Derartige ernsthafte Störungen des Palaverfriedens kommen übrigens ausserordentlich selten vor. Regelrecht verlaufende Beratungen werden indessen durch allerlei Beiwerk, durch Zwischenspiele und Nebenhandlungen, die ergötzen und erheben, durch Einflechten von Geschichten und Fabeln, die belehren sollen, vielfach unterbrochen und abgelenkt. Weiber mischen sich ein, Tänze werden aufgeführt, sogar Gesänge angestimmt. Und alles und jedes geschieht mit solcher Nachhaltigkeit, als ob immer nur das die Hauptsache wäre, womit man gerade beschäftigt ist. Ein Redner löst den anderen ah, nimmt das Tschimpäpa, begrüsst kurz oder umständlich die Versammelten und redet zur Sache oder von etwas anderem. Ein jeder ist bemüht, sich im besten Dichte zu zeigen, seinen Zweck zu fordern und den grössten Eindruck hervorzuhringen. Bei Gelegenheit drängt sich hübsch geputzt ein Mädchen, eine junge oder alte Frau heran, ruft eine Anfrage in das Viereck und betritt auf zustimmende Antwort hin, ihre Gewänder zusammenraffend, den Raum. Das Oberkleid gänzlich zu Boden fallen lassend oder bloss achtungsvoll senkend, um es sogleich schauspielmässig zu verwenden, redet sie los wie ein Mann und oft besser als Männer. Meistens wird ihr Tun sehr beifällig aufgenommen, ob sie nun eine Meinung verficht, ein Gleichnis erzählt, ob sie die Anwesenden bloss beglückwünscht, ermuntert und vielleicht zum Zeichen des Vertrauens mit etlichen Häuptlingen die rechten und linken Arme abwechselnd verhakt. Wahrscheinlich wagen sich nur die begabtesten Frauen, die ihrer Sache sicher sind oder sich genügend vorbereitet haben, in das Viereck. Überdies sind sie meistens jung und hübsch, was gewiss nicht schadet. Sie mögen bald einer augenblicklichen Eingebung folgen, bald eine vorbedachte Rolle für ihre Erdschaft spielen. Manchmal treten mehrere Frauen nacheinander auf, als ob gar kein Männerpalaver stattfände. Obschon man sonach den Weibern grosse Rechte einräumt, sie offenbar auch ganz gern hört: das Tschimpäpa gibt man ihnen nicht in die Hände, und Sitz im Viereck erhalten sie, ausser Fürstinnen, auch nicht. Aber sie können unter Umständen doch recht bedeutend einwirken. Galäsi, die Frau unseres verstorbenen Maböma und die kluge Schwester des Ma Bända, freilich eine durchaus sympathische Persönlichkeit, brachte einmal durch eine lange eindrucksvolle Rede schwierige Verhandlungen zu einem versöhnenden Abschluss. Häufiger als Weiber unterbrechen Tänzer das mündliche Verfahren, und zwar gewöhnlich dann, wenn ein Sprecher tiefen Eindruck gemacht hat. Ein Mann erhebt sich und tanzt nun gleichsam die Rede nochmals vor, ruhig und würdevoll, wenn sie versöhnlich, wild und ungestüm, wenn sie aufregend war. So werden zwischen den Reden Schaustücke aufgeführt: feierliche Reigen, Schleppen- oder Serpentinentänze, am häufigsten Kriegstänze. Zu diesen wird das Kriegsgeschrei angestimmt, das schneidende und erschütternde, durch Anschlägen der Hand vor den Mund verstärkte Gellen, das, wenn es von ein paar hundert oder gar von einigen tausend wohl eingeübten Männern mit aller Kraft ihrer Lungen ausgestossen wird, fast nicht zu ertragen ist. Solche Vorführungen stecken an, begeistern und lockern meistens die strenge Ordnung dermassen, dass nach Beendigung der Zwischenspiele eine geraume Zeit vergeht, bis wieder die abgemessene Ruhe und Würde in der Versammlung zur Geltung kommt. Kaum hat ein Kriegstänzer, seine Hiebwaffe schwingend, sich im Viereck ausgetobt, so springt wild aufschreiend ein zweiter heran, und, bevor der fertig ist, ein dritter, der die Zeit nicht erwarten kann, ihm geschickt vor und zurück zwischen den Beinen durchkriecht, ihm symbolisch die Aufgabe abnimmt, das grosse Buschmesser aus der Hand reisst und den Tanz fortsetzt, bis ihn ein vierter ablöst, und so weiter. Jede Partei sucht die andere zu übertrumpfen. Wenn irgend möglich laufen Weiber mit grünen Reisern herbei und befestigen sie im Gürtel der Ungeduldigen. Diese leisten in der Aufregung nicht selten Ausserordentliches. Ein junger Mann, den ich einmal den Kriegstanz ausführen sah, hätte bei Schaustellungen in Europa sicherlich einen Preis errungen. Von schlanker Gestalt, geschmeidig, behende, verrieten alle seine Bewegungen grosse Kraft und Gewandtheit. Sein Säbelmesser schwingend, tobte er in furchtbarer Wildheit umher: hin und her laufend, haltend, sich drehend, niederduckend, aufschnellend, herumwirbelnd, zugleich wie rasend um sich 'hauend und stechend, vollführte er in schnellster Folge erstaunliche Sprünge und hielt wieder augenblicklich wie versteint an, die Arme vor sich, hinter sich, über sich gestreckt, manchmal in einer Stellung, die nach den Gesetzen des Gleichgewichtes unmöglich erschien. So kämpfte er gegen das Böse, gegen schlechte Seelen. Zuletzt sein Gesicht schrecklich verzerrend, die Augen verdrehend, die Zähne bleckend und die Zunge heraushängend, schritt er durch die Reiben der Seinigen, jeden Muskel mächtig gespannt, die Waffe in der Linken, den rechten Arm mit zwingender Gebärde auf jeden einzelnen richtend. Es war ein hinreissendes Schauspiel. Dazu das betäubende Geschrei der Zuschauer, das die Luft förmlich erschütterte. Derartig geht es bei Palavern zu. Selten, dass Reden und Gegenreden, die zudem Nebensächliches und Abgetanes immer wieder von vorne beginnen und Neues hineinweben, etliche Stunden ununterbrochen einander folgen. Oft genügt ein Tag, die Verhandlungen zu beenden, oft hat man nach einer Reihe von Tagen zwar vieles gesehen und gehört, ist aber dem Ziele kaum näher gerückt. Kein Wunder, dass wichtige
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