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In Südwestafrika nahm ich aus der Hand des „Ochsenkaisers“, des alten Heiden Mahärero, den Vertreter des kürzeren Holzes, des bei Festlichkeiten noch mit Speise gelabten Ahnen, den Erbstab aus heiligem Holze; einen zweiten von seinem Feldherrn Riarua. Andere erhielt ich vom Ambohäuptling Kamböndo, von Black Akua in Kamerun, von Grossleuten in Loängo und Kongo, sowie im •Nigergebiete und an der Sklavenküste, oder ich sab die Stäbe und Stöcke wenigstens bei ihnen auch als wichtige Botschafts- und Geleitszeichen. Und alle diese Grossleute hatten nur solche bis auf den Vater oder Grossvater zurückführende Merkmale für Ahnen, nicht Figuren als Ahnenbilder. Kleinleute sind natürlich zu bedeutungslos, als dass sie dergleichen zu bewahren hätten, —i Ausser den für die Dauer berechneten Fetischen gibt es noch vielerlei andere von vergänglicherer Art. Nennen wir sie Gelegenheits- und Zufallsfetische. Manchmal sehen sie aus wie müssige Spielereien, wie festlicher Schmuck, oft wie Warnungszeichen. Immer ist Zauber und der Kraftstoff dabei, der für bemessene Zeit, vielleicht bloss für Stunden oder kaum so lange wirken soll. So verhalten' sich diese Gelegenheitsfetische für die Öffentlichkeit wie die bezauberten Kleinigkeiten für die Personen. Im Freien, vor den Eingängen der Ortschaften trifft man auf geknotete Grasbüschel und gebündeltes Gezweig, auf Pfähle und Stöcke, die meistens paarweise zu beiden Seiten der Zugangspfade, oder auf lange Ruten, die bogenförmig, wie umgekehrte Sprenkel über die Wege gesteckt sind. Daran baumeln Popanze, Fransenschnüre, Stricke, Zeugfetzen, Palmwedel, Rindenrollen, Blättersträusse, Schilfbesen. Die Anordnung erinnert an die Reiser, die das Begehen von Wegen, an die Wiepen, die auf unseren Fluren den Auftrieb des Weideviehes, im Walde das Betreten der Schonungen verbieten sollen. In der Tat warnen diese Zeichen, wie bei uns Tafeln die Fussangeln, Schlageisen, Selbstschüsse ankündigen, dass man Pflanzungen, Plätze, Wege unvorsichtig betrete, weil sich daselbst starke Zauberkräfte entladen würden. Freilich können sie ebensogut melden, dass nahebei eine gepfändete Leiche hängt, eine im Dorfe liegende zur Beerdigung hergerichtet, oder eine feierliche Handlung vorgenommen wird, damit der Wanderer sich in schicklicher Weise nähere. Die paarweise errichteten und verschnürten Pfähle oder die sprenkelförmigen Ruten haben gewöhnlich einen wichtigeren Zweck. Sie sollen Seelen, Hexen, Krankheiten abhalten oder umbringen, und wenigstens allem, das zwischen ihnen durchschlüpft, das Böse, das Schädliche ab- streifen. Derartige Gestelle werden Blngu: Reiniger, Vernichter genannt. Es wäre natürlich ein arger Versto'ss, wenn man sie zerzauste, zerschnitte oder gar wegräumte. Am besten kriecht man vor dem Betreten der Ortschaft unter den Gestellen durch, weil man nachher für das Einschleppen von Krankheiten nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Nicht selten liegen neben einem Blngu auf oder in der Erde mit ngilingili geladene Eier oder Fruchtschalen. Sie sollen krachend bersten, sobald Böses sich naht. Dem nämlichen Zwecke wie diese Gestelle dienten in früherer Zeit wohl die Pfosten und Balken, die beim Krönungszuge des Ma Loängo und bei anderen Gelegenheiten in die Erde gesetzt wurden, sofern sie nicht Gesetzeszeichen und Denkpfeiler waren. Recht merkwürdig sind kleine Steinkreise, die allerdings selten sowie abseits von Pfaden und Dörfern auf unbewachsenen Stellen in der Cam- pine Vorkommen. Wallnuss- bis faustgrosse Steine sind dicht nebeneinander oder in handbreiten Abständen in einen Ring von einem halben bis einem ganzen Meter Durchmesser gelegt. Ein grösster oder kleinster Stein bezeichnet häufig den Mittelpunkt. Da das Land überaus steinarm ist, so können die verwendeten Stücke1 nur mit Fleiss gesammelt und aus ziemlicher Entfernung hinzugetragen worden sein, zumal da grössere, von Natur kahle Flecke in der Oampine sich nicht gerade häufig finden. Welche Bewandtnis es mit diesen, immerhin an Steinsetzungen erinnernden Ringen hatte, war nicht zu erfahren. Die meisten meiner Begleiter, die ihnen natürlich scheu auswichen, sowie später befragte Eingeborene schienen darüber ebenso erstaunt wie ich selber. Sie rieten auf Spielerei oder Hexenwerk oder Fetischzeichen. Einer nannte den mittelsten Stein den Vater, die im Kreise liegenden die Kinder. Einmal fand ich Spuren, die geeignet sind, zu erklären, wie der Gedanke, solche Steinmale herzurichten, sich entwickelt hat. Im Gras- lande entstehen am Rande kahler Plätze mit lockerem Boden halbkreisförmige Furchen dadurch, dass angeknickte oder niedergebogene, vom Winde bewegte Halme, sowie Zweige schwanker Campinengewächse auf der Erde hin und her fegen. Sind die Halme oder Schosse nicht mehr vorhanden oder verharren sie bei Windstille aufgerichtet, so wird ein oberflächlicher Beobachter nicht ohne weiteres ihren Anteil :am Hervorbringen der Figuren erkennen. Es liegt nahe, an Zauberwerk zu denken, wie bei den Pilzkreisen, den Hexenringen auf unseren Viehtriften. Eine solche Furche, nahezu einen Halbkreis darstellend, fand ich einst mit Steinen belegt, dicht daneben, aber ausser Bereich der Gewächse, einen vollständigen Steinring und etliche Schritte davon einen bloss mit dem Stocke beschriebenen Kreis. Weit und breit gab es keine Steine. Es mag sein, dass die Furchen manchen Eingeborenen als rätselhaft aufgefallen sind — zumal in den Boden gekratzte Kreise beim Zaubern eine Rolle spielen jgjj, seine Einbildungskraft angeregt und ihn zu der beschriebenen Ausstattung veranlasst haben. In den Dünen der Nordseeinsel Langeoog beobachtete ich Kinder, die genau dasselbe taten Loango. 26


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