verursachte den Umwohnern keinerlei Beklemmungen. Mein Leibdiener und Vertrauter Ndembo ging mit mir öfter vorüber. Ganz geheuer mochte es ihm in der Nähe nicht sein, und allein wollte er im Dunkeln um keinen Preis hin. Mit mir tra t er jedoch eines Abends an die Leiche hinan, nur hielt er sich aus guten Gründen, nicht etwa aus Seelenfurcht, die Nase zu. Ihm graute nicht vor der tschinyemba des Fremden, denn die war einstweilen ganz ordnungsmässig versorgt und hatte da6 Weitere abzuwarten. Aber er fürchtete baviimbi, also andere Tote, die sich an der Stelle herumtreiben könnten. Unser Nachbar, ein sehr liebenswürdiger Portugiese, hatte einen Knaben, Mkissi genannt, einen etwa zwölfjährigen strammen Muntetsche mit schönen Wangenschnitten. Der'Bengel machte ihm viel Arger und wurde hart gestraft. Das erweckte mein Mitleid, denn Mkissi hatte, wie man so sagt, etwas Apartes an sich. Eines schönen Tages erhielt ich ihn als Geschenk zugesandt, ich möchte versuchen;, mit ihm fertig zu werden. Nun, der Knabe schlug ein und hat sich nachmals als freier Mann itn Dienste von Europäern gut bewährt. Ich hatte ihn noch nicht lange, da starb sein früherer Herr, und wir begruben ihn. Mkissi ging freiwillig mit, nicht aus Liebe, sondern aus Furcht. Die Rückkehr vom Grabe artete bei den Leuten des Verstorbenen und bei unserem Gesinde fast zuf schmählichen Flucht aus. Nur nicht Letzter sein. Ich blieb absichtlich zurück. Mkissi, mit der Hand nach mir tastend, drängte sich schaudernd dicht neben mich. E r fürchtete am lichten Tage die Seele des Weissen, der einst sein Herr war und ein gar strenges Regiment geführt hatte; Am Abend geriet er ganz ausser sich und bat, unter meinem Schutze schlafen zu dürfen. Bei den anderen Jungen fühlte er sich nicht sicher. Ihm graute vor dem Verstorbenen und vor den Leuten der Campine. Wochenlang getraute er sich ohne mich nicht in die Dunkelheit hinaus. Um das Grab machte er nachher stets einen Bogen, falls er sich nicht an mich halten konnte. Von einem noch nicht Beerdigten redet man ganz unbefangen, nennt ihn auch bei Namen, ebenso bei den Grabtänzen. Erst später scheuen das manche oder viele, je nachdem die Seele für gefährlich gehalten wird; An des Maböma Grabstelle, die ich beobachtete, ausmass und zeichnete, begleitete mich Ndembo mehrmals, half mir und belehrte mich über vieles. E r berührte das Grab und den umgekehrt darüber gestürzten Leichenwagen ohne Scheu. Allerdings war der Verstorbene ein guter Mann gewesen. Als ich aber ein paar Blüten auf den Hügel warf, nahm sie der Junge schnell weg und trug sie abseits. Das wäre nicht der Brauch, bedeutete er mich, und könnte den Toten stören, bavümbi reizen. Es war vielleicht auch Besorgtheit wegen falscher Auffassung meines Tuns durch die Dörfler. Solange ein Grösser nicht begraben, also auch nicht beerbt worden ist, reden und handeln die Angehörigen in seinem Namen, als ob er sie beauftragte. Seine Seele ist noch da. Daheim vertritt ihn eine lebens- grosse Puppe, bei Botschaften und Palavern ein Würdenzeichen: Stab oder Zeptermesser. Die Geschäfte besorgt ein Vertreter. Daher der Reichsverweser im Königsgau. Daher viele der allenthalben im Lande sitzenden Häuptlinge, die häufig bloss unbeerdigte Machthaber vertreten, freilich oft so lange, dass sie an deren Stelle rücken. Wie den Resten von Fürsten und Würdenträgern, die nicht begraben worden sind, so ergeht es den Resten von Ausgestossenen, Erdfremden, überschuldet Gestorbenen und Verschollenen. In Gegenden, die während der Leidenszeit am ärgsten litten, wo ganze Dörfer ausstarben oder geflohen wurden (I 164), kümmerte sich schliesslich niemand mehr um die Leichen. Mithin gibt es Seelen genug, und zwar von Angehörigen aller Stände, deren Forderungen erst spät oder gar nicht erfüllt werden. Zu ihnen gesellen sich die ausgesucht schlechten Seelen, die aus der Fremde kommen. Natürlich fürchtet man sich vor allen, lässt es aber gewöhnlich dabei bewenden; sie werden ja einem nicht gleich ein Leid antun. J e nach Bedeutung der Verstorbenen und zufälligen Umständen, wie spärliche oder reichliche Regen, je nach Familienbrauch, Gemütsstimmung und Furcht vor Gerede ist das Tun und Lassen der Leute ebenso mannigfaltig und schwankend wie das aller Menschen. Selbst wo man den Seelen wenigstens insofern Genüge tut, dass man ihre irdischen Hüllen in die Erde bettet, und das ist die Regel, lässt man es an anderem fehlen. Sie werden, obwohl sie hungern, nicht alle mit Nahrung versehen, weder vor noch bei der Beerdigung noch nachher. In manchen Familien ist es üblich, manche brauchen vielleicht ihr Bisschen selber. Manche lassen nach einem Todesfälle oder erst nach der Bestattung ein kleines Stück Pflanzung unberührt verwildern. Manche stürzen eiligst Töpfe und Geräte, durchlochen oder zerbrechen sogar welche, entleeren Wassergefässe, klopfen Dach und Wände, wedeln mit Tüchern gegen die offene Türe, benachrichtigen die Haustiere oder schaffen sie fort. Andere wieder denken, es wird so arg nicht werden, und meinen, mit gebührender Bestattung genug getan zu haben. Sie warten ab, was geschehen mag. Meldet sich die Seele, dann lässt Versäumtes sich nachholen. Der Beispiele gibt es genug, dass überaus reichlich versorgte Seelen nicht zufrieden gewesen sind. Sie gelüstete eben nach viel mehr als nach Leichenprünk und Nahrung. Sie sind wie die Lebenden, die, je mehr man schenkt, desto zudringlicher werden. Wie lange und warum will denn überhaupt eine Seele die Hinterbliebenen plagen? Die Beerdigung war doch standesgemäss, die Klagefeste sind schön verlaufen. Was will sie mehr? Sie soll ihrer Wege 2 0 *
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