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bewachsene Lagune und bemächtigten sich des unfern vom Südende aufgestellten Mpinda. Auf demselben Wege brachten sie ihn nach Makäya und von dort weiter landeinwärts zu Handelsfreunden. Damit haften sie ein Faustpfand gewonnen, vermöge dessen sie ein Palaver erzwangen und günstig für sich abschlossen. Das war indessen nur das Vorspiel zu einer neuen Verwicklung, die sich jahrelang hinzog und auch zu unserer Zeit noch nicht ausgetragen war. Die Leute von Tschiloängo, die ihren lieben Fetisch Mpinda durch erhebliche Opfer an Gütern hatten einlösen müssen, beschuldigten jetzt die Leute von Makäya, ihr Zauberbild beleidigt und geschwächt zu haben, und machten auch die Bewohner von Vlnya dafür verantwortlich, weil er durch ihr dazwischenliegendes Gebiet geschafft worden war. Mpinda hat nämlich ausser anderen Eigenheiten auch einen Abscheu vor Wasserfahrten und besonders vor der Berührung mit Salzwasser. Denn Mpinda ist nur ein Nachfolger oder Kind-, der Urfetisch wurde vom Meere fortgeschwemmt. Nun sollten die Räuber aus reiner Niedertracht den armen Fetisch mehrmals gründlich in die Lagune getaucht haben. Sie bestritten das zwar, aber die Folgen bewiesen unwiderleglich ihr böses Tun: Mplndas Kraft war dahin. Man hatte kein Glück mehr am Tschiloängo. Streitigkeiten und Verkehrssperren, die stromaufwärts an der Tagesordnung waren, brachten empfindliche Verluste. Zuletzt war noch ein schwer mit Kautschuk beladener Kahn in unerhörter Weise verunglückt. Die Bootsleute hatten, um an Land und in ein Dorf zu gehen, ihn zwischen Mangrovenwurzeln befestigt. Da war die Flut gekommen, hatte das Fahrzeug schräg zwischen das Gewürze) geklemmt, gefüllt, und den grössten Teil der Ladung fortgespült. Solches Missgeschick konnten nur die zauberkundigen Gegner verschuldet haben. So schrieen die Geschädigten wider die Makäyaleute. Dabei hatte es vorläufig sein Bewenden. Denn die Bezichtigten hüteten sich, die Erde der Tschiloängoleute zu betreten, die selbst wieder weite Umwege einschlugen oder die schmalen Küstenstreifen der gegnerischen Dörfer bloss verstohlen und im Laufschritt am Strande durchmassen. Der Anschlag der listigen Salzsieder von Makäya, des Gottespfades nicht achtend, eine längs des Meeres an unserem Gehöft vorüber heimkehrende Karawane von Tschiloängoleuten abzufangen, oder wenigstens einige ihrer Lasten zu erbeuten, wurde in komischer Weise vereitelt. Und zwar geschah das durch unsere Jungen, die, auf die Jagd geschickt, unabsichtlich durch einige hinter dem Strandwall abgegebene Schüsse warnten. Die Bedrohten stutzten, wendeten rechtzeitig, erreichten im Wettlauf mit den verfrüht vorbrechenden Gegnern den schützenden Strand unterhalb unserer Station und brachten ihre Güter in Sicherheit. — In Yümba hatte ein Faktorist einen Gemeindefetisch erbeutet, der unter anderem auch für das Handelsglück zu sorgen hatte. Über dessen Rückgabe begannen Verhandlungen, denen ich beiwohnte. Der Fetisch, eine rote Lade mit Klappdeckel, etwa von der doppelten Grösse einer gewöhnlichen Zigarrenkiste, war zur Hälfte mit allerlei Zauberkram, mit Päckchen, Beutelchen und Bündelchen, mit giftigen Mbünduwurzeln und anderem Zubehör gefüllt. Der Händler, dem ein nicht geringer Verlust an Gütern zugefügt worden war, forderte vollen Ersatz und erhielt im Palaver ein tüchtiges Gewicht Kautschuk zugesagt. Darauf lieferte er den Fetisch aus, der bei Beschaffung des Kautschuks helfen sollte. Nachdem die Dorf leute mir die beim Hexengericht benutzten Mbünduwurzeln überlassen hatten, zogen sie fröhlich mit ihrer Bundeslade und der unvermeidlichen Gabe von Rum ab. Schon wenige Tage später beglichen sie ihre Schuld. — Eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Bedeutung haben die Erwerbsfetische. Wie schon angeführt, dürfen wir sie als Hauptfetische oder Fetische ersten Ranges ansehen. Wie wir bereits wissen, sind es Zauberstücke, die nicht den einseitigen Wünschen und Zwecken der Personen, der Familien, der Gemeinden, sondern dem allgemeinen Besten dienen. Sie wirken als Orakel und Heilfetische oder als Gerichtsfetische. Aber, und das ist wiederum wichtig, auch sie alle sind nur Fachfetische, Spezialisten, und sie alle wirken nur auf Antrag zahlender Parteien. Um ihrer oft bewährten Kräfte willen, worüber Wundergeschichten umlaufen, können sie ein erstaunliches Ansehen gemessen und weithin im Lande berühmt sein. Es sind ihrer nicht viele. J e nachdem man die Grenzen zieht, vielleicht vierzig bis fünfzig, wenn die sogenannten Kinder von meistens menschenähnlichen Stücken nicht mitgezählt werden. Ihre Macht ist nämlich eine vergängliche Grösse, wandelbar wie die öffentliche Meinung. Altberühmte verlieren, neue gewinnen an Ansehen und Zuspruch. Sie haben ihre Schicksale wie ihre Verfertiger und Besitzer. Von manchen, die einst hoch geschätzt wurden, berichtet bloss noch die Überlieferung. Man weiss nicht einmal, wo sie geblieben sind. Von etlichen kennt man das Ende besser. Die vornehmsten der Fetische ersten Ranges haben namentlich als Gerichtsfetische einen bedeutsamen Wert für grosse Gebiete. Sie dienen sowohl zur Verhütung als auch zur Enthüllung und Bestrafung von Verbrechen, deren Planer und Urheber der Scharfsinn der Menschen nicht auszuspüren vermag. Als Wahrer der öffentlichen Sicherheit, der Sittlichkeit, der gesellschaftlichen Ordnung, als Rächer von Freveltaten sind sie gewissermassen automatische Staatsanwälte, Polizeimeister und Scharfrichter zugleich, die losarbeiten, sobald Zahlung und Aufmunterung ihre


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