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In alter Zeit, als noch das heilige Feuer brannte, spielte ein glimmendes Holzstück, das Anblasen des Hauches, das Erhitzen der Eisengeräte bei den Amtshandlungen an der geweihten Stätte die Hauptrolle. Darauf bezieht sich auch folgende Angabe in Dappers Buch: „Hierauf bläset der Schmid sein Feuer auf, darüber der Man oder die Fraun ihre Kleider halten: und der Schmid nimt ihren lincken kleinen Finger in seinen lincken Finger, und also drehen beide die Hände über den Kopf. Wan dieses drehen geschehen, schläget der Schmid zwee Hämmer drey oder viermahl gegen einander, und bläset mit dem Munde über seine oder ihre beyde Hände, welche sie neben einander halten, und mummelt dan in sich selbst. Und hiermit ist das G-eliebde, das sie unwissendlich überträhten, wieder gereiniget.“ Dappers Gewährsmann lässt diese Sühne vollziehen, wenn sich Männer oder Frauen „auf das ende einer Betstelle niedersetzen, welche durch beyschlafen verunreiniget worden, ob es schon die Betstelle zweyer Ehleute were.“ Um die Hilfe Heischenden der oben beschriebenen Art, die übrigens immer seltener kommen, kümmert sich das Volk nicht sonderlich, um die Sünder der anderen Art desto mehr, denn die büssen ja nicht in eigener Angelegenheit. Dabei handelt es sich in der Hegel um geringe Übertretungen des Tschlna, denn wirkliche Verbrecher verfallen, wie wir schon wissen, dem Erdgericht. Hinsichtlich der Gebräuche, die den Verkehr der Geschlechter regeln, mögen sie auch mit unseren nicht gänzlich übereinstimmen, ist die öffentliche Meinung viel empfindlicher, als gewöhnlich vorausgesetzt wird. Arge Verstösse gegen das, was als sittlich gilt, bringt sogar Schande über die Angehörigen. Freilich weichen die Ansichten darüber und das Gefühl dafür bei Familien und Personen ebensosehr voneinander ab wie bei Zivilisierten. Was den einen bekümmert, mag den anderen ziemlich gleichgültig lassen. Immerhin bleiben diejenigen, welche ein Verschulden in Sachen der Liebe auf sich geladen haben, auch wenn sie es redlich büssten, gewissermassen vogelfrei und müssen befürchten, früher oder später bei einer allgemeinen Erregung der Gemüter auf die eine oder die andere Weise zu leiden. Ängstliche gehen deswegen lieber ausser Landes, auf ferne fremde Erde. Beide Übeltäter sollen am Heiligtum der Landschaft bekennen und büssen. Dazu haben auch sie, wie schon beschrieben, den Platz zu bereiten. Dem Ntömä sind im voraus für seine Mühewaltung je fünf Stück Zeug oder nach Übereinkunft andere Tausch waren und etliche Flaschen starker Getränke zu entrichten. Vierundzwanzig Stunden lang darf das sündige Paar weder Speise noch Trank berühren. Bei Sonnenaufgang hat es sich am Platze einzufinden, aller Haare beraubt, über und über mit Holzkohlenpulver eingerieben, Kopf nebst Schultern mit Asche bestreut. Sie bringen zwei neue Matten und zwei grosse, fehlerlose Haus- hühner mit, der Sünder eine Henne, die Sünderin einen Hahn, die übereinstimmend oder entgegengesetzt fleckenlos weiss oder fleckenlos schwarz sein müssen. Die Leute treten splitternackt auf die vor dem Eingang zur Hütte entrollten Matten, worauf der Ntöma mittelst eines Eisens um sie einen Kreis in die Erde reisst. Dann bindet er dem Weibe den Hahn, dem Manne die Henne derartig an den Pussknöchel, dass die Vögel, ohne weitere Beschränkung ihrer Freiheit, auf den Matten aneinander kommen können. Sodann hantiert der Ntöma mit seinen kalten Eisen, namentlich den sündigen Körperteilen zusetzend, während die Übeltäter mit leiser Stimme ihre Beichte ablegen, deren Inhalt er in der Hütte beim Klange der Tschlndi wiederholt. Dies geschieht dreimal: bei Sonnenaufgang, zur Mittagszeit, bei Sonnenuntergang. In der Zwischenzeit lässt er die Büssenden ruhig stehen, die bis zum Versinken des Tagesgestirnes in ihrer unbehaglichen Verfassung am Pranger aushalten müssen, stumm, bewegungslos und preisgegeben den gewiss nicht massvollen Vorwürfen, dem Witz und Spott zufällig vorübergehender oder zu dem Zwecke versammelter Dörfler. Ein Mädchen von Ntänga, das den Verlockungen eines älteren Mannes im Freien erlegen war, hatte es bei der Busse nicht mehr aus- halten können und war davongelaufen. Das wütend gewordene Volk hatte das Mädchen auf der Flucht eingeholt und totgeschlagen und dann auch gleich noch den Verführer umgebracht. Daraus waren weitschweifige Rechtshändel entstanden. So erzählte der alte Maböma von Lubü, der über den Fall mit zu befinden hatte. Wenn alles ordnungsgemäss verläuft, werden die Büsser am Abend entlassen, die nun nichts Eiligeres zu tun haben, als sich in der Nachbarschaft mit Hilfe sie erwartender Angehöriger oder Freunde von der Asche und der Schwärzung zu befreien und sich dafür von oben bis unten mit Rotholzpulver -Btü kula — einzureiben. Der Ntöma behält die Matten, die Hühner und das Getränk, wenn er morgens, mittags und abends ein wenig der Erde gespendet hat. Es scheint, dass man aus dem Verhalten der Hühner, ob sie zutraulich oder ungebärdig sind, ob sie miteinander verkehren, ob der Hahn kräht, die Henne gackert, für das künftige Wohl und Wehe der Sünder nicht bedeutungslose Schlüsse zieht. Auch wurde behauptet, dass manche Büsser an drei Tagen in drei Monaten, je nach dem Vollmonde, sich einzustellen hätten, ferner, dass sie zunächst auf allen vieren über den gesäuberten Platz und dreimal um die Hütte kriechen oder ebensooft auf einem Beine umhüpfen müssten, was an das Kunststückchen beim Zuge des Ma Loängo zum Herrschersitze erinnert. Ebenso sollen Leute


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