Page 357

27f 32-2

sich mit wenigen Fetischen, die er teilweise vielleicht selber fertigt. Der Zaghafte kann gar nicht genug haben. “Wer im Glück ist, der verdankt es seinen Fetischen, und je mehr er wagt, desto mehr Fetische erwirbt er dazu. Zugleich steigt aber die Menge der Vorschriften, die beobachtet werden müssen, damit die Kräfte wirksam bleiben. Seine Zaubermittel werden ihm zur Last, ja zur Gefahr. Denn sehr starke mögen, wenn er etwas versieht, ihn selbst schädigen, wie Explosionsstoffe in den Händen Unvorsichtiger. E r kann die bewährten Helfer zwar nicht entbehren, vermag aber den vielen verzwickten Regeln und Verboten nicht allezeit nachzuleben, so sehr er sich auch bemüht. Dabei übt er sein Gedächtnis, vermehrt er seine Umsicht, lernt sich beherrschen, sich manches versagen, und hat so einen Gewinn, woran er gar nicht denkt: sein Glaube erzieht ihn. Aber die Aufgabe wird zu schwierig, sie geht schliesslich über seine Kräfte. Fetische versagen, denn Missgeschick trifft ihn Schlag auf Schlag: Unternehmungen, sonst stets lohnend, missglücken; Prozesse gehen verloren; Kähne mit Waren kentern; Familienverbindungen zerschlagen sich; der beste Hammel verreckt. Das Alltägliche geschieht, wird aber aus dem Geheimnisvollen erklärt. Er fürchtet, und man munkelt, dass es mit seinen Fähigkeiten und Fetischen zu Ende gehe. Der Dorfklatsch gedeiht. Sein Ansehen schwindet, als stünde er vor dem Bankrott. Die Gläubiger melden sich. Das ist ein schlimmes Ende, und mag ihm Zuversicht und Freudigkeit beeinträchtigen. Ein zäher Mann fängt von vorne an, mit neuen Fetischen, ein schlaffer lässt die Dinge gehen und verkommt. Zahlreich wie Wünsche und Gefahren sind auch Fetische und ebenso mannigfaltig in der Form. Da gibt es Muscheln, Krallen, Zähne, Hörner, Federn, Haarbüschel, Lederstreifen, Bänder, Schnuren, Zeugfetzen, Beutelchen, Erdklumpen, Harzkugeln, Rindenstücke, Blätter, Früchte, Teller, Mulden, Flaschen, Töpfe, Ketten, Körbe, Kübel, Klötze, Bündel, Rollen, Säcke, Kasten, sowie andere Gebilde von Holz, Metall, Knochen, Elfenbein, die Affen, Leoparden, Schlangen, Krokodile, Flusspferde, Elefanten, am seltensten Menschen darstellen. Den Gestalten ist manchmal eine unnatürliche Haltung gegeben, und bei menschlichen, die naheliegenden geheimen Zwecken dienen sollen, sind die kennzeichnenden Merkmale mit Fleiss und manchmal ungeheuerlich dargestellt. Es ist das eine naive Reklame. Die Gebilde sind verschieden gross und sowohl grob wie künstlerisch fein ausgeführt. Menschengestalten messen gewöhnlich zehn bis zwanzig Zentimeter, erreichen aber auch die halbe natürliche Grösse des Vorbildes. Fetische aller Formen werden überhaupt klein oder gross hergestellt, je nachdem sie für eine Person oder für Familien und Gemeinden, sowie für unbeschränkte öffentliche Benutzung bestimmt sind, wofür ihre Macht auch sinnfällig auszudrücken ist. Solange nun alle diese Gegenstände durch die Bangänga nicht einer kunstgerechten Behandlung unterworfen und mit ngilingili geladen worden sind, haben sie höchstens einen Wert als Zieraten, als Schmuck und Schaustücke, woran der eine oder andere sein Gefallen hat. Es ist daher ein grober Irrtum, beliebige Kunsterzeugnisse und namentlich Schnitzwerke von auffälliger Gestalt ohne weiteres für Fetische zu halten — von Ahnenbildern gar nicht zu reden. Ausznnehmen wären teilweise die einfachen, der unteren Stufe zuzuweisenden Dinge, obschon auch diese jetzt meistenteils erst durch die Hände der Zaubermeister gehen. Schnitzwerk ohne und mit ngilingili. Ist es gelungen, das ngilingili herzustellen, so hat man damit eigentlich schon den Fetisch. Denn die Gebilde, die mit ngilingili bestrichen, beklebt oder ausgefüllt werden, sind nicht die Hauptsache. Die meisten Fetische bestehen sogar nur aus einem Klümpchen des Kraftstoffes. Dieses wird in ein Schneckenhaus, in einen Krabbenpanzer, in ein Antilopenhörnchen, in eine Nussschale oder Kralle eingedrückt, oder in Zeug eingewickelt, in einem Beutelchen verwahrt, zierlich mit Schnuren umknotet, mit feinen Rohrsplinten umflochten. So hat man das Wesentliche und spart man die Kosten für zugerichtete Gegenstände, die ohnedies in grösserer Anzahl nicht dauernd mit herumgetragen werden könnten. An stattlichen Fetischen in Tier- und Menschengestalt, die von den Bestellern fertig geschnitzt geliefert oder besonders bezahlt werden müssen,


27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above