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E in E e t i s c h i s t ein k ü n s t l i c h h e r g e r i c h t e t e r St o f f u n d t r a g b a r e r G e g e n s t a n d , dem u n t e r z a u b e r i s c h e n Ge b r ä u c h e n e i n e b e s t immt e , dem E i n g ew e i h t e n v e r f ü g b a r e K r a f t e i n v e r l e ib t wo rd e n i s t , wel c h e K r a f t m i t dem Sto f f e und dem Ge g e n s t ä n d e v e r n i c h t e t wird. E i n Gö t ze i s t de r g e g e n s t ä n d l i c h e Ye r t r e t e r , e i n e r g ö t t l i ch od e r mi n d e s t e n s gei s t i g g e d a c h t e n , k e in em Me n s c h en d i e n s tp f l i c h t i g e n Ma c h t , de r e n F o r t b e s t e h e n du r c h V e r n i c h t u n g de s Ge b i ld e s n i c h t b e r ü h r t wird. Demnach unterscheidet sich der Eetisch wesentlich vom Götzen. Menschenkunst ist es, nicht ein Ungefähr, ein Geist oder eine Gottheit, die den Gegenstand zum Fetisch macht. Die Kraft fahrt zufällig oder willkürlich weder in ihn hinein noch aus ihm hinaus. Sie ist einheitlich mit ihm verbunden und wirkt für den Besitzer, solange er den Gegenstand richtig behandelt und gewisse Vorschriften befolgt, die zur E rhaltung der Kraft notwendig sind. Verstösst er gegen diese Kegeln, so ist es vorbei mit der ^Wirksamkeit des Fetisches, wie mit der eines Werkzeuges, das abgestumpft oder zerbrochen worden ist. Wie bereits erwähnt, ist in Loängo jeder Fetisch der Träger nur einer für einen bestimmten Zweck brauchbaren Kraft. Behufs gleichzeitigen Wirkens für vielerlei Zwecke sind vielerlei Fetische gleichsam zu einem Revolverfetisch zu verbinden. Träger und Kraft bilden stets ein Ganzes, eben den Fetisch. Wird dieser gestohlen, freiwillig weiter begeben, so ist die Kraft dem früheren Besitzer verloren, und wird der Fetisch vernichtet, so ist sie unwiederbringlich dabin. Mit dem Gebilde ist alles zerstört. Nichts bleibt von ihm, weder Stoff noch Kraft. Die Baüöti haben keine Götzen, sondern lediglich Fetische. Dem- gemäss kennen sie weder Anbetung noch irgendwelche Verehrung, sondern bloss fachmässige Herstellung und Benutzung. Ich wiederhole: N i e ma n d a n d e r L o ä n g o k ü s t e v e r e h r t F e t i s c h e o d e r b e t e t sie a n , es müssten denn dort, wo Missionare lehren, neuerdings Leute gelernt haben, einen missverstandenen Kultus nachzuahmen. Im gewesenen Kongoreiche, wo Heiligenbilder und Überlieferungen aus alter Missionszeit bewahrt werden sind, wäre dergleichen eher möglich. Fetische könnten etwas Höheres, könnten Vermittler geworden sein, wie umgekehrt in Loängo Bünssi oder Mkissi nssi fast zu einem Fetisch geworden ist. Dennoch ist mir in jenen Gebieten nichts von einer Verehrung der Fetische vorgekommen. Auch englische Missionare, die dort lehrten, gewiss gute Kenner der Verhältnisse, hatten nichts davon bemerkt, ebensowenig ein so vortrefflicher Beobachter wie unser, leider verstorbener, deutscher Pater Schynse. Allerdings zeigen Abbildungen aus Kongoland anbetende Eingeborene vor Fetischen oder sogenannten Abnenbildern, Wer aber die Verhältnisse, die Gegenstände und die Personen kennt, ist nicht im Zweifel, was er von solchen Darstellungen zu halten hat, die leider bereits zu tiefsinnigen Betrachtungen angeregt haben. Derartige Bilder können nur freie Erfindung der Zeichner oder Blendwerk der Photographen sein. Die in unsinniger Weise angebrachten Fetische, die unterwürfig im Staube liegenden Eingeborenen, und zwar Gesinde von Europäern, sind für die Aufnahme gestellt worden. — Die in Fetischen sitzenden Kräfte verstärken die natürlichen Anlagen, schützen und fördern das Wohlbefinden und die Bestrebungen der Menschen, aber ein jeder Fetisch nur in dem einen vorbestimmten Sinne. Wie wir mit dem Löffel nicht schiessen, mit der Säge nicht hacken, mit dem Hammer nicht schreiben, so nimmt man einen Kriegsfetisch nicht zum Heilen, einen Handelsfetisch nicht zum Gebären, einen Diebfinder nicht zum Heiraten. Ebenso wirkt die Kraft eines Fetisches vollwichtig oftmals erst auf Veranlassung des Besitzers, der sie nach allen Begeln der Kunst anreizt oder bändigt, so wie es bei ihm steht, ob er einen Schlag tun will oder nicht. Kutäka, kuvända und kuvänga mkissi: anordnen oder betreiben, flechten und machen Zauber, also das tun, was wir schlechthin beschwören nennen. Unsichtbare Kräfte stecken auch in der Uhr, die dem Weissen die Zeit ansagt, im Schiesspulver, das verpufft, im Zündholz, das aufleuchtet, im Brennglas, das Feuer von der Sonne holt, im Harze, das Papierschnitzel anzieht. Die Uhr muss aufgewunden, das Zündholz gekratzt, das Glas geputzt und gedreht, das Harz gerieben, und wer weiss was sonst noch getan, gesagt und gedacht werden. Da haben wir die Zauberkünste, die Verhaltungsregeln. Solche und andere Dinge sind eben Fetische des Europäers, der viel mehr kennt und viel stärkere besitzt als der arme Afrikaner, dem er deswegen so sehr überlegen ist. Küstenleute, die mit dem Leben in Faktoreien vertrauter waren, ergötzten sich am Spiele mit Magnetnadel und Brennglas. Doch wurde es den meisten gleich ungemütlich, wenn ich einlud, Hand anzulegen, und vorgab, ich wollte nun einmal feststellen, wer mir die Unwahrheit gesagt hätte oder nicht so gut von mir dächte, wie er behauptete. Das war ausser dem Spass. Nur wenige von den näheren Bekannten gingen ohne Zögern auf diese und andere Proben ein. Sie mittelst des Brennglases zu verletzen, hütete ich mich; sie fanden auch das Kunststückchen bald aus und übten es selbst. Einem vorlauten Burschen, einem angehenden Ngänga, der sich vermass, jedem Zauber gewachsen zu sein, sengte ich die Haut tüchtig. Um seiner Beputation willen suchte er den Schmerz zu ver- beissen, bis er es nicht mehr aushielt und mit dem Bekenntnis, des Weissen Zauber sei zu stark, zum Ergötzen der Zuschauer abzog. In entlegenen Gebieten war das Brennglas ein grosses Ding. Der Fetisch 23*


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