416 Anklagen gefährlich. Giftproben bedenklich. Junge bis nach England gereist war, sich am liebsten Jack Knife nennen hörte, tötete in der ersten Wut auf der Stelle einen ihn gar zu dreist der Hexerei beschuldigenden Nganga und erklärte sich sofort mit Einsetzung seines Vermögens zur Giftprobe bereit. Eür den Totschlag musste er eine hohe Busse an die geschädigte Familie zahlen, wurde jedoch sonst nicht weiter behelligt. E r besuchte unser Gehöft von Zeit zu Zeit und hat mich über manches gut belehrt, erwies sich indessen als einer der ärgsten Zaubergläubigen, die mir vorgekommen sind. Von Fetischen schleppte er stets eine tüchtige Last mit sich herum, und daran hängend ein schweres Kettenstück nebst zwei schönen Kuhglocken, deren Geläute ihn von weither anmeldete, und ihm den Namen Almenrausch verschaffte. Den Bangänga gegenüber hat man seine Bedenken. Die Giftprobe ist ja kein reines Gottesgericht, sondern auch ein Fetischgericht. Kraft steht gegen Kraft. Die Meister können ohne Wissen und Willen fehlen, zu schwach sein mit ihren Kräften, ihre Fetische falsch leiten. Man ist doch selbst kein Schwarzkünstler, Verwandte und Freunde sind es auch nicht. Wie viele haben sich durch die Giftprobe als makellos erwiesen, waren demnach unberechtigterweise angeklagt und verfolgt worden. Und wie viele ebenfalls Unschuldige können noch bezichtigt werden und haben die verderblichen Folgen für sich und ihre Familie zu tragen. Deswegen übertrifft die Furcht vor der Anklage, womit der gesellschaftliche Ruin, was auch die Erdschaft angeht, nur zu oft so gut wie besiegelt ist, noch die Furcht vor den alle bedrohenden Hexen. Zumal da ausgelernte Schwarzkünstler sich durch Hexenmittel feien mögen, so dass gerade die Schlimmsten frei ausgehen. Es gibt Leute genug im Lande, die, durchaus nicht frei von Hexenfurcht, die Giftprobe verwerfen und das ganze Treiben mit Misstrauen betrachten. ■ Man hört ganz verständige Ansichten. Sie wagen nur nicht, ihre Meinung überall freimütig herauszusagen, denn die Masse steht gegen sie und ist gefährlich. Doch beweisen die noch zu schildernden religiösen Erweckungen, dass von Zeit zu Zeit ähnliche Gedanken über grössere Kreise des Volkes Macht gewinnen und die Menge zu ungewöhnlichen Handlungen fortreissen. Auch spielen Unzufriedenheit und Misstrauen sowie das Bedürfnis nach einem auf Gegenseitigkeit gegründeten Schutz in Hexenangelegenheiten in Geheimbünden sicherlich eine wesentliche Rolle. Die Frauen von Lubü, so wurde mir am Orte versichert, beraten auf dem Platze, wo einst ihr Seite 385 geschildeter Fetisch Mpemba wirkte, ebenfalls über diese Dinge. Die Bangänga, die selbstverständlich nicht weniger als ibre Mitmenschen glauben, sollen, da sie nur Werkzeuge sind, für den Ausgang der Probe nicht verantwortlich sein. Mindestens möchten sie das zum Grundsatz erhoben wissen. Aber darauf ist kein Verlass. Sie haben sich vorzusehen. So deuten sie als Unbefangene manchen Vorfall anders als Beteiligte, und halten Anzeichen nicht für genügend, um die Anklage aufzunehmen. Sie vermitteln und begütigen, um einen Irrtum zu verhindern, dessen Nachweis freilich auch sie in Mitleidenschaft ziehen könnte. Sie entdecken nicht immer Hexenfrevel, sondern andere Ursachen. Sie weisen auf Nsämbi und den natürlichen Tod hin, bezichtigen Verstorbene, oder bebürden die anscheinend Behexten selbst mit der Schuld, wissentlich oder unwissentlich gegen ihr Tschlna verstossen zu haben. Alles das lässt schon erwarten, dass Hexengerichte hochnotpeinlicher Art keineswegs so häufig Vorkommen, wie man annehmen könnte, wenn man den an der Küste umlaufenden Erzählungen lauscht. Es wird da viel geredet, stark übertrieben und, nach Menschenart, dem wissbegierigen Neuling so vieles aufgehunden und ernsthaft versichert, dass er mit dem Wenn und Aber ganz kleinlaut wird. Es stimmt ja auch alles so schön mit Überliefertem zusammen. Man muss es nur nicht gleich drucken lassen. In J a h r und Tag lernt der Gewissenhafte, der mehr Respekt vor Tatsachen als vor Theorien hat, aus eigener Erfahrung prüfen und vergleichen. E r gewinnt seine volle Unbefangenheit und bereut, wenn er sich hat gar zu sehr beeinflussen lassen. Woher sollte denn überhaupt noch die Bevölkerung eines Landes kommen, wenn für jeden Todesfall etliche oder gar ein Dutzend und mehr vermeintliche Schuldige umgebracht würden? Is t doch die natürliche Vermehrung nicht stark. Und so oft Missernten und in ihrem Gefolge Hungersnot und Seuchen das Land heimsuchen, wie zu unserer Zeit, sterben ohnehin erschreckend viele Menschen. Die Wiedergabe der Erzählungen Battells im Purchas kennzeichnet so recht die ganze Unsicherheit verarbeiteter, auf Hörensagen beruhender Berichte. An einer Stelle heisst es, dass im Lande keiner von Bedeutung sterbe, ohne dass sie einen anderen für ihn töten. Alle die Verdächtigen werden durch Freunde der Toten nach des Königs Residenz gebracht, damit sie sich dort der Giftprobe unterwerfen. Manchmal nehmen fünfhundert Männer und Frauen den giftigen Trank: „Das wird gethan im Orte Longo* (Loängo) fast jede Woche im Jah re.“ Aber an einer anderen Stelle, wo das Hexengericht und die Herstellung des Giftes nochmals genau beschrieben wird, heisst es ausdrücklich: „Jede. Woche kommt es vor, dass der eine oder der andere dieser Probe unterworfen wird.“ Wenn die Angaben sich dergestalt nicht selbst berichtigten, könnte man verleitet werden, zu schliessen, dass Hexengerichte seit drei Jahrhunderten sehr ausser Gebrauch gekommen wären. Gleich abweichend lauten die Sätze über die Anzahl der Personen, die in Yumba vor dem Fetisch Maramba erprobt wurden. Die angezogenen Stellen finden sich in
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