sie. Der Willkommentrunk, ein Gläschen besserer Schnaps, als es gewöhnlich gab, wurde von einem Kundigen unserer Knaben mit aller gehörigen Ehrerbietung, Kniebeugung, Verbeugung, Händeklappen, genau dem Hange nach auf einem Teller als Untersetzer dargeboten. Ein Ver- stoss gegen die Etikette hätte bitter gekränkt. Der Oberste nahm das Gläschen mit Würde, nippte daran, sprudelte sogleich etliche Tropfen zur E rd e , leerte es dann etwa zur Hälfte, goss den Rest in den Teller und reichte ihn dem nächsten seiner Leute, der ihn unter Händeklappen und Kniebeuge annahm. Dann wanderte der Teller durch das Gefolge des Herren, das sich gewissenhaft in das kostbare Nass teilte, je ein wenig davon mit gespitzten Lippen aufsaugend, aber nichts der Erde widmend. Auch der Letzte kam nicht zu kurz. So ging es der Reihe nach, bis allen Genüge getan war. Kein geringer Häuptling trank vor einem höheren oder sprach zu ihm, ohne die Hände zu klappen, auch forderte der Oberste von ihnen stets dem Range nach ihre Meinung ein. Ebenso befingerten und prüften sie die ausgehändigten Stoffe, bevor sie sie dem Gefolge übergaben. Hatten die Herren sonst welche Anliegen vorzubringen, und die zielten meistens unter allerlei umständlichen Begründungen auf Erhöhung der Abgaben, so beauftragten sie ihren Sprecher, der sagte sie unserem Dolmetscher und der unterrichtete uns. Auf dem nämlichen Umwege, obgleich alle zuhörten, ging die Antwort zurück, sonst hätte sie nicht gegolten. Anders zu verhandeln wäre gegen Würde und höfische Sitte gewesen. Es hätte nur unter vier Augen geschehen können. Waren die Angelegenheiten erledigt, so nahmen die Herren Abschied und zogen im Gänsemarsch von dannen, immer dem Range nach. Gingen zwei im Gespräch einmal nebeneinander, so hielt der Geringere sich mindestens einen halben Schritt zurück und zur Linken oder auf der Sonnenseite, um den Schatten des Höheren zu vermeiden. Alle solche Förmlichkeiten geschahen durchaus selbstverständlich und geschickt. Sie gehören zur Lebensordnung der Leute. Manches davon mag seltsam erscheinen, aber zum Bespötteln ist es nicht mehr geeignet al3 das Zeremoniell zivilisierter Völker, das. doch mit jenem nach Ursprung und Zweck innig zusammenhängt. Viel feierlicher und würdevoller als bei kleinen Verhandlungen geht es her bei grossen Palavern, wo Hunderte, auch Tausende miteinander tagen. Vorher sind weitschweifige Verhandlungen zwischen den Grossleuten gepflogen worden. Die meisten Schwierigkeiten bereiten gewöhnlich die Etikettenfragen und die weiteren: wer zur Tagung eingeladen werden soll, wie eng oder weit die Grenzen gezogen werden sollen. Wer unberücksichtigt zu bleiben fürchtet, erstrebt Beachtung mit aller Kraft. Andere und nicht geringe' Schwierigkeiten ergeben sich bei der Fest- Stellung des Ortes und der Zeit. Nicht jeder Tag ist jedem ein Glückstag, um wichtige Dinge zu unternehmen. Auch das Alter des Mondes ist von Bedeutung. Fetische und Zaubermeister, Orakel sind zu befragen, Frauen und Hörige zu berücksichtigen, Bundesgenossen und Stimmen zu werben, geheime Abmachungen und vielerlei Vorkehrungen zu treffen. Häuptlingsboten laufen, geschäftige Unterhändler, Weiber statten Besuche ab. Die Dörfler sind allenthalben in gehobener Stimmung, bis endlich, manchmal erst nach vielen Wochen, die Einigung erreicht worden ist. Nachher gelten keine Ausreden und Entschuldigungen mehr. Wer nicht kommt, tut nicht mit. Am Palavertage erscheinen die Häuptlinge mit zahlreichstem Ge- folge. Die Erdschatten haben alle Männer aufgeboten, nur nicht Kranke, Hustende und Leibeigene. Seit dem vorhergehenden Tage sollen die Teilnehmer nicht beim Weibe gewesen sein, sie sollen weder Schnaps getrunken noch Hanf geraucht, weder gejagt, gefischt noch die Erde bearbeitet haben. Alle sind im Staate. Im Königsgau und angrenzenden alten Fürstengauen pflegt man für grosse politische Beratungen sich nicht mit europäischen Stoffen, sondern mit den einheimischen Bastzeugen zu bekleiden, so wie es der Vorfahren Art war. Die Vertreter trauernder und begrabender Erdschatten tragen indigoblaue Stirnbinden und, im Gegensatz zu den übrigen, verschiedentlich leichte Bemalung auf Stirn und Wangen: schwarze, blaue, gelbe, weisse Tupfen und Striche. Sie kommen auch mit ihren Steinschlossgewehren, die aber kein Zündkraut auf der Pfanne haben und, an die linke Schulter gelehnt, mit der Mündung zur Erde gerichtet werden. Das Palaver wird gewöhnlich in oder an einem Dorfe abgehalten. Dort ist, je nach Anzahl der e r w a r t e t e n Teilnehmer, ein Platz unter einem breitästigen Feigenbaum und darüber hinaus, soweit er nicht schon glatt und frei liegt, von jeglicher Vegetation gesäubert und sorgsam gefegt, auch, um ein längliches Viereck herum, mit Matten und Schwaden von Papyrushalmen als Sitzen belegt worden. Haustiere, die stören könnten, hält man eingesperrt. Die Bewohner des Dorfes, auch Frauen, Kinder nebst zahlreichen Besuchern, alle festlich angetan, warten der Kommenden. Die ziehen in langen Reihen heran, haben auch die E n tfernungen so genau abgeschätzt, dass alle ungefähr gleichzeitig anlangen. Ohne grosse Begrüssung ordnen sich die Gruppen und nehmen, nur durch schmale Zwischenräume getrennt, rings um das Viereck dicht gedrängt ihre Plätze ein. Innen sitzen vor jeder Partei in besonderer Reihe die Häuptlinge mit ihren Räten und vor ihnen, allein, ihre Kriegsobersten, die Mankäka, mit möglichst altertümlichen, in Eisen, Kupfer und Messing gearbeiteten säbelähnlichen Buschmessern. Diese Prunkwaffe stösst jeder Mankäka vor sich mit der Spitze in die Erde, Schneide 17*
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