und völlig oder abgeschwächt irdische Eigenart behält. Man traut ihr zu, dass sie sich zu bereichern, gewissennassen zu mästen verstehe, dass sie anschwelle, gross und mächtig werde, dass sie sogar andere Seelen sich untertan mache. Das Jenseits ist die Fortsetzung des Diesseits. Drüben gibt es oft nichts, weswegen Hinterbliebene sorgen sollen für die Seele, damit sie ihre Ruhe finde und in Ruhe lasse. So ist auch die Unversehrtheit des Leibes im Tode sehr wichtig. AVie und woher die Seele in den Menschen gelange, darüber ist man vielerlei Meinung. In der Hauptsache wird als Vermittler das AVeib betrachtet. Aber nicht so, als ob die Mutter von sich dem Kinde die Seele gäbe, wie der Vater die Potenz, sondern als ob die Seele im kritischen Augenblick als ein Drittes irgendwie hineinschlüpfe. Daher der Glaube, dass Seelen zweierlei Menschen anreizen, um wieder eingekörpert werden zu können. Daher allerlei Vorsichtsmassregeln im wichtigen Augenblicke der E h e , damit, nicht eine schlechte Seele die Gelegenheit wahrnehme. Denn die Seele macht das Kind zum guten oder bösen Menschen, beglückt oder verderbt es. Geschieht es doch sogar, dass eine Seele in den Menschen, der schon eine hat, hineinfährt oder hineinfahren will, und das verursacht schlimme Vorgänge. Eine schlechte Seele verdirbt die beste Potenz. Die Seele des Guten ist gut, die des Bösen ist böse. Sie kommt so mit ihm auf die AVelt, wie es sich fügt. Auch das Allerböseste, das Gefährlichste, das es gibt: der Ndödschi, nämlich das böse AVesen, der Zauberer, die Hexe, der Unhold, wird geboren. Mit den Tieren verhält es sich kaum anders. Auch sie, die denken, miteinander reden, haben Potenz und dazu eine Seele, die nach dem Tode weiter lebt und in ihrer AVeise weiter handelt. Daher die Fabelwesen. Indessen kümmert man sich um diese bloss nebenbei, da verpflichtende Beziehungen nicht bestehen. Desto mehr beschäftigt man sich mit den Seelen der Menschen, besonders mit denen der Mächtigen und derer, die einem nahe stehen oder nahe standen. Es ist ein eigen Ding um die Seelen. Selbst die, die in Lebenden hausen, haben eine unüberwindliche Neigung, sich umherzutreiben. Beim Bewusstlosen ist das Leben noch da, solange er noch nicht riecht, aber die Seele ist ausgefahren und weilt irgendwo. Da ist Vorsicht geboten. Ebenso beim Schlafenden, den man nicht jählings wecken soll, weil seine Seele wandern könnte. Man muss ihr Zeit lassen, zuruckzukehren. Manchmal begegnet der umherstreichenden Seele eine andere. Die ist gut, und die sagt ihr: kehre um, gehe heim, bleibe, wo du hingehörst. Oder sie trifft eine böse Seele, die sagt ihr nicht: gehe heim, sondern nimmt sie mit, verlockt und verschleppt sie, so dass sie lange ausbleibt, bisweilen sich gar nicht wieder zurück findet. So hat schon der lebendige Mensch mit der eigenen Seele seine liebe Not. E r ahnt ihre Neigungen. Und im Schlafe merkt er erst recht, was sie eigenmächtig unternimmt. Sie fliegt wie ein Vogel. Sie schweift iu die Wildnis und jagt. Sie steigt in den Kahn und fischt. Sie geht vielleicht zum Baume, wo die Placenta vergraben worden ist, mit der sie geheimnisvolle Beziehungen unterhält. Sie macht sich lüstern an das andere Geschlecht, fährt in ein Tier, treibt vielerlei harmlosen oder groben Unfug. Das alles geschieht wirklich. Was wären sonst die Träume? Solches erfährt der Lebende an der eigenen Seele. Wieviel Not machen ihm nun erst die Seelen der Toten. Denn die Trennung der Seele vom Leibe löst durchaus nicht, leider nicht! ihre alten irdischen Beziehungen. Wie ehedem hält sie sich an ihren früheren Körper, sowie namentlich an ihre Angehörigen. Sie umschwebt zunächst die leblosen Reste, später vielleicht die Grabstätte, treibt sich auch sonst noch wer weiss wo herum, je nachdem sie geartet ist. Sie kehrt ferner zu den Orten zurück, die einst dem Lebenden teuer waren, hängt überhaupt an ihren Liebhabereien. Daran zu zweifeln, kann niemand einfallen, denn der überzeugenden Beweise gibt es genug. Diejenigen, welche einen Verstorbenen gekannt, geliebt, gefürchtet haben, tragen ihn nicht bloss in der Erinnerung, im Herzen — kubäla ku ntlma —, sondern sie nehmen ihn auch wahr. Im Traume erscheint der Mutter das verlorene Kind, dem Manne die Frau, dem Herren der Hörige; es meldet sich der Freund, der Feind. Folglich sind sie noch da. Aber nicht bloss schlafend, auch wachend, im Hellen, im Dunkeln verspürt man die Abgeschiedenen, in Wald, Campine, Pflanzung, Dorf und Hütte. Sie sind da, wenn es raschelt, knackt, seufzt, klopft, wenn einem ein absonderlicher Geruch in die Nase kommt, wenn es einem in den Ohren summt, wenn einen ein kühler Hauch umfächelt. Noch unheimlicher, falls ein Angehöriger in der Fremde verstarb, wahrscheinlich kein ordentliches Grab fand. Alsdann sucht seine Seele oft die Heimat auf, und zwar als Vogel, oder in einem wirklichen Vogel, in den sie geschlüpft ist. Wer kann das wissen. Aber man merkt es. Auf einmal erscheint ein solcher Vogel am Orte, wo man ihn sonst nicht sah, hält sich längere Zeit daselbst auf und zeigt ein vertrauliches oder zudringliches Gebaren. Das ist bedeutsam. Nicht weniger unheimlich, wenn jemand verscholl, irgendwo auf unerklärliche Weise verschwand, wenn die Sorge um sein Verbleiben, das Geheimnisvolle seines Schicksales, das Schwanken zwischen Hoffen und Bangen, die Phantasie desto lebhafter erregen. Die Seinen wähnen ihn bald hier bald dort zu bemerken. Ähnliche Kunde kommt von anderen Orten. Sie suchen ihn, ziehen im Lande umher und mustern argwöhnisch das Gesinde in den Gehöften der Wbissen. Lebt der Vermisste, ist er tot, ist
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