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die sie jetzt aufzunehmen beginnen, ihren Seelenglauben, ihr Geisterreich ordnen und ihren Nsämbi anders gestalten. - Als Nsämbi sich von seiner Erde und von seinen Menschen zurückzog, liess er oder sandte er etwas, oder es blieb etwas in der Erde zurück. Dieses Etwas hat einen Vertreter, der Mkissi nssi und Bünssi genannt wird. Mkissi, plur. simkissi, bedeutet Zauber und das Zauberding, den Fetisch, nssi, Erde, Gau. Danach wäre Mkissi nssi als Erdfetisch oder Gaufetisch zu betrachten, wenn dem nicht Bedenken entgegenstünden. Ein Fetisch wird nicht verehrt. Mkissi nssi wird verehrt. Ein Fetisch ist greifbar und kann vernichtet werden. Mkissi nssi ist unantastbar und ist den Blicken der Menschen ebenso entzogen wie Nsämbi selbst. E r ist in der Erde und steigt zeitweilig zur Oberfläche empor, namentlich an den Stellen der Gaue, wo einst die Staatsfeuer brannten. Niemand kann ihn rufen oder beschwören, selbst der grösste Zauberkundige kat ebensowenig Macht über ihn wie über Nsämbi. Der höchste Fürst muss sich persönlich ihm nahen. Danach wäre Mkissi nssi als ein Erdgeist aufzufassen. Aber auch das dürfte nicht entsprechen. Was von Nsämbi auf Erden blieb, ist oder hat lunyensu. Darunter wird verstanden Naturkraft, Lebenskraft, Vermebrungskraft, kurzum das Allwaltende, das Höchste, das alles Lebende durchdringt. Lunyensu ist nicht das Leben selbst, sondern eine damit verbundene Betätigung, eine Lebensäusserung und zugleich Lebensbedingung. Mit dem Tode hört lunyensu auf, ist fort, aber nicht etwa als Seele an sich, und fehlt auch einem gelähmten Gliede. Tschyensa, nyensa ist ein Ausruf höchster E rregung und Glückseligkeit. Im Fetisch ist nicht lunyensu, der hat Zaubermedizin H - ngiligili —, demnach ein Kunsterzeugnis in sich. Hierzu kommt, dass Mkissi nssi zwar nicht überall, aber doch in vielen und besonders in küstenfernen Gegenden fast ausschliesslich Bünssi genannt wird. Ebenso heissen die Verehrungsstätten und die in der Kegel dicht dabei befindlichen Opferplätze, die sogenannten Tierschädelfetische, also die Stellen, wo Nküngus Sohn gerastet und wo das heilige Feuer, das Staatsfeuer gebrannt haben soll (Seite 170). Auch wird Bünssi hier und da erklärt als mäma ma nssi — mäma: Mutter —, vielleicht in dem Doppelsinne wie wir sagen Mutter Erde und Muttererde. Ausserdem hört man, obschon seltener, Nsämbi nennen, und zwar so, als ob man an solcher Stätte an ihn als mit Bünssi verbunden dächte, wie wir in einer Kirche an Gott denken. Bü nssi kann bedeuten: zur Erde gehörig, von der Erde ausgehend; man könnte von Erdkraft schlechthin reden. Es tauchen aber noch die Ausdrücke auf: tschikümbu, das Wunder, und tschiyemu, ein geweihter Platz, von kuyemu, weihen, zueignen, buyemu, die Weihung, und buyemu bu nsBi, im Sprachgebrauche, wie es auch sonst häufig geschieht, abgekürzt zu bu nssi, und scbliesslicb zum Namen Bünssi geworden. So heisst nun die Stätte mit dem Opferplatze und was dort verehrt oder vermutet wird. Bünssi scheint die ursprüngliche Bezeichnung, Mkissi nssi erst ein infolge des Verfalles staatlicher Einrichtungen und mit dem Überwuchern des Fetischismus aufgekommener Name für den Vertreter der Lebenskraft zu sein. Vielen gilt er gegenwärtig kaum mehr als ein Fetisch, vielen aber noch immer als ein höheres Wesen, als eine Art Statthalter ||lj| mutümi — Nsämbis, als ein Vermittler zwischen ihm und den Menschen. Fasst man alles zusammen, was zu beobachten und von den Eingeborenen zu erlauschen ist, so hat es seine Berechtigung, das verehrte Wesen nicht als einen Fetisch, auch nicht als einen Erdgeist, sondern in seiner ursprünglichen Bedeutung als den Inbegriff der Erdkraft, der alles durchdringenden Schaffenskraft, des Allwaltenden, des Werdens, der Fruchtbarkeit aufzufassen. Und das ist, was Nsämbi in seiner Erde zurückliess. Bin richtiger Fetisch hat mit Nsämbi gar nichts zu tun. Bünssi oder Mkissi nssi tut nichts ohne Nsämbis Willen. Sein Walten besteht darin, das Wohl und Wehe der auf Nsämbis Erde lebenden Gesamtheit zu ordnen, die Fruchtbarkeit der Erde und die Verteilung der Niederschläge zu regeln. Dafür ist ihm massgebend, ob die Menschen das Tschlna, die auf Nsämbi zurückgeführten Verbote und Gebote, einhalten oder übertreten. Dieses Tschlna ist als grosses Tschlna von anderen, bloss Personen oder Familien von Fetischmeistern auferlegten und gewöhnlich ebenso benannten Verhaltungsmassregeln zu unterscheiden. Das grosse oder göttliche Tschlna ist schon erwähnt worden. Es richtet sich gegen Unsittlichkeit und Verbrechen, gegen Störung der öffentlichen Ordnung und soll auch die der Fürstenkaste geltende Verbote (Seite 177) mit umfassen. Im Königsgau und angrenzenden Gebieten kommt dazu noch folgendes: Eheleute dürfen das Lager, das sie des Nachts teilten, während des folgenden Tages bis Sonnenuntergang nicht wieder berühren, und Besucher dürfen darauf nicht rasten. Unrein ist auch die Menstruierende, die Gebärende, der Leichnam. Hungrige soll man nicht ungesättigt von Behausung und Erde weisen. Die Verletzung, der Bruch des göttlichen Tschlna bringt Unheil über einzelne Gebiete’ oder über das ganze Land. Um des allgemeinen Wohles willen müssen Zuwiderhandlungen bestraft, gesühnt werden. Mit allem diesem hängen innig zusammen die Vorstellungen von der Heiligkeit der Erde, aus der das Allwaltende wirkt; von der Fruchtbarkeit der Erde, die für Ackerbauer in einer Lage wie die Bafioti schlechthin das Dasein bedeutet; von der Fortpflanzung und Erneuerung; von dem Leben vor und nach dem Tode. Solche Vorstellungen sind die Grundlage für das Erdrecht, für die Gastlichkeit und für die Beziehungen beider Geschlechter. Diesen ist die Fortpflanzung etwas Grosses, mit


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