ihres Geistes, haben sie ihren Teil an der uralten schönen Menschheitsdichtung. Und fassen doch niemals, was jenseits ist von den Schwellen des irdischen Lebens. Diese Grenze der Einsicht verrückt nicht der stolzeste Gedankenbau. An ihr sind alle Menschen gleich. Religiöse Vorstellungen entstehen aus innerer Notwendigkeit. Ob ursprünglich und ungeregelt, ob durchdacht und lehrhaft geordnet, ergänzen sie das Erkannte, das überhaupt Wissbare zu einer befriedigenden Weltanschauung. Bei aller Einheitlichkeit sind sie vielteilig und wandelbar, zu allen Zeiten, bei allen Völkern, und in einem jeden nach den E rfahrungen des eigenen Lebens. So viele Menschen, so viele Religionen. Und wie die Menschen, so ihre Götter, an denen sie hängen, deren sie bedürfen, die sie ausstatten nach ihrem Begreifen. Keine Lehre vermag zu erschöpfen und zu stillen, was die Gemüter bewegt. Über alle Satzungen-'hinaus wirken noch viele Regungen, die dadurch, dass man sie in das Gebiet des Aberglaubens verweist, ihrer Kraft nicht beraubt werden. Die Völkerkunde kennt keinen Aberglauben. Sie hat die Äusserungen des alle bewegenden Gefühles zu untersuchen und zu vergleichen. Für sie handelt es sich weder um eine Wertbestimmung noch um eine Scheidung, wo doch niemand die Linie zu ziehen vermöchte. Was dem einen Aberglauben dünkt, ist eben dem anderen Religion. Und um den wahren Glauben werden Menschen streiten, solange es welche gibt, am härtesten die mit der Kirche über der Religion, und weniger um des himmlischen Reiches als um der irdischen Herrschaft willen. Der Primitive hat allerlei Glauben wie der Zivilisierte. Allein ihn leitet keine auswendig gelernte Lehre. Dass er darum schlechter wäre, liesse sich wohl behaupten, aber nicht beweisen. E r vermag nicht Gebote und Verbote aufzusagen, und lebt doch nach ihnen schlecht und recht als nach der uralten natürlichen Ordnung der Gemeinschaftlichkeit. E r hat seine untrennbar verwobenen Sagen, die von Menschen, und seine Mythen, die von Göttern handeln. E r macht seine Erfahrungen an Lebendigen und an Toten, an Dingen und Kräften. Seinen Glauben spürt er, wie es sich gerade schickt. Aber was ihm glaubhaft ist, verliert sich im Unsicheren. Freilich nicht bei ihm allein. Ebensowenig wie unter uns wären unter den Bafioti Gewährsleute zu finden, fähig, die Glaubenswelt des Volkes in ihrer schier unendlichen Mannigfaltigkeit als Ganzes oder auch nur Einzelheiten daraus ohne Abschweifungen und Widersprüche zu schildern. So kann das Folgende nur ein Stückwerk sein, nach bestem Ermessen zusammengefügt aus Beobachtetem, Erlauschtem, Erfragtem. Nsämbi hat Gewalt über alles. Nsämbi oder seine Macht, seine Lebens- und Schaffenskraft ist in der Erde, im Wasser, in der Luft, in Pflanzen, Tieren, Menschen. Wenn er will, kennt er die Gedanken der Menschen wie ihre Taten, sieht er sie, ob sie schlafen oder wachen, im Freien, in den Hütten, am Tage, in der Nacht. Nsämbi spendet den Regen, auf dass die Pflanzungen gedeihen und es den Menschen gut ergehe, wenn sie gut sind. Nsämbi sendet Dürre, Hungersnot, Seuchen und andere Übel, damit die Menschen leiden, hinsiechen und sterben, wenn sie böse sind. Ob Nsämbi alles, was da ist, gemacht hat, kann man nicht wissen, da niemand dabeigewesen ist; es war vor den Menschen da. Doch wird es für möglich gehalten, auch fest behauptet, dass er Land, Wasser, Pflanzen, Tiere, Sonne, Mond und Sterne erschaffen habe. Was von diesen erzählt wird, ist Seite 137 nachzulesen. Die Menschen hat er gemacht, die waren dabei und mussten es merken. Wie und wovon er sie gemacht h a t, ist freilich nicht genau überliefert. Manche halten Nsämbi für einen richtigen Vater. Doch meint der eine und der andere, dass Mann und Weib von oder aus der Erde, von oder aus einem Baume, aus einem Kahne, auch dass der Mann mit oder aus einem Stabe oder Ruder, die Frau mit oder aus einer Hacke gekommen sei. Dabei handelt es sich um ein Paar. Nebenher laufen Berichte, wonach die Menschen zahlreich auf einmal aus dem Meere gestiegen oder übers Wasser herangefahren, in Menge aus der Erde gekrochen, aus Bäumen geschlüpft oder daran gewachsen sein sollen. Auch heisst es, sie wären, und zwar ihrer fünf oder zehn oder noch viel mehr, Nsämbi gleichsam durchgebrannt und am Spinnenfaden, am Regenbogen zur Erde gelangt. Endlich soll Nsämbi viele Menschen auf einmal gemacht haben, und zwar wieder aus Erde, aus Töpfererde, die er mit dem Blute von Tieren vermischte. Als Nsämbi einst bei seinen Menschen weilte — denn anderswo mögen andere Menschen gewesen sein — und einiges verrichten wollte, legte er eine Kolanuss, wovon er eben ass, beiseite unjl vergass sie nachher. Das bemerkte der Mann, ergriff die Nuss und wollte sie verzehren. Aber das Weib warnte ihn, Nsämbis Speise zu gemessen. Trotzdem kostete der Mann und fand sie schmackhaft. Gerade kam Nsämbi zurück und gewahrte, wie der Mann sich abmühte, den Leckerbissen zu verschlucken. Rasch griff er ihn an die Kehle, würgte und zwang ihn, die Frucht wieder von sich zu geben. Zum Gedenken dessen sieht man am Halse der Männer die Nuss der Kehle. Nsämbi schalt den Mann und lobte das Weib. E r sagte der Frau, sie sei stark und das sei gut, sie sei aber stärker als der Mann, und das sei nicht gut. Deswegen schnitt er ihr den Leib auf und machte sie kleiner und schwächer. Als er die Öffnung wieder zuheftete, reichte der Faden nicht. Das war dem Weibe nicht recht. Da nun das Paar sich bemühte, auch diese Lücke zu schliessen, erkannte sich der Mann.
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above