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Wasser übergossen, das umgerührt eine rote Färbung annimmt. In den Magen gelangt, soll das Gift bald derartig auf den Sphincter uretlirae einwirken, dass der Schuldige die Herrschaft über ihn verliert. Über den Verlauf der Probe lauten jedoch die Angaben gerade entgegengesetzt. Dapper und namentlich Battell führen an, dass der Unschuldige sein Wasser wie gewöhnlich abzuschlagen vermöge, während der Schuldige höchstens einige Tropfen herauspressen könne, umfalle und unter Krämpfen sterbe. Uns bot sich keine Gelegenheit, die Wirkung des Mbündu zu beobachten. Von verschiedenen kundigen Eingeborenen in Yümba ist mir übereinstimmend folgendes erzählt worden: AVer Mbündu getrunken hat, muss sich mit gekreuzten Beinen niedersetzen. Ist er schuldig, so beginnt er bald zu zittern und wird von Krämpfen befallen. Dann hat er aufzustehen, wobei man ihn unterstützt, wenn ihm die Beine schlottern, hat über kreuzweis gelegte Mbünduwurzeln zu schreiten und dabei zu rufen: ich ta t es nicht. Da wirft er plötzlich die Arme hoch, stöhnt, lässt massenhaft roten Urin, fällt zu Boden, streckt sich und stirbt. Der Unschuldige aber bleibt bei Kräften, erhebt sich allein, schreitet ruhig über die Mbünduwurzeln hin und zurück, lässt auf Geheiss einige Tropfen Urin, und ist gerechtfertigt. Ausgelernte Hexen nehmen ein Gegengift, das sie vom Rücken eines in den Vollmondschein gehängten Frosches, den sie mit Mbünduwurzel streichen, gewinnen. Dann wirkt der Trank nicht oder wenigstens nicht zweifellos. Die Probe muss wiederholt werden und verläuft nicht so einfach. Man nimmt vielerlei Fetische zu Hilfe und verfügt sich an den Ort, wo ein Hauptfetisch untergebracht ist, in den wichtigsten Fällen zu dem Seite 378 beschriebenen mächtigsten des Landes, zum Mkissi Mböyo. Der Verdächtige wird mit Mbünduwurzeln berührt oder gerieben, muss über andere, die zwischen Fetischen gekreuzt auf der Erde liegen, hin und her schreiten sowie dabei unter Ruten und Fransenschnüren hindurchkriechen, oder an den Enden der Bahn stehende abwechselnd berühren. Während dies geschieht, wird eifrig getrommelt. Für ein schlimmes Merkmal gilt es, wenn er bei dieser Prüfung an die Wurzeln stösst, wenn er stolpert, überhaupt die Herrschaft über seine Beine verliert und, wie es die Leute mir vormachten, in den sogenannten Habntritt oder in einen schlotterigen Stechschritt (Westphalsches Zeichen?) verfällt. Schliesslich hat er auf ein schräg untergehaltenes Bananenblatt in kurzen Pausen drei Spritzer klaren Urins zu entleeren, die man längs der Blattfläche rinnen lässt. Bestehen trotzdem noch Zweifel, so muss er noch dreimal mit Anlauf der Länge nach über das nämliche Bananenblatt springen und ebensooft rufen: ich ta t es nicht. Bisweilen sollen nicht die drei Sprünge gefordert werden, sondern das Umhüpfen des Bananenblattes auf einem Beine. Diesen stärksten Proben vermag selbst der kundigste Ndödschi nicht zu genügen. E r beginnt zu zittern, stiert wild um sich, schwankt, strauchelt, lässt roten Urin in Menge von sich und fällt sterbend zu Boden. Ihm ist die Seele seines Opfers erschienen. Der Unschuldige aber besteht alle Proben, wird in festlichem Zuge von Angehörigen und Freunden herumgeführt, und ist für alle Zukunft gegen den Verdacht gefeit, ein geborener Ndödschi zu sein. Die Mbünduwurzel muss frisch verwendet und von den Angeklagten im Beisein der Bangänga eigenhändig aus dem Boden gezogen werden. Dem Glauben nach ist das Gift bei wachsendem Monde am stärksten. Die nach dem Angeführten sich direkt widersprechenden Angaben über die Wirkungen des Giftes auf den Organismus, Verkrampfung oder E rschlaffung des Schliessmuskels, konnten nicht aufgeklärt werden, weil die nach Berlin geschickten Wurzeln nicht beachtet worden sind und später nicht mehr aufzufinden waren. Glücklicher hat es sich mit dem Nkässa geiügt. Professor Liebreich hat mit den eingesandten Stücken Versuche vorgenommen ( I I I 187) und nachgewiesen, dass das Gift in verhältnismässig kurzer Zeit absolute Lähmung des Herzens herbeiführt. Das Nkässa stammt von dem gleichnamigen Baume (Erythrophleum guineense), der, im Hochwalde auf feuohtem Boden heimisch, eine bedeutende Grösse erreicht. Der Baum soll im Vorlande sehr selten, im Gebirge, wo ich ihn nicht finden konnte, häufig sein. Niemand mag jedoch mit ihm zu tun haben, woher es vielleicht kommt, dass er für seltener gehalten wird, als er ist. AVir haben drei dieser Bäume gesehen, wovon einer ungefähr anderthalb Stunden ostwärts von Tschintschötscho, in einem feuchten, walderfüllten Tale wuchs. Da der Giftbaum, wie die Bafiöti sagen, tschlna ist, was übrigens in diesem Falle nicht allzustreng genommen werden darf, so kostete es nicht geringe Mühe, den ersten kennen zu lernen. Es gelang mir nur mit Hilfe eines einflussreichen Häuptlings, der zwar selbst den Standort des Baumes nicht kannte, mich aber in der Stille und mit Umgehung aller AVohnsitze durch einen seiner Leute, einen Ngängazögling, hingeleiten liess. Um meiner Sache ganz sicher zu werden, schnitt ich in die Rinde und tat so, als wollte ich vom Safte, der dick und klebrig aus der Verletzung drang, kosten, und war einstweilen befriedigt, als mein Führer mit Zeichen des Entsetzens mich daran hinderte. E r erzählte eifrig, der Baum bringe niemals Bluten oder Früchte; schon die Luft um ihn sei vergiftet; wer unter ihm schlafe, erwache niemals wieder; kein Besucher, er sei denn ein Ngänga, vermöge ihn wieder aufzufinden — welche Behauptung sich an mir nicht bewahrheitete. Ferner: das Gift sitze in der Rinde, sei bei wachsendem Monde sowie in frischem Zustande am


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