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Der leitende Gedanke des Fetischismus in Loängo ist, Kräfte zu meistern und Eigenschaften zu erlangen, die Widriges abhalten und Wünschenswertes fördern. Alles in der Natur hat seine Eigenart, wird von Kräften durchwaltet. Alles und jedes wirkt aufeinander ein durch sichtbare Kraftleistungen oder in verborgener Weise. Daraus entwickelt sich eine unendliche Fülle von Beziehungen, worunter die dem Menschen am wichtigsten, sind, die sich auf seine Person erstrecken. J e nachdem sie für oder wider ihn sind, findet er sich mit ihnen ab. Man kennt nach Augenschein die Wirkung physischer Kräfte, wie sie sich äussert im Arme des Gegners, in der Kralle des Leoparden, im Gebisse des Krokodils, in der Wucht des trampelnden Hippopotamus, im federnden Sprung der flüchtenden Antilope. Man fühlt die Hitze des Feuers, den Druck des Windes, den Schlag der Brandung, den Fall der Tropfen. Ebenso kennt man Mittel und Gegenmittel, die, auf Lebewesen übertragen, Spuren hinterlassen, heilsam oder verderblich wirken, so wie Getränke und Gerüche, allerlei Arzneien anheitern oder betäuben, sogar töten können gleich Gift von Pflanzen und Tieren. Wie die Erfahrung lehrt, sind Kräfte wirksam, ohschon man den Vorgang nicht immer versteht. Demgemäss glaubt man auch an andere Kräfte, die sich ohne unmittelbare Übertragung und Berührung in gleicher Weise betätigen. Weil sie äusserst stark sind, wirken sie in die Ferne, wirken sie weithin wie Sonnenstrahlen, Wind, Wärme, Geruch, wie ein Schuss. So lehren die Kundigen und handeln danach. Wie es zugeht, darüber zerbrechen sie sich den Kopf nicht, das suchen sie nicht zu erforschen, sonst wären sie Physiker und Chemiker. Es ist so. Damit gut. Also die Kräfte sind vorhanden. Sonst wäre unerklärlich, was geschieht. Die Kräfte werden zweifellos auch gemissbraucht. Klugheit und Rührigkeit, Gliederstärke und Geschicklichkeit allein tun es nicht. Es geschieht gar zu viel Schlimmes unter Menschen. Da zweifellos gehext wird, muss man sich schützen. Man setzt Kraft gegen Kraft, Zauber gegen Zauber. Gäbe es nicht grundschlechte Menschen, die andere wie offen so heimlich zu schädigen suchten, so brauchte man kaum noch Fetische. Dergleichen Ansichten werden öfter ausgesprochen. Auf sie hauen Weltverbesserer, die sich berufen glauben, die in schweren Zeiten begeistert gleich Propheten das Land durchlaufen und dem Volke ins Gewissen reden. Um übersichtlich zu teilen, könnte man gewisse Unterscheidungsmerkmale betonen und danach zwei Stufen des Fetischismus aufstellen: die untere naive Stufe, die sich mit einfachen handlichen Kräften behilft, die obere ausgeklügelte Stufe, die sich mit zusammengesetzten und geheimen Kräften beschäftigt. Auf der unteren Stufe sorgt man selber für sich, hält man sich an das Natürliche und verwendet man unmittelbar Gegebenes. Auf der oberen Stufe vertraut man sich Gelernten an, die gegen Unnatürliches, hauptsächlich gegen die Schwarzkunst, doch auch gegen plagende Seelen ankämpfen, wundersam hergestellte Mischungen nach wichtigen Regeln verwenden und sich einen wissenschaftlichen Anstrich gehen. Diese Zweiteilung kennen die Leute selbstverständlich nicht. Bei ihnen ist alles vermengt, geht ineinander über. Gegen Bedrohliches wollen sie sich schützen, begehrenswerte Eigenschaften wollen sie erwerben. Sie nehmen Gleiches oder Ähnliches sowohl gegen als auch für Gleiches oder Ähnliches. In ihnen keimt der Grundgedanke der Homöopathie. Gift hilft gegen Gift, Raubtier gegen Raubtier. Stärke kommt vom Starken, Ausdauer vom Zähen, Behendigkeit vom Geschmeidigen. Die einfachen Formen des Glaubens verdeutlichen folgende Beispiele. Wer Gift genossen hat, trinkt von seinem verwässerten Urin. Wer den Schnupfen hat, zerreibt Auswurf mit Maniokblättern zu Brei und stopft damit die Nase. Wer sich einen Dorn eingetreten hat, streicht ihn fest über die Wunde, die dann schnell heilt. Wer Teile vom Körper des Elephanten und Hippopotamus bei sich trägt, der hat von ihrer Stärke und braucht diese Dickhäuter nicht zu fürchten. Auch merken die es und denken entweder: der ist unseresgleichen, oder: der ist uns über, der hat schon welche unserer Art bezwungen. So denken auch andere Tiere, die sich mit den genannten gut oder schlecht stehen. In der nämlichen Weise schützt den Träger Schwanzquaste oder Hornstück vom Büffel, Kralle oder Fellstück vom Leoparden, Schuppe oder Kopf von der Giftschlange, Zahn oder Schild vom Krokodil. Wer Gefahren zu gewärtigen h a t, nimmt die entsprechenden Bann- oder Schutzmittel mit sich, wie denn einheimische Jäger die Batterien ihrer Steinschlossflinten mit Hüllen von Leoparden- oder Büffelfell sichern. Man erstrebt aber nicht bloss Schutz. Man hofft auch mit allerlei Stücken von Tieren, Gewächsen, Gegenständen, deren hervorragende Eigenschaften an sich zu fesseln. Demnach handelt es sich sowohl um Mittel, die schützen, als auch um Mittel, die kräftigen. Daher um die Beine geschlungene Sehnen sowie Riemen aus der Haut schneller Antilopen, um Arme und Taille geknüpfte Schnüre festen Bastes oder zäher Lianen sowie Metallringe um Hals und Glieder, und daran hängend Hörnchen, Hufe oder Schnippsei davon, Zähne, Knöchelchen, Haarzotteln, Federn, Muscheln, giftige Bohnen und Wurzeln, Sternchen. Daher wohl ursprünglich die Elfenbeinringe der Fürsten, die Schwanzhaare des Elefanten als Halsband, einst von der Makünda wie Orden verliehen; daher die Leopardenkrallen an Häuptlingsmützen, die Stirn- und Armbinden von Leopardenfell, die Büffelschwänze als Fliegenwedel und andere Dinge mehr, die jetzt als Schmuck oder Auszeichnung gelten.


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