Überhaupt ist der Gedanke nicht abzuweisen, dass die von den frommen Vätern im Kongoreiche eingeführten Bildwerke zu der neuartigen menschlichen Gestaltung von Fetischen angeregt haben. Besitze ich doch ein schönes älteres Kunstwerk, eine spannenhohe, die heilige Magdalena darstellende Elfenbeinfigur, die von einem einheimischen Künstler peinlich genau nachgebildet worden ist. Es wäre nun freilich, wenn auch nicht erweisbar falsch, so doch unvorsichtig, zu behaupten, dass der Gedanke, Fetische in Menschengestalt zu schnitzen, erst seit der Missionszeit, jenseits des Kongo aufgetaucht wäre. Menschen sind überall schöpferisch veranlagt. Nicht alles muss Entlehnung sein. Die Eingeborenen könnten ja selbständig darauf verfallen sein, die schon besprochenen Ebenbilder — Ahnenbilder sind es nicht — von berühmten Heilkünstlern und Zaubermeistern anzufertigen, die ihnen bei Lebzeiten der Dargestellten berufsmässig als hölzerne Vertreter und nachher mit der Zutat von ngilingili als Fetische dienten. Hier käme wohl auch in Betracht die für die Unterstufe des Fetischismus bezeichnende Neigung, Gleiches oder Ähnliches für und wider zu benutzen. Indessen sind für die Annahme der Entlehnung folgende Tatsachen beachtenswert. Zunächst: Im Inneren sowie im östlichen und nördlichen Afrika, das der bilderfeindliche Islam beeinflusst, ferner in Süd- und Südwestafrika, wo protestantische Missionare im letzten Jahrhundert heimisch wurden, gehören Menschenfiguren, und noch dazu recht unvollkommene, zu den Seltenheiten.*) Dagegen sind sie häufiger und auch besser ausgearbeitet in allen Strichen Westafrikas, wo, nach der Zeit der grossen Entdeckungen, Borns eifrige Glaubensboten das Christentum verkündeten. Sodann: Es werden . in unserem engeren Gebiete, ein und anderthalb Jahrhundert nach Beginn der Kongomission, von Loängo bloss ein paar menschenähnliche Stücke, und zwar aus der Umgebung des Königs gemeldet. Das könnte Zufall sein. Aber zu unserer Zeit stand es noch folgendermassen: Hauptfetische in Menschengestalt, und zwar vielfach mit Gesichtszügen von Europäern gebildete, prunkvoll ausgestattete und behauste, fanden sich am häufigsten im Gebiete des alten Kongoreiches, wo man auch Heiligenbilder aus früherer Zeit noch scheu bewahrte. An der Loängoküste dagegen waren sie prunklos, durchaus negerhaft und kamen zahlreicher bloss in den südlichen, dem Kongo nächsten Landschaften vor, in den mittleren nebst Hinterländern, wo mir kein benagelter auffiel, wurden sie seltener, und in den nördlichen Landschaften fehlten sie so gut wie gänzlich. Dabei ist noch des Seite 380 geschilderten *) Erst jüngst wieder hat mir Professor Dr. S. Passarge dies aus seiner Erfahrung für das mittlere und östliche Südafrika bestätigt. Übertragens sogenannter Kinder zu gedenken, das doch vorwiegend Menschenbilder betraf und wohl auch das Benageln übertrug. Diese kennzeichnende Verbreitung mag sich inzwischen unter den neuen Verhältnissen verschoben haben, zumal im alten Ngöyo und Ka- köngo die europäischen Beamten eifrig auf Fetische, besonders auf die grossen Erwerbsfetische fahnden. Es sind verschiedene an Museen gelangt, andere sind zerschlagen oder verbrannt worden, andere haben die Eingeborenen in ihrer Not versteckt. Auch mag nun, da seit einem Menschenalter katholische Missionare ständig im Lande lehren, manchem Mfiöti ein recht berühmtes Menschenbild allmählich etwas Höheres werden als ein anderer Fetisch, der bloss ein Sack, Korb, Kasten oder Tier ist; Nur leben sicherlich noch heute sehr viele Mustergläubige im Norden und Inneren des Gebietes, die solch ein menschenähnliches Hauptstück ebensowenig zu Gesicht bekommen haben, wie etwa unsere Bauern einen Admiral. Wie nicht alles Fetisch ist, so ist auch nicht alles Ahne, was uns so aussieht. Der Kunsttrieb, der erfindet und nachahmt, schafft vieles ohne tiefere Absicht. Selbst Beihen von Figuren, die möglicherweise genealogische Verzeichnisse sein sollen, sind noch nicht auf Manismus (Bezeichnung von Frobenius) zu deuten. Wo mir, und nicht bloss bei Afrikanern, äussere Zeichen der Ahnenschätzung und des Ahnendienstes aufstiessen, das heisst, überall wo ich genügend Einsicht gewinnen konnte in das, was sich natürlich verbirgt, da war der Ahne nicht durch ein Ebenbild dargestellt. Vielmehr bewahrten ihn die Nachkommen zur Erinnerung naiver und treffender in der Hauptsache, in dem Bindegliede, das ihre Abkunft veranschaulichte. Sie bewahrten ihn im Merkmale des Mannes, des Erzeugers. Das rohe oder geschnitzte Zeichen des Ahnen, das auch als Feuerbohrer Bedeutung haben konnte, dieses Zeichen ist oder war ein Holz, Knüppel, endlich ein Stecken, ein Erbstab. Es mag auch mit gewissen Formen kurzer Schlag- und Wurfkeulen — ähnliche Waffen tragen englische und amerikanische Konstabler — verwandt sein. Hier und da kann es ja gefallen haben, an den vorstellenden Hauptteil das übrige, eine ganze Gestalt anzufügen. Ob mit, ob ohne Entlehnung, ob es sich bloss um genealogische Merkzeichen handelt, das wäre von Fall zu Fall zu untersuchen. Selbst wenn dieses Kennzeichen an Figuren aufdringlich hervorträte, brauchte nicht an Ahnenbilder gedacht zu werden. Das lehren die erwähnten, geheimen Zwecken der Männer dienenden Fetische, bei denen es sich lediglich um Marktschreierei handelt. In Loängo weisen die einfachen und doch so bedeutsamen Ahnenzeichen, wo man sie noch in Ehren hält, unmittelbar auf die Abkunft hin. Man ist von einer Haut, im besonderen Sinne des Schwellenden, sich Straffenden, auch von einer Spannung oder Kraft.
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