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von der Furcht beherrscht, dass sich wiederum wer weiss was Schlimmes ereignen könnte. Wie die Plätze vernachlässigt werden, so pflegt man es auch nicht mehr genau mit den Abgaben zu nehmen. Als wir am Nänga ein Hippo- potamus zerwirkten, stellte sich der Ntöma nssi von Mbüku ein, um den Kopf für Bünssi abzuholen. Auf unser Bedeuten, dass wir den Schädel für unsere Sammlung brauchten, begnügte er sich nach einigem Zögern gern mit einem grossen Stück Fleisch vom Rumpfe. Ein eingeborener Jäger überbrachte mir von der Loängobai nach Tschintschötscho den frischen Kopf eines ausserordentlich starken Bockes einer seltenen Antilopenart. Wir waren zusammen dem Tiere einige Zeit vorher vergeblich nachgeschlichen. Der glückliche Schütze hatte den weiten Weg über Nacht zurückgelegt und dem Ntöma seinen Anteil an der Beute entzogen, weil er von mir belohnt zu werden hoffte. Auch sonst mögen manche nicht ängstliche Jäger dem Ntöma mit dem Essen auch die Mühe sparen, indem sie den geforderten Anteil lieber selbst verzehren und nachher die reinen Knochen heimlich zum Haufen schaffen. Sie lassen auch ein geschossenes Stück Wild ruhig liegen, bis es kalt und steif geworden ist. Nachher behandeln sie es als ein gefundenes und schleppen es heim. So umgehen sie das Gebot und beruhigen ihr Gewissen wie andere Menschen auch. Sehr bezeichnend für die Zustände ist, dass manche Opferplätze bereits mit Eigennamen belegt werden und dass Bantöma wohl nicht mit Unrecht behaupten, irgendeine in der Nachbarschaft gedeihende Schädelstätte sei widerrechtlich und erst in neuerer Zeit angelegt worden. Der alte Ylnga von Lubü, dem nebst' seinem Amtsbruder in Mvümvu alle Abgaben von den an einem ausgedehnten Küstenstrich gefangenen Seetieren zufallen sollten, war sehr erbost über einen eigenmächtigen Kollegen zu Bänga am Kullu, der daselbst kurz zuvor und mit gutem Erfolge einen ebensolchen Opferplatz eröffnet hatte, obschon ihm nur Rechte an Landtieren zustanden. Und der humorvolle Herr von Mpütumöngo, der, ohne überhaupt Priester zu sein, seinen sogar von Popanzen umgebenen Knochenhaufen vor der Tür eingerichtet hatte, lebte in lustiger Feindschaft mit dem Ntöma von Tschintschötscho. Dieser zweifellos Berechtigte schleppte seine Knochen den weiten Weg nach Tschiböna und sorgte, dass dem anmassenden Nebenbuhler nicht Kundschaft zufiele. Zum Überfluss begann noch ein zweiter Häuptling in der Nachbarschaft ebenfalls einen Opferplatz aufzutun. Etliche Schädel von Büfteln und Antilopen, Ergebnisse kurz zuvor veranstalteter Jagden, waren bereits unter einer Adansonia an seinem Gehöft aufgestapelt. Bleibt das Jagdglück ihm und den Seinen hold, so könnte das Beispiel noch andere zur Nachahmung reizen. Die Opferplätze teilen das Schicksal der geweihten Stätten. Über dem Streit und Hader der Parteien verlieren sie ihre ursprüngliche Bedeutung und verfallen dem Fetischismus. Insofern hat die Gepflogenheit der im Lande lebenden Europäer, die Opferplätze schlechthin als Tierschädelfetische zu bezeichnen, eine gewisse Berechtigung, aber im Grunde genommen doch keine grössere als ihre andere Gepflogenheit, ihre eigenen Warenniederlagen ebenfalls Fetische zu nennen. Der Eingeborene hält weder die eine noch die andere Aufstapelung für einen Fetisch. In den älteren Nachrichten werden die geweihten Stätten und die Opferplätze oder Knochenhaufen nicht ausdrücklich erwähnt. Sie sind gewiss übersehen oder nicht sonderlich beachtet worden, weil sie abseits von den Wohnsitzen liegen. Sonst hätten sie mehr auffallen müssen als Fetische, mit denen die Fremdlinge vertraut waren. Wo Battell einmal von Opfern redet, lässt er sie, da ihm alles Fetisch ist, vor Fetischen verrichten: „Der Fischer bringt Fisch, damit ihm Hülfe beim Fischen werde; der Ackerbauer, Weizen; der Weber, Alibungos, Stücke von Bastzeug; andere bieten Flaschen voll Wein dar. Alle bringen, was sie entbehren und haben wollen, versorgen ihren Mokisso mit solchen Dingen; womit sie ihren Klagen nach selbst nicht versorgt sind.“ Wirklichen Fetischen wird aber zu Battels Zeit ebensowenig in solcher Weise geopfert worden sein wie heutzutage. Es ist anzunehmen, dass er eben Bünssi geweihte. Stätten für nichts Besseres hielt. Seine Angabe „der Fischer bringt Fisch“ deutet geradezu auf den Opferplatz von Lubü, in dessen Nähe er lebte, und wo Seetiere abzuliefern sind. — Die Bafiöti haben keinen regelrechten Gestirndienst, obschon sie nach dem Sirius ihre Zeitrechnung berichtigen und den Mond, den Frauen gelegentlich anrufen, als Förderer des Wachstumes betrachten, obschon sie vom Sonnenpalaver reden und gelegentlich die Sterne für die Augen oder Gucklöcher Nsämbis halten. Auch Phallusdienst treiben sie nicht. Es findet sich wohl an einem Holzkloben oder Stamme der herausfordernde Rest eines Astes mit naivem Behagen derartig zugestutzt, dass über die Absicht des Schnitzers kein Zweifel tibwalten kann. Auch die Raute, das bekannte Zeichen für die Yulva, taucht ab und zu auf, das, soweit meine Beobachtungen reichen, Yölkern vom Eismeere bis in die Tropen geläufig ist, obwohl es ihnen von den Europäern überliefert sein mag. Doch sind derlei Äusserungen männlichen Übermutes in Loängo immerhin sehr selten und nie in oder an Wohnstätten zu sehen, denn dann kriegte man es mit den Weibern zu tun. , Eine tiefere Bedeutung kann diesen und anderen Erzeugnissen der Schnitz- und Zeichenlust nicht mehr zugestanden werden als den einschlägigen Kunstleistungen etwa in den unentbehrlichen Gelassen öffentlicher Gebäude. Nun gibt es allerdings noch etliche grosse Fetische


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