. Im Norden des Landes, zwischen Kunkuäti. und Buässa, ereilte den Rest der nach Yümba ziehenden Wundertäter die Vergeltung. Das Volk fiel über sie her, raubte sie aus und schlug sie tot bis auf einen, der ins Dickicht kroch. Wie üblich wurde darauf das Gebiet für jeglichen Verkehr gesperrt. Das begab sich im März 1876, als ich in Yümba weilte. Nicht einmal unser Briefbote, der von der Bai längs des Strandes nach Süden trabte, eine den Eingeborenen unter allen Umständen unantastbare Pe rson, wurde durchgelassen. Alle Pfade waren geschlossen, E r kehrte unverrichteter Sache zurück, brachte aber den letzten der Wundertäter mit, der ihn unterwegs um einen Mundvoll Essen angebettelt hatte. In einer Faktorei, die man eben ausräiimte, um sie auf unbestimmte Zeit zu schliessen, fand der Mann Unterschlupf. Natürlich wurde das ruchbar, und die Umwohner beantragten seine Auslieferung. Während hinten im Hofe verhandelt wurde, liess man ihn vorn heimlich in einem beladenen Boote an Bord des in der Bai ankernden Schiffes entweichen. So gelängte er ausser Landes und schliesslich nach Süden an die Kongoküste. Dort hat den Entflohenen die Erinnerung an den einträglichen Ver- schleiss von Mänsis Fe tt mutmasslich nicht rasten lassen. Als ich ein halbes Dutzend Jahre später wieder die Südküste besuchte, erfuhr ich von einem seltsamen Ereignis, das die Gemüter zu erregen begann. E s zeigte eine verdächtige Ähnlichkeit mit den geschilderten Vorgängen. Ndungüsi, ein alter Bekannter, erzählte mir in Kinsembo voller Eifer, dass bei Ambriz sich folgendes Wunder begeben hätte. Ein seltsames, noch nie gesehenes Seetier war am Strande aufgetaucht und war von beherzten Leuten gegriffen worden. Da hatte es angehoben jämmerlich zu schreien, zu reden und zu bitten, um freigelassen zu werden. Daiür hatte es den Leuten Wasser von unvergleichlicher Heilkraft gegeben. Ein Tröpflein davon, auf die Zunge getupft und verschluckt, bewahrte Ndungusi. Bastian. Tschina. 455 fortan gegen alles Übel. Ein Tröpflein davon, auf dem Körper eines Kranken, auf einem leidenden Gliede nach Vorschrift verrieben, heilte alle Gebrechen. Ndungüsi hatte selber gesehen, wie ein Mann, der an. gehumpelt kam, nachher auf gesunden Beinen von dannen lief. Sogar ein Gestorbener sollte lebendig gemacht worden sein und munter wieder seinen Verrichtungen nachgehen. Mein braver Gewährsmann, ein Nachfolger der alten Pombeiros und Mitglied der Nklmbagilde, wird mit seinen Bundesbrüdern nicht wenig geholfen haben, die Kunde von der erstaunlichen Begebenheit nach dem Inneren zu verbreiten. Kurzum, das neue Wunder schlug ein. Die köstliche Flüssigkeit wurde niemals alle, die Flasche, worin man sie bewahrte, blieb immer voll. Wie einst mit Mänsis F e tt an der nördlichen Loängo- küste entwickelte sich bald ein schwunghafter Vertrieb des Wassers im alten Kongoreiche, der nach Jahren noch weithin im Lande ausserordentlich erfolgreich war. Ndungüsi war der nämliche Eingeborene, dem Adolf Bastian, welcher ihn Gouchi nennt, im Jahre 1857 sich anvertraute und der ihn so brav ins Innere nach Ambäsi geleitete. E r betrachtete sich, im Bewusstsein seiner geleisteten Dienste und der ihm gezollten Anerkennung als allen Reisenden besonders empfohlen und rechnete selbstverständlich auf Ehrengeschenke. Alt und grau war er geworden, aber noch rüstig. Von ihm, der mit seinem stattlichen Sohne eben eine grosse Elfenbeinkarawane zur Küste gebracht hatte, erfuhr ich vom Verbleib eines denkwürdigen Papieres. Nämlich des Stückes von Landers Porträt, das Bastian damals aus dem Buche gerissen und gleichsam als Erkennungszeichen dem Könige von Ambäsi oder Kongo verehrt hatte. Dieses Papier, inzwischen in die Hände eines anderen Mächtigen, des sogenannten Marquis von Katende, des späteren Königs Dom Pedro gelangt, wurde von diesem 1859 Mon- teiro in Bsmbe als ein wichtiges Stück vorgewiesen. Als Monteiro 1873 zum letzten Male, und zwar mit seiner Frau Rose einer Engländerin, wegen ihrer schönen blonden Haare damals noch unvergessen bei den Schwarzen — nach Bemhe reiste, war von dem Papiere nicht mehr die Rede. Dr. Richard Büttner fragte 1885 in San Salvador vergeblich danach. Kein Wunder, denn zu meiner Zeit diente es Ndungüsi als Geleitsschein, als Königszeichen. Sicherlich wird es auch in Zukunft wieder auftauchen und noch manchen Europäer an vergangene Zeiten, an die Zeit unbefangener Forschung gemahnen. — Tschina! Kein Wort tönt dem Fremdling im Verkehr mit den Eingeborenen so oft entgegen wie dieses. Vielleicht bereitet auch keines einem Reizbaren mehr Ärger. Tschina ist gleich zu achten dem bekannteren Tabu des Völkerkreises im Stillen Ozean, wird aber umfassender angewendet.
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