Derjenige aber, welcher durch Missachtung der Vorschriften das Unglück verschuldete, hat oft einen harten Stand und wird zur Verantwortung gezogen, etwa so, als wenn er unseren Bauern die Gemeinde- spritze verschraubt hätte. Darum sind die Schuldigen nichts weniger als geneigt, ihren Fehltritt zu bekennen, falls sie nicht stracks dabei ertappt wurden. Sie schweigen fein still und warten ab, was sich weiter entwickeln wird. Treten keine Missgeschicke ein, so werden sie irre am Fetisch wie an den Lehren der Bangänga. Sie geraten unter die Zweifler, die zwar noch lange nicht Freigeister sind, aber den Zaubermännern und ihren Werken manchmal recht ungemütlich begegnen. Nicht immer vermutet oder entdeckt man die Schuldigen in der eigenen Gemeinde, sondern oft in einer anderen Gemeinde, die ja vom Lähmen der Kräfte des als Wettbewerber wirksamen Fetisches nur Vorteil haben kann. Das mag zu schlimmen Händeln führen. So standen einst die uns schon bekannten Erdschaften Lubü und Luändschili gegeneinander in Waffen. Jede besitzt einen Tschivüku genannten Handelsfetisch. Tschivüku ist ein ziemlich grösser, mit Rotang- splinten fest umflochtener Ball, der im Dorfe unter einem Schattendach auf einem niedrigen Gerüst ruht. E r wird, wenn der Handel einer Belebung bedarf, hervorgeholt und schön weiss bemalt. Darauf wird er von den Männern, die seit dem letzten Sonnenuntergänge in jeglicher Hinsicht enthaltsam gewesen sein müssen, in Tätigkeit gesetzt, einem Ermunterungszauber unterworfen. Das geschieht, indem man den Tschivüku unter Jauchzen und Lachen in tollem Gedränge wie beim Fussball- spiel in der ganzen Ortschaft umhertreibt, stösst und wirft. Da Weiber ihm verhasst sind und seine Kraft schwächen würden, müssen sie sich während dieser sonderbaren Beschwörung streng abseits oder in den Hütten halten. Nun sollte eine durch Luändschili wandernde Jungfrau von Lubü, die, nebst ihren Schwestern, der Tschivüku von Luändschili natürlich am allerwenigsten leiden kann, ihn bei einem solchen Feste gröblich insultiert haben. Sie war sogleich dingfest gemacht worden. Es hiess, sie wäre dem rollenden Fetisch absichtlich in den Weg gelaufen, hätte ihn gegen den Hinteren prallen lassen, ja sie hätte ihm etwas Unsagbares angetan, das, was bei Kindern das Wechseln der Windeln erheischt. Bald zeigten sich die Übeln Folgen. Einer nach Luändschili heimkehrenden Kautschukkarawane wurde im Waldlande übermässig hoher Durchgangszoll äb- gepresst. Einige Elefantenzähne konnten nicht vorteilhaft eingetauscht werden. Überhaupt wandte sich das Handelsglück von Luändschili ab, während Lubü mit Hilfe seines Tschivüku nach wie vor gute Geschäfte machte, und zudem ernstlich auf Herausgabe des einbehaltenen Mädchens drang. Langwierige Verhandlungen führten zu nichts. Lubü wollte sich nicht einmal dazu verstehen, den Schaden zu ersetzen, den die Händler von Luändschili durch die Erpressung erlitten hatten. Die Erbitterung stieg, weil, wie gewöhnlich, Verspottung und Verhetzung dazu kam, und weil endlich einige waghalsige Lubuenserinnen bei einem kecken Versuche, ihre Jungfrau zu befreien, in Luändschili abgefasst und ebenfalls aufgebunden worden waren. Schliesslich zogen die Waffenfähigen beider Dorfschaften mit Elinten, Säbeln, Messern und Kriegsfetischen zu Felde. Da jedoch ihre Erden, der Fürsten- und Königsgräber wegen, von alters her Blutfrieden haben, mussten sie erst mit benachbarten Erdherren um Überlassung eines Schlachtfeldes verhandeln. Einstweilen bestiegen die Parteien alltäglich zwei Grenzhügel, führten Kriegstänze auf, knallten nach Herzenslust ins Blaue und warfen sich gegenseitig unter homerischem Geschrei ihre Schlechtigkeiten vor. Viel Pulver wurde verpufft, um die Gegner einzuschüchtern und es ihnen an Lärm zuvor zu tun, wobei Lubü entschieden voran war. Da trat eine überraschende Wendung ein. Wie im Juli 1848 die resoluten Marktweiber von Sachsenhausen dem Krawall auf der Frankfurter Mainbrücke ein jähes Ende bereiteten, so rückten plötzlich die braven Lubuenserinnen auf das Feld des unblutigen Schlachtgetöses, verhöhnten die Armee von Luändschili nach alter Weise mit Worten und Gebärden, vielleicht auch mit Scherben, und massregelten schliesslich unter endlosem Gelächter und Geschrei ihr Mannsvolk nach Hause in den friedlichen Schatten ihrer Hütten. Die Aufsehen erregende Fehde wurde schliesslich in einem feierlichen Palaver geschlichtet. Luändschili hatte Faustpfänder. Lubü verstand sich dazu, Busse zu zahlen, und erhielt die Unglücksjungfer nebst den Befreiungsweibern ausgeliefert. — Ein anderes bezeichnendes Fetischpalaver hatte sich vor dieser Zeit in unserem Gebiete von Tschintschötseho abgespielt. Die Bawümbu von Makäya waren mit Leuten von Tschiloängo uneins geworden wegen einer über den Fluss verhängten Handelssperre, wodurch sie grossen Schaden erlitten haben wollten. Dazu kam, dass sie, von jeher fieissige Salzsieder, erbost waren, weil die Tschiloängoleute sich ebenfalls der lohnenden Beschäftigung zugewandt hatten. Sie behaupteten, ihr Lagunenwasser gäbe nicht mehr so viel Salz wie ehedem, und was sie gewönnen, wäre schmutzig und zerflösse immer wieder. Alles das sollte die Gegenpartei mit schlimmen Mitteln bewerkstelligt haben. Da die Anklagen der Bawümbu fruchtlos blieben, weil man keine Pfändlinge hatte, unternahmen es einige verwegene Burschen von Makäya, dem Feinde den Fetisch Mplnda, eine in einem Kübel stehende Büste in dreiviertel Lebensgrösse, der den Flusshandel behütete, zu rauben. Sie ruderten eines Nachts über die flussähnliche, mit Mangroven
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