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alte Frau, die vorhin die grosse Rede hielt, scheint ihr Ratschläge zu erteilen. Der eisgraue Dorfherr, kommt aus seiner Hütte und steht, eine stattliche, die gewöhnliche Grösse überragende Gestalt, auf seinen langen Stab gelehnt eine zeitlang unter dem jungen Mangobaum vor seiner Tür. tauscht einige Grüsse aus und verschwindet dann wieder. Ihn plagen arge Gliederschmerzen. Im Dorfe wird es stetig voller und lebhafter. Ein Dutzend Leute, lange Palmblattkörbe auf den Köpfen tragend und Eiegen mit sich führend, steigen den Hügel herab, um in der nahen Faktorei Tauschhandel zu treiben; sie grüssen, schauen, fragen und ziehen weiter. Junge Männer mit Flinten gehen vorüber, Mädchen und Frauen im Putz, alte Männer mit Fetischbündeln, Grosstuer und geschniegelte Dorflöwen schreiten selbstbewusst, bedächtig, lässig oder schäkernd die Pfade daher und mischen sich in das Gewühl. Man sieht sich und vergnügt sich. Wer raucht, muss unter dem Winde bleiben. Ein lustiger älterer, mit gewaltigem Ritterschwerte bewaffneter Mann kommt des Weges, abgebrochen singend. Laut schallend ruft er die Versammlung an, erhält vielstimmige Antwort, schreit drollig auf, packt seinen Zweihänder und schwingt ihn ringsum sausend durch die Luft. Gelächter und Geschrei belohnt sein Gebaren. E r schultert seine Waffe, grüsst und geht weiter. Bald nachdem die Angeklagte den Best des Griftes genommen hat, schleppen die Bangänga zwei grössere Fetische herbei und stellen sie mitten auf den Dorfplatz: den menschenähnlich geformten Tschitölo und das doppelköpfige Flusspferd Maläsi. Dorthin hat die Angeklagte zu folgen, wird befragt, antwortet und setzt sich dann mit untergeschlagenen Beinen den Fetischen gegenüber auf ihre Matte, nach Anleitung mit halb ausgestreckten Armen und leicht geöffneten Händen, als wollte sie eine Gabe empfangen. Einige der Bangänga blasen gelegentlich auf einem grossen Antilopenhorn und auf einer kleinen Pfeife, schwingen Zauberrasseln, trippeln um die Fetische, rufen, brechen dann plötzlich ab, lachen und schwatzen mit Umstehenden und rauchen ein paar Züge aus den Stummeln Bekannter. Als sich bei der Angeklagten Übelkeit einstellt, werden die Zuschauer aufmerksamer. Sie räumen den Dorfplatz und lagern sich im Schatten der Hütten und Bäume. Heben einer Wohnstätte bilden festlich gekleidete Mädchen eine malerische Gruppe. Die satten Farben der bunten faltigen Stoffe stimmen gut zur dunkeln Haut. Sie plaudern, scherzen, kichern, die fröhlichen Augen glänzen, die weissen Zähne schimmern. Sicherlich tauscht das übermütige Völkchen Bemerkungen über Anwesende aus, besonders über einen wilden Gigerl, der an Aufmachung und Haltung zivilisierten Genossen nicht nachsteht. Ein Mädchen, auf einer Matte hingestreckt, das blaue Gewandtuch nachlässig zurückgeworfen , erinnert überraschend an Correggios büssende Magdalena. Nahebei hält eine junge Mutter ihr Kleines und bedeutet es, mit der Hand zeigend: Nkässa, Nkässa. Etwas abseits sind zwei niedliche Kinder emsig beschäftigt, Palmnüsse zwischen Steinen aufzuklopfen und die Kerne sorgfältig zu sammeln; zeitweilig blicken sie lieb und verständnislos über den Platz. Vor einer müssig sitzenden Kindergruppe steht ein junges Ding und knotet eifrig an einem feinen Flechtwerk. Ein anderes kleines Mädchen setzt sich harmlos neben die Angeklagte und schaut unverwandt den weissen Mann an. Jetzt stapft auch ein Ziegenbock über den Platz, sieht sich um, geht neugierig zu den Zauberbildern und beriecht sie, beleckt sogar wiederholt den Maläsi, ohne verscheucht zu werden. Ebenso wird geduldet, dass das drollige Tier, nachdem es den Fetisch unschmackhaft befunden hat, sich behaglich zwischen beiden Bildwerken niedertut. Der vermeintlichen Hexe ist es ersichtlich sehr übel zumute. Eine halbe Stunde nachdem sie die letzte Gabe des Giftes genommen hat, erfolgt heftiges Erbrechen von gelbem Schleim in ziemlicher Menge. Jetzt sind die Zuschauer sehr gespannt. Sachverständige betrachten den Auswurf und entscheiden: es ist kein Nkässa. Auf den Rat der sich um sie bemühenden alten Rednerin, steht die Frau auf, schüttelt sich, geht hin und her, wirft mehrmals beide Arme zugleich vorwärts wie im Faustkampfe und streckt die Beine stramm wie beim Parademarsch. Sie ist noch kräftig, spricht mehrmals mit sicherer Stimme zu Umstehenden und setzt sich wieder. Darauf verhandeln die meisten Anwesenden wieder miteinander, plaudern, rufen über den Pla tz , antworten und lachen. Manchmal schwillt der Lärm derartig an, dass einige Alte zur Ruhe mahnen, aber nur kurzes Gehör finden; bald wird es wieder laut und lustig, als ob nichts Ernsthaftes vorginge. Die Irrsinnige des Nachbarortes, ein zusammengedrehtes Grasbündel wie ein Kind im Arme tragend, drängt sich mehrmals heran. Sie tanzt, lacht gellend auf und stösst mit kreischender Stimme einen unverständlichen Wortschwall aus. Niemand hindert sie. Bei einer raschen Wendung fährt sie dem nächsten Ngänga mit ihrem Graswisch so derb übers Gesicht, dass er zurückprallt und strauchelt. Darob Gelächter ringsum und allerlei Witze, die immer neue stürmische Heiterkeit erwecken. Vierunddreissig Minuten nach dem ersten Erbrechen erfolgt ein zweites, heftiger als vorher und gelben Schleim in reichlicherer Menge fördernd. Die Frau besteht die Probe zweifellos, obwohl sie jetzt angegriffen erscheint und mit unsicherer belegter Stimme spricht. Sie erhebt sich, geht umher und erholt sich zusehends. Kein Nkässa behaupten die Bangänga, rufen einige Männer herbei und besichtigen den Auswurf. Einer


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