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Ferner ändert sich die Stellung der Hörigen in einem dritten und bemerkenswertesten Falle. Sie mögen dem Kinde einer Leibeigenen zufallen. Leibeigene erben in der Erdschaft, nicht in der Familie fort. Ih r einziger Halt ist die Erdscbaft, der Erdberr, der über sie nach Beschluss verfügt. Nach Mutterrecbt sind natürlich auch die Bänder leibeigen, die eine Leibeigene gebiert. Wenn aber eine Leibeigene durch ihren Herrn, dem sie ja zu Willen sein muss, auf dessen Erde Mutter geworden ist, so wird der sonst gültige Erbgang nicht mittelbar wie bei einer Hörigen (Seiten 242), sondern ohne weiteres völlig durchbrochen. Das Kind wird frei geboren und beerbt den Vater mit Ausschluss aller anderen Erbberechtigten. Es erbt zwar nicht seinen Bang als Erdherr, aber alles übrige: seine fahrende und atmende Habe, nämlich Stoffe, Geräte, Handelsgüter, die Haustiere, die Hörigen. Da solches Ereignis das ganze Gesipp, die Familie und Erdschaft in Verlust setzt, wird alles versucht, eine derartige Blutmischung zu verhüten, obschon nicht immer erfolgreich. Auch von verbrecherischen Anschlägen wird erzählt, um das Kind nachträglich zu beseitigen, vom Bauben, vom Umbringen mit Gift oder Eisen, vom Verfolgen der etwa entflohenen und das Kind unter anderen in einer Siedlung verborgen haltenden Mutter, wo dann eine Art bethlehemitischer Kindermord ausgeführt worden sein soll. Solches durch Geburt überaus begünstigte Kind einer Leibeigenen ist bütu nssi, zur Erde geboren, wird auch Erdkind — muäna (mu) nssiJ^H kurz muanssi und monssi — sehr bezeichnend aber Gotteskind | | | muäna Nsämbi, kurz muansämbi und mansämbi genannt. Gönnt ihm der Vater nicht die ganze Erbschaft, so muss er davon bei Lebzeiten austeilen. Dieser Einrichtung gemäss vermag ein Grossmann seine ehelich geborenen Kinder zu seinen unmittelbaren Erben einzusetzen, ohne dafür besondere Bestimmungen treffen zu müssen. E r einigt sich mit .seiner freien Frau und deren Familie zur Aufhebung des Mutterrechtes und kauft zu diesem Zwecke die Frau nebst Kindern regelrecht los, wodurch sie, allen Bückhalt verlierend, mit Nachkommen ihm leibeigen wird. Nachher schliesst er vielfach mit ihr nochmals eine Ehe, aber eine von untrennbarer Art mit Blutsbrüderschaft oder Seelenbündnis. Sie sind dann eins, gelten als eine Person, und die Kinder erben in der beschriebenen Weise das väterliche Vermögen. Abgesehen von diesem Fall geraten mithin drei Gruppen von Unfreien durch den Tod ihrer Besitzer in eine neue Lage. Die erste Gruppe wurde frei nach dem Willen ihres Herrn, die zweite ist verwaist und herrenlos, die dritte ist einem Gotteskinde zugefallen. Natürlich können die Leute allerlei Fährlichkeiten ausgesetzt sein, wie sie sich aus den vielgestaltigen Interessen der Umgebung entwickeln. Es werden Bänke gesponnen, Anklagen auf Hexerei erhoben, hinterlistige wie gewaltsame Eingriffe versucht. Doch lässt man Leute ungeschoren, die zahlreich fest Zusammenhalten, und deswegen stark sind; man verhandelt mit ihnen und behält sie, wo es angeht, am liebsten in der Erdschaft, die ja durch ihren Wegzug geschwächt würde. Am besten sind die daran, denen der Erblasser bei Lebzeiten Freiheit und Vermögen schenkte, und damit aus eigener Machtvollkommenheit alles tilgte, was sie unfrei gemacht hat. Nachdem sie vor der Beerdigung alle seine etwa noch schwebenden Verpflichtungen geregelt und ihn schön begraben haben, zerstreuen sie sich, gehen als freie Leute zu ihren Familien, in ihre angestammten Erdschaften zurück oder bleiben, und das scheint die Begel zu sein, aus alter Anhänglichkeit in ihrem gewohnten Verbände. Die zweite und dritte Gruppe der Hörigen befindet sich in üblerer Lage. Beide sind noch unfrei, die zweite ist ausserdem herrenlos, die dritte gehört dem Erbkinde der Leibeigenen. Aber auch ihnen bietet sich ein Mittel, in der Nähe oder Ferne einen guten Anschluss zu erlangen. Für die zweite Gruppe, die aus der Hinterlassenschaft ausschied, weil keine erbberechtigten Blutsverwandten da waren, tritt gern als Erbe der Erdherr ihrer bisherigen Erdschaft auf. Ein allgemein anerkanntes Becht dazu hat er nicht, aber er kann das Becht beugen oder den Leuten Zugeständnisse machen, um sie in der Erdschaft zu behalten. J e nach ■Ausgang der Verhandlungen bleiben die Leute oder ziehen anderswohin, wo man ihnen Besseres bietet. Ähnlich mag sich das' Schicksal der dritten Gruppe gestalten. Nur kommt hier noch ein wichtiger Umstand hinzu. Das Erbkind der Leibeigenen verhandelt, oder lässt verhandeln, mit einer Fürstin, die es gegen entsprechende Geschenke in der schon Seite 163 beschriebenen Weise der Makünda feierlich adoptiert. Fortan trägt das Gotteskind, das natürlich schon erwachsen sein kann, den Namen der Fürstin. Als Besitzer der ererbten Hörigen und des toten Eigentums kann es in der alten Erdschaft bleiben oder, wie gewöhnlich ausbedungen wird, in die der Adoptivmutter eintreten oder, wie die zweite Gruppe, anderswo sein Heil versuchen und eine der neuen fragwürdigen Erdschaften für sich gründen. Die von der alten Heimstätte auswandernden und vielleicht reich beladenen Leute — es sind schon welche, wie Seite 3 angeführt, weit über die Grenzen des Landes hinaus nach Süden wie nach Norden und Osten gezogen — öffnen sich durch Ansage und Verhandlungen die Pfade und siedeln nach der neuen Erde über. Unzufriedene, hörig Gebliebene, die diese Veränderungen nicht mitmachen wollen, können sich in bekannter Weise neue Herren wählen. j§ |il§


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