Zaubern berufen. Welch ausserordentliche Furcht dieser für unfehlbar gehaltene Fetisch einzuflössen vermag, wird sich noch heraussteilen. Nachdem die Zauberhandlung erledigt war, baten unsere Leibdiener und die Vormänner des Gesindes um die Gunst, den gewaltigen Fetisch persönlich auf ihre Treue beschwören zu dürfen. Durch eine geringe E rhöhung des Honorares erwirkten wir ihnen diese Erlaubnis. Einer nach dem anderen trat vor das nägelgespickte Holzbild und forderte es in feierlicher Weise heraus, ihn zu strafen, sofern er seine Pflichten gegen uns verletze. Dabei tat ein jeder einige Schläge auf einen zu diesem Zwecke in den Leib des Fetisches getriebenen Nagel. Als die Reihe an meinen neben mir stehenden Jungen Ndembo kam, der sich viel darauf zugute tat, dass ich ihm volles Vertrauen schenkte, lachte er, hob die Schultern und lehnte einfach ab. Da die übrigen dennoch in ihn drangen, ging er zu dem Fetisch, griff ihm an den Kopf und schlenkerte ihm die Hand ins Gesicht, dass es klappte. Die Umstehenden waren zuerst verblüfft, dann lärmten sie los. Ein Ngänga lachte, der andere maulte ob des dem Mabiala angetanen Schimpfes. Dieser Vorfall gab viel zu denken. Wäre der kecke Beleidiger nachher erkrankt, verunglückt oder gar gestorben, so hätte der Fetisch natürlich an Ansehen gewonnen. Da jedoch keinerlei üble Folgen eintraten — ich traf den Täter sechs Jahre später noch wohlauf und zu einem stattlichen Burschen herangewachsen —, hätte die Wirkung nur entgegengesetzt sein können, wenn man nicht auch in Loängo rasch ver- gässe, was nicht in das System passt. Ndembo, der keineswegs frei war vom Glauben an Gespenster, Hexen und Zaubermittel, versicherte auf Befragen, dass dieses mächtige Zauberbild ihm gar nichts anhaben könne, weil es bloss schlechte Menschen töte. Dies entsprach nun allerdings der landläufigen Anschauung. Aber von dieser Überzeugung, die ja offenbar auch unsere übrigen Diener beherrschte, bis zur tätlichen Verhöhnung des allgemein Gefürchteten, ist doch noch ein weiter Schritt. Bei einer späteren, unter anderen Verhältnissen in einem Dorfe vorgenommenen Beschwörung, sowie bei dem Auftreten eines in der grotesken Maske des Mkissi Ndfmgu die Eingeborenen bedrohenden und vielfach in die Flucht jagenden Mannes, zeigte der Junge eine ähnliche Haltung. So schlagend und frei vor allem Volke, wie oben beschrieben, habe ich Missachtung eines Hauptfetisches nur noch von einer zweiten Person, von einem Mädchen, bei einer grossen Zauberei beweisen sehen. Das resolute Mädchen stiess nach einigen lauten Worten den menschenähnlich gebildeten Fetisch so derb mit dem Fusse, dass er umfiel und sich überrollte. Viele aus der Menge lachten, andere murrten. Grollend hoben die Bangänga das Holzgebilde auf, bliesen den Staub ab und fuhren fort zu zaubern. Weiter geschah nichts. Es sei ausdrücklich davor gewarnt, in derartigen Vorfällen etwa Anzeichen von besonderem Heldenmute oder freierer, überlegener Weltanschauung zu erkennen. Den Übermütigen, die angesehenen Familien entstammten, gefiel es eben, leichten Sinnes oder im Zorne einmal gerade so und nicht anders zu handeln, ohne sich weiter zu bedenken oder Rechenschaft abzulegen. Sie würden, namentlich im höheren Alter, gewiss nicht zaudern, sich vertrauensvoll der nämlichen Fetische zu bedienen. Sie würden unter anderen Umständen, mit schlechtem Gewissen, sie auch fürchten und vor ihnen vielleicht eine sehr kleinmütige Haltung zeigen. — In der Zunft der Bangänga sind zwei Hauptabteilungen zu unterscheiden : Zaubermeister und Medizinmeister. Der richtige Zaubermeister, der Ngänga mkissi, der auch Fetische macht, steht höher im Range oder dünkt sich höher als der Ngänga milöngo, als welcher auch der europäische Arzt gilt. Der Missionar wird Ngänga Nsämbi genannt. Aber die Meister sind ausgemachte Spezialisten, genau wie ihre Fetische. Nicht jeder Ngänga hilft in allen Fällen. Zum Beispiel untersucht der eine, ob jemand einfach krank ist, und behandelt die Krankheit oder lässt einen anderen rufen, der gerade darin erfahren ist. Scheint dem sein Leidender besessen zu sein, so löst ihn ein dritter ab, der besonders mit Besessenen und Seelen umgehen kann. Mutmasst der Behexung, so hat ein vierter darüber zu befinden, ob es stimmt, alsdann hat ein fünfter die Hexe auszuspüren. Erst der sechste übernimmt vielleicht die Durchführung der Giftprobe. J e ernster die Angelegenheit, desto mehr Meister, namentlich entfernt wohnende, werden damit betraut. Selbstverständlich dürfen die Kosten nicht abschrecken. Aus solcher Arbeitsteilung erwachsen Umständlichkeiten, Verschleppungen und nicht unerhebliche Kosten. Aber das ist, bis auf die Kostspieligkeit, ganz im Sinne der in Einzelheiten aufgehenden Leute. Auch haben sie dann das Bewusstsein, dass es infolge der verteilten Verantwortlichkeit in allen peinlichen Dingen gerecht zugegangen sei. Die Herstellung der Fetische, insonderheit des Kraftstoffes, wird mit gebührender geheimnisvoller Umständlichkeit und unter Befolgung vieler zauberischer Gebräuche betrieben. Das ist ja der Kern aller Kunst und Wissenschaft der Bangänga. Die Stellen, wo die Meister arbeiten, seien es Schuppen, umhegte einfache Hütten, seien es grössere Anlagen, die am seltensten Vorkommen, sind stets in besonderer Weise ausgestattet. Namentlich Siedlungen, wo ganze Genossenschaften, Meister- und Schüler hausen, werden mannigfaltig ausgebaut. Wirr durchwachsene unordentliche Wälle, von Reisig und Gestrüpp umgeben, irrgartenähnlich angeordnete über mannshohe dichte
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