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stärksten und wirke verschieden rasch, je nachdem man Rinde von der nach Aufgang oder nach Untergang der Sonne weisenden Stammesseite und des Morgens, des Mittags oder des Abends abtrenne. Rindennarben, es waren etliche alte und eine neue, fanden sich jedoch ausschliesslich, an der Nordseite des Stammes. Sonnenstrahlen konnten in diesem Teile des Waldes überhaupt nicht durch das Laubdach dringen. Später erfuhr ich noch, dass die Zaubermeister mindestens zu zweien und mit allen ihren Fetischen zu dem Baume gingen, aus Vorsicht, um die Luft zu reinigen, Fackeln anzündeten und beim Ablösen der Rinde ein Stück. Zeug über den Kopf bänden oder Masken trügen. Auch pflegten Bie sich dem Stamme nur in vorgeschriebener Haltung des Körpers zu nähern und rückwärts schreitend sich von ihm zu entfernen. Vorher müssten sie sich vierundzwanzig Stunden lang des Weibes und des Rums enthalten und unbekannte Gebräuche verrichten. Sonst kämen sie zu Schaden und die Kraft der Rinde wäre nicht angemessen wirksam. Unser Giftbaum trug auf einem etwa zwanzig Meter hohen, astfreien Schafte einen breit ausgelegten, von Inanen, namentlich von einer sehr starken, schön blühenden Aristolochia triactinia durchschlungenen Wipfel. Unten an einer Wurzelstrebe hatte sich ein drei Meter hoher Schössling entwickelt. Hie braune, ziemlich glatte und, wie das feine weisse Holz, widerlich riechende Rinde war reichlich einen Zentimeter dick. Ich löste von ihr mehrere grosse Stücke, deren Echtheit ich später aus Vorsicht noch mehrmals erprobte, und trennte den Schössling ab. Auf anderen Wegen geleitete mich der Führer eilig wieder zurück. Meine Beute musste ich selber tragen, da keiner meiner drei Begleiter sich dazu verstehen wollte, Nkässa auch nur zu berühren, selbst mein Ndembo- nicht. Nach Jah r und Tag, als ich mit ihm allein wieder den Giftbaum besuchte, der übrigens keine neuen Narben zeigte, nahm er ohne Zögern ein grosses Rindenstück aus meiner Hand und brachte es in der Sammeltasche unter. Es war eben niemand weiter dabei, auch kannten wir nun einander besser. Bei der Giftprobe wird die Rinde selbst verwendet, und zwar im getrockneten Zustande, jedenfalls nicht ganz frisch, denn sonst wäre sie zu zähe für die vorschriftsmässige Zurichtung. Sie wird in der Sonne gedörrt, zerbröckelt, zerklopft und schliesslich zwischen Holzplatten zu einem widerlich riechenden Pulver zerrieben, das hell gebranntem gemahlenem Kaffee gleicht. Bei dieser Arbeit sollen die Bangänga wunderliche Gebräuche beobachten, sowie Tücher vor das Gesicht binden oder Masken tragen. Von dem Pulver werden ungefähr drei Esslöffel voll eingegeben. Rasches Ausbrechen der unveränderten Masse tut die Unschuld des Angeklagten glänzend dar. In zweifelhaften Fällen wird, wie beim Mbündu- trinken, die Probe wiederholt und durch allerlei Zauberspuk verschärft. Es liegt auf der Hand, dass das Pulver in verschiedenen Dosen eingegeben, durch Auslaugen seines Giftes beraubt, durch Beimischen ähnlicher aber harmloser Rinde gefälscht, ja sogar gänzlich durch andere Stoffe ersetzt werden kann. Durch Hinzufügen eines Brechmittels mag ein rasches Auswürgen befördert werden. Da rechtschaffene und unbeteiligte Beisitzer zur Überwachung der Probe nicht herangezogen werden, ist zu vermuten, dass mancherlei Betrug verübt wird. Im Volke raunt man davon, doch weiss man sich nicht zu helfen. Die Uneinigkeit der wetteifernden Zauberer, die sich gegenseitig auf die Finger sehen, die Berufung entfernt wohnender Meister bieten die einzige, freilich unzureichende Sicherheit. Die Ansichten der Bafiöti über die Wirkung des Giftes laufen darauf hinaus, dass im Ndödschi Böses sei. Das Gift suche dieses Böse auf, zerstöre es, und töte dabei die Person. Wo kein Böses, da keine Wirkung des Giftes. Die Durchführung der Giftprobe, und zwar mit Nkässa, habe ich nur einmal beobachten können. Leider war ich erst so kurze Zeit im Lande, dass mir unter der Fülle neuer Eindrücke manches Wesentliche entgangen sein wird und vieles mir unverständlich blieb, das ich später auch nicht völlig aufzuklären vermochte. Der Fall, der eine lange Vorgeschichte hatte, trug sich folgendermassen zu. Zwei junge Leute, beide von guter Familie, hatten sich geheiratet. Als der Mann einen Vertrauensposten in einer Faktorei erhielt, siedelte das Ehepaar in ein benachbartes Dörfchen über, wo die Frau fremd war. Das mochte mit den Bewohnerinnen des Weilers zu allerlei Unzuträglichkeiten führen, die vielleicht dadurch gesteigert wurden, dass die junge Frau besser als andere gestellt war, dass sie eigene Leute, hübsche Kleidung besass und, von ihrem Manne wohl versorgt, recht behaglich lebte. Unter den Widersachern ta t sich eine Frau hervor, die, soviel ich begreifen konnte, ihre stattliche Tochter lieber an der Stelle der anderen gesehen hätte. Verschiedentlich kam es zu Reibereien und scharfen Worten, die dem Dorf klatsch neue Nahrung boten. Die junge Frau mochte sich unter solchen Verhältnissen nicht wohl fühlen, sie würde elend und fing an zu kränkeln. Nicht lange, und es kam auf, dass sie an der als ansteckend sehr gefürchteten und für unheilbar gehaltenen Schlafsucht oder Schlafkrankheit leide. Ihre Behausung wurde gemieden, und die Dörfler forderten, dass die Fremde zu ihrer Familie gebracht werde. So geschah es. Bangänga waren von nah und ferne herbeigerufen worden, doch erwiesen sich alle ihre Künste nicht stark genug, die Krankheit zu heben. Der Zustand der Leidenden verschlimmerte sich stetig. Da kam denn der Gedanke , an böswilligen Zauber auf. Vielleicht lenkte die Kranke


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