Page 398

27f 32-2

lehnt er entschieden ah. E r traut der Sache nicht und gesteht, des Weissen Zauber sei für ihn zu stark, er sei überdies gar nicht vorbereitet. Dabei bleibt er, auch wenn ein Eingeborener mit seiner Flinte schiessen soll. Der Zauber des Anstifters könnte ja wer weiss wie wirksam bleiben. So verliert der Zaghafte nicht den Glauben an sich selbst, und das Yolk begreift seine Weigerung, obschon nicht immer unbedenklich, denn man redet ihm dringend und schadenfroh zu. Die umfassendste und sicherlich am häufigsten verlangte Tätigkeit entfalten die Bangänga in der Heilkunst. J e nach den angewendeten Mitteln zerfällt die Zunft, wie schon erwähnt, in zwei Abteilungen: in wirkliche Zaubermeister und in Arzneimeister, die wiederum, wenigstens in wichtigen Fällen, als Spezialisten für innere Mittel, für äussere Mittel, als Wundärzte und Knochensetzer auftreten. Natürlich sind sie nicht immer einer Ansicht. Sie streiten, beschuldigen sich verfehlter Eingriffe. Jeder ist der Klügere, wie das so unter Menschen zu sein pflegt. Die Arzneimeister sind Arzte in unserem Sinne, und wenn sie auch meistens der gleichzeitigen Anwendung zauberischer Kunstgriffe, ihrer Patienten wegen, nicht entraten können, so wissen sie doch mit bemerkenswertem Geschick Schäden und Krankheiten zu bekämpfen. Sie haben ganz gute Heilmittel. Ihre Einsicht in anatomische Verhältnisse, die übrigens schon durch das Vorhandensein eines überraschend reichen Wortschatzes im Munde des Volkes bewiesen wird, ihr Wissen von den Verrichtungen innerer Organe haben uns oft in Erstaunen gesetzt. Unter diesen Heilkünstlern gibt es auch häufiger weibliche als unter den reinen Zaubermeistern, doch sind sie meistens Hebammen oder spielen mehr die Rolle der dem schwachen Geschlechte so unentbehrlichen weisen Frauen. Die Berufsübung des Ngänga milöngo erscheint als eine so einfache und natürliche Sache, dass davon kaum ein Aufhebens gemacht wird. Den Arzt bedroht ja nichts als höchstens ein Palaver wegen einer verfehlten Kur. E r schreibt Diät vor, reicht Tränklein und Pulver, lässt schwitzen, verordnet eine Luftveränderung, massiert, schröpft, schneidet, schliesst Wunden und entfernt Geschosse aus ihnen, richtet und schient gebrochene Glieder. Was ist da weiter dabei? Was will sein oft unleugbarer Erfolg bedeuten neben der Tätigkeit der echten grossen Zaubermänner? Die haben mit harter Mühe und grossem Fleisse ihre Gelehrtheit auf regelrechte Weise erworben und durch eigene Forschungen fortbilden müssen. Die sind unergründlich tief in die Wissenschaft von der Schwarzkunst und der Weisskunst eingedrungen, die hantieren mit äusserst gefährlichen Kräften und kämpfen mit Einsetzung der eigenen Persönlichkeit gegen alle Schrecknisse, gegen das unheimliche, in verschiedenartigster Weise wirkende Böse im Diesseits und Jenseits. Dagegen schützen weder Tränklein noch Pulver noch Handgriffe. Deshalb wird, wenn der Ngänga milöngo nicht hilft, der überlegene Ngänga mkissi gerufen, und wenn der nichts vermag, das heisst, wenn die einander ablösenden Spezialisten ratlos sind, alsdann ist der Fall hoffnungslos. , Was ist den Leuten Krankheit? Sie unterscheiden vielerlei Zustände des Befindens und verfügen über eine Menge von Bezeichnungen für Leiden leichter und schwerer Art. Aber sie stellen sich selbst die schlimmsten Krankheiten, die verheerendsten Seuchen nicht als selbständige oder persönliche durchs Land ziehende Wesen vor. Der Sprachgebrauch könnte freilich zu dieser Annahme verleiten. So, wenn Nsämbi erst die Krankheit und dann das Sterben gleichsam als Sendboten zu den Menschen schickt. So, wenn gelegentlich gesagt wird, eine Krankheit esse die Menschen auf, komme, gehe, lebe, sterbe, werde vernichtet. Aber deswegen denken sich die Leute Krankheiten ebensowenig personifiziert wie den Pfad, von dem sie sagen, er sei gestorben, weil er nicht mehr benutzt wird, oder wie unsere Soldaten den Urlaub, von dem sie, abschlägig beschieden, klagen: mein Urlaub ist verreckt. Das ist reizvolle volkstümliche Ausdrucksweise, in die man nicht hineindeuten darf, was denen, die sie anwenden, fernliegt, ihnen nachher durch uns vielleicht erst beigebracht wird. Auf mancher Entwicklungsstufe, die nicht einmal höher zu sein braucht, mag vieles vorstellbar geworden sein und bildlich wiedergegeben werden, was für Menschen von anderer Geartung in solcher Form unfassbar ist, zum Beispiel Plagegeist, Tod, Krankheit, Krieg, Sorge, Freude, Glück. Man prüfe unser Landvolk. Selbst unsere Künstler schaffen mit klassischen Anleihen. Nicht an Ausdrucksmitteln fehlt es, sondern an gestaltbaren Vorstellungen. Nicht alles muss ursprünglich anthropo- morphisch gedacht werden. Daher ist es bedeutsam, dass bei den Batiöti, die alles mögliche .mit Lust anschaulich, besonders als Schnitzerei darstellen, keinerlei Bildwerk von einer Krankheit oder vom Tode oder von Unholden zu finden ist. So oft ich eine Zeichnung unseres Todes vorwies und die Bedeutung erläuterte, machte das gar keinen Eindruck. Ein Gerippe, sagten sie einfach, die Knochenreste eines Menschen. Sie wissen ja auch nur die allerwenigsten ihrer Gespenster und Unholde, und selbst die nur recht unvollkommen zu beschreiben, die,- es sei wiederholt, niemals Elementargeister, sondern, wenn nicht umherspukende Schwarzkünstler, stets Seelen von gewesenen einheimischen oder fremden Menschen und allenfalls von Tieren sind. Demnach sind den Bafiöti Krankheiten an sich nicht eigenmächtige Wesen, die in bestimmter Gestalt würgend oder peinigend umherziehen. Sie kennen nur Ursachen als Träger und Erreger von Leiden. Sie behaupten, dass irgend etwas den Menschen befalle, in ihn hineinfahre,


27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above