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schweifende Seele oder Wildnisseele. Solche Auffassung träfe aber nicht das Richtige. Das erste, die Potenz, ist für die Bafiöti überhaupt keine Seele: es ist unpersönlich, unsichtbar, unvergänglich, unzerstörbar. Nur die zweite Seele ist eine wirkliche Seele, und sie ist eine und die selbe mit der dritten und vierten: das Abbild dès Menschen, persönlich, fangbar, verletzbar, vernichtbar. Sie ist eigentlich die Person selbst in einer anderen Lebensform. Vergänglich ohne äusseren Eingriff ist sie wenigstens insofern, als sie schliesslich in Vergessenheit sinken, an den Ort kommen kann, von wo keine Seele wiederkehrt, es sei denn von Nsämbis G-naden. Dann ist es vorbei mit ihr. Die Meiischen, besonders ihre Angehörigen, brauchen sich nicht mehr um sie zu kümmern. Und das ist das beste. Demnach ist eine zweifache Fortdauer nach dem Tode zu betrachten. Zunächst die Potenz. Sie besteht aus den bereits angeführten Eigenschaften in mannigfaltiger Mischung,'ist unpersönlich, unvergänglich,'unzerstörbar. Sie wird auch niemals sichtbar. Wie das Körperliche, wie Familienähnlichkeit ist sie etwas durch Abstammung Gemeinsames der Vorfahren und Nachkommen, "Vergangenheit und Zukunft verbindend und durchdringend. Dieses Gemeinsame geht, trotz Mutterrecht, in der männlichen Linie, wird durch den Vater überliefert, weswegen auch gewisse Bestandteile des persönlichen Tschïna, wobei an Totemismus zu denken ist, sich stets vom Vater auf die Kinder vererben. Und zwar nicht bloss auf eheliche Kinder, sondern auch auf uneheliche, namentlich auf die im zweiten Kapitel behandelten Kopfkinder und Erd- öder Gotteskinder. Vom Erzeuger*iÿ^muësi geht die Potenz ungefähr wie die körperliche Ähnlichkeit über in die Erzeugten muäna, plur. b’äna (baäna), sie kommt von den Vorfahren -^nkulu (mukülu), plur. bakülii — und geht in die Nachkommen über, in die Enkel — ntékulu (mutékulu), plur. baté- kulu.*) Durch den Erzeuger wird alles im lnmi, dem vom Männteile trinkenden Weibteile, überliefert, wo es sich entwickelt. Geburt in solchem Sinne ist Wiedergeburt oder besser: Weitergeburt. Die Potenz ist demnach nichts persönlich für sich Bestehendes wie die Seele, sondern eine Fortdauer der Vorfahren in den Nachkommen, wirksam durch alle Glieder der Kette. Väter, Kinder und Kindeskinder sind gleichsam wiedergeborene Ahnen. Bei Kleinleuten hat das natürlich nicht viel zu bedeuten, bei Grossleuten desto mehr. In Bedrängnis geratene Männer von verantwortlicher Stellung ziehen sich ins Innerste ihrer Behausung zurück oder gehen abseits ins Freie oder,, was am seltensten vorkommt, an die Gräber ihrer Älteren. So tun sie, um sich *) Die Abstammung: liïMluku, von kukülula: abstammen, gleichsam von ferne herabsteigen. Nebenher hört man noch kusäbula und kusäbusa, sowie Hinweise auf nsäbnsi, den Fährmann, doch ist mir der Zusammenhang nicht klar geworden. zu sammeln, um der Gewesenen zu gedenken, wie die wohl beschliessen würden. Sie setzen sich nieder , drücken das Gesicht in die Hände, murmeln wohl auch mit sich selber wie mit einer zweiten Person, was sie aber auch sonst oft tun: laut denken. Aber sie erwarten nicht etwa, dass die Seelen der Vorfahren, also die Seelen als Abbilder wirklich mit ihnen verkehrten, der Gedanke würde sie entsetzen, oder dass die Vorfahren ihnen in den Kopf stiegen, welcher Ausdruck nur bildlich zu nehmen wäre. Denn die Potenz der Vorfahren waltet schon immer in ihnen, seitdem sie leben, sie ist mit ihnen geboren. Die Bekümmerten wollen vielmehr ihrer Gewesenen gedenken, in ihrem Sinne mit sich zu Rate gehen, sich klar werden, ungestört einen Entschluss fassen, die vielleicht locker gewordenen Beziehungen wieder stärker empfinden. Mit der Erinnerung gewinnen sie Trost und Selbstvertrauen. Ihre Herzensnot treibt sie zu einer Selbsteinkehr, wenn man will zu einer Handlung der Pietät, zu einem schönen Ahnendienst, der auch Zivilisierten nicht fremd ist, die zu Gräbern gehen. In Südwestafrika, zu Okahändya, sah ich den alten Oberhäuptling Mahärero im Dämmerstündchen zu dem mit Gehörnen der Kuduantilope, des Totemtieres, geschmückten Grabe seines Vaters Tyamuäha gehen, wo er in seiner Bedrängnis mit sich und vielleicht mit ihm zu Rate ging. In Loängo habe ich dergleichen nicht beobachtet, nur davon gehört, als ob es gelegentlich vorkäme. Unser Maböma sass einst wohl zwei Stunden unbeweglich auf dem Strande vor der tosenden Brandung, die Ellbogen auf die hochgezogenen Knie gestützt, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Politische Verwicklungen machten ihm das Herz schwer. Ein anderes Mal, während eines schwierigen Palavers, hockte er eine halbe Stunde abseits in unserem Gehöft, mit sich selber redend, ab und zu leicht gestikulierend, bis er seinen Entschluss gefasst hatte. Einen anderen Häuptling sah ich grübelnd an einem Baume, mit der Stirn am Stamme, stehen. Die Angehörigen der Fürstenkaste können die Gräber ihrer ebenbürtigen Vorfahren und Verwandten überhaupt nicht besuchen, weil die jenseits des für sie unüberschreitbaren Luntämbi lu mbensa liegen, und ihrer ranglosen Erzeuger-, falls sie ihnen bekannt sind, achten sie weiter nicht. Sie haben nur Mütter, nicht Väter. Sie sind eben Kaste, nicht Volk. Mit der Seele, wie wir fernerhin kurz das mehrdeutige Wesen der Gelüstseele oder Wildnisseele oder Traumseele nennen wollen, also mit der zweiten Lebensform der Person, hat die beschriebene Art des Ahnendienstes in Loängo nichts zu tun. Im Gegenteil. Man scheut die Seelen, man bangt vor ihnen, man wünscht ihnen nie und nirgends zü begegnen. Die Seele, das Abbild vom Menschen, die zweite Lebensform., ist etwas in sich Abgeschlossenes, das persönlich weiter lebt nach dem Tode,


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