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Familienbeziehungen zu beachten, überhaupt 'den Wert des Menschen abzuschätzen. Auch wollen Gläubiger ihre. Schuldner nicht ohne weiteres umbringen lassen. Ferner gilt es, die Mittel zu beschaffen, einmal, um die Bangänga für ihre nur selten kurzerhand zu erledigende Tätigkeit zu entlohnen, sodann, um den Erdherrn, vielleicht mehrere Erdherren nebst Beratern durch Abgaben und Geschenke willfährig zu stimmen. Alle diese Vorbereitungen sind langwierig und kostspielig. Hexenprozesse sind Privatangelegenheiten, falls es sich nicht um einen ausgemachten gemeingefährlichen JSTdOdschi handelt, dem ein Grösser zum Opfer gefallen ist. Sie können von der öffentlichen Meinung ge- biUigt, gefordert, sie können aber auch verworfen werden. Hur der von der Gerechtigkeit seiner Sache vollständig Überzeugte, nur der Zahlungsfähige wagt es, sie anzustrengen. Doch kommt es vor, dass ein Verdächtigter, der um seine gesellschaftliche Stellung besorgt ist, sich im Vertrauen auf seine Makellosigkeit freiwillig der Giftprobe unterwirft und s °gar selbst die Kosten trägt. Aber er mag damit eine Herausforderung verbinden. Der Gekränkte schwört sich feierlich frei bei Nsämbi, bei der Erde, auf das Haupt seines Widersachers. Bleibt der nun hartnäckig, so muss er ebenso nachdrücklich seine gegenteilige Überzeugung beschwören. Nachher nehmen beide zugleich das Gift. Einer hat unrecht und der stirbt. Das ist das echte,, aber selten vorkommende Gottesurteil, ein passiver Zweikampf. Man hätte ein reines Gottesgericht, wenn nicht doch der Fetischismus damit verquickt wäre. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Giftproben wirken Fetische öffentlich allerdings nicht mit, werden aber insgeheim desto eifriger beschworen. Man traut zwar Nsämbi, dass er die Hauptsache gerecht entscheide, aber man:zweifelt, ob er die Zaubermittel des Gegners abhalte. Noch viel wichtiger sind Fetische, wenn es sich um ausgemachte Hexen handelt; denn da Nsämbi sie überhaupt gewähren lässt, kann man während der Giftprobe eben nur durch stärkste Fetische ihre bösen Künste abwehren. So wird denn schliesslich jedes Gottesgericht mindestens äusserlich zu einem Fetisch, gerichte. Gelegentlich setzt ein Beleidigter seiner Familie gesamte Habe für seine Ehrenhaftigkeit ein und verlangt, dass der Gegner es ihm gleich tue. Gelingt es diesem, den Einsatz zu halten, dann mag durch die Entscheidung eine ganze Familie verarmen, unter Umständen sogar unfrei werden. Übrigens hat selbst im einfachsten Falle der, der seine Schuldlosigkeit erwiesen hat, ein Anrecht, von den Anklägern entschädigt zu werden. Alle solche Möglichkeiten wirken abschreckend, warnen vor über, eilten Ausbrüchen des Verdachtes. Sie verhindern manche Anklage oder wenigstens die Durchführung der Giftprobe. Mancher hat es. ja eilig, falls seine Versicherung bezweifelt wird, zu rufen: ich nehme Gift darauf! Aber er tut es deswegen noch lange n ich t.' Wie die anderen, die gleich anfangs zaudern und sich herumdrücken, rechnet er mit Angehörigen, Blutsbrüdern und Freunden, mit seiner Beliebtheit, sowie mit Palaverkünsten. Wie immer die Angelegenheit stehen und wen sie, mit den schon erwähnten Ausnahmen, betreffen mag, die nächste Folge wird sein, dass man langwierige Untersuchungen und Verhandlungen beginnt, Leumundszeugen beschafft, grosse Familien- und Erdschaftspalaver abhält. Derweile mag der hitzige Ankläger in die Dörfer , auf die Märkte ziehen, aller Welt seine Beschwerden haarklein halb singend mit leidenschaftlichem Ungestüm vortragen. Es nützt ihm nicht viel. Es kann geschehen, dass ihm Buhe geboten, dass er hinausgeworfen, wird. J a es kann geschehen, dass der Beklagte selbst, ein Freund oder gemieteter Anwalt ihm entgegentritt, ihn niederschreit, lächerlich macht -r- ngänga mpäka: Prozesshansl. Unterdessen wird die Untersuchung weitergesponnen, und die Parteien erklären sich allmählich für und wider. Die ganze Art der umständlichen, redelustigen und tüfteligen Leute, die alle ihre Weisheit anbringen wollen, wirkt hierbei günstig. Zumal wenn die Seele sich nicht meldet, wenn weder Zeichen noch Wunder geschehen. Denn vielleicht begibt sich inzwischen etwas Neues und Aufregendes, das die Aufmerksamkeit ablenkt und längere Zeit fesselt. Das ist eine Unterbrechung. Die Angelegenheit tritt in den Hintergrund und wird nachher vielleicht gar nicht wieder aufgenommen. Man ist ihrer überdrüssig. Wer aber trotz aller Palaverkünste und Durchstechereien die öffentliche Meinung gegen sich hat und dessenungeachtet noch zaudert, $ sich durch die Probe zu reinigen, der wird scheel angesehen, kommt in Verruf, wird von allen gemieden. E r gilt nicht mehr für respektabel und ist gesellschaftlich so gut wie tot. Selbst die besten Freunde fallen von ihm ab, und seine Familie fühlt sich mit Schande beladen. Einem solchen Drucke wird auch der Widerwilligste selten lange widerstehen, er müsste denn vorziehen, in die Fremde, ins Elend zu gehen. Der Gedanke ist jedoch den Leuten meistens schrecklicher als der an die Giftprobe. Kleine Leute freilich, die nicht mit einflussreichen Angehörigen und Freunden den Austrag der Probe verschleppen können, werden in stürmischen Zeiten bald handgreiflich dazu gezwungen. Es ist eben von grösster Bedeutung, wer klagt, gegen wen, und unter welchen Umständen, ob ein bezahlter Hexenmeister anschuldigt oder ob der Volksglaube sich sofort gegen eine Person wendet. Die Bangänga, die die Tat feststellen, die Anklage erheben, die Giftprobe durchführen, sind keineswegs selbst gegen die nämliche Anklage geschützt. Sie bleiben auch sonst nicht immer ungeschoren, mögen sogar recht übel anlaufen. Mavüngo, ein kleiner Dörfherr, der, weil Ör als


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