aus, bestellen die Felder, was, wie wir schon wissen, ausser Ehefrauen und Töchtern, die aber lediglich eigenes Feld bearbeiten, kein Freier zu tun pflegt. Sie fronen eben nach Anordnung, richtiger ausgedrückt,, nach Wunsch des Herrn. Zumal von aufreibender Arbeit, etwa unter der Peitsche, kann gar keine Rede sein. Sie verrichten den Dienst sehr behaglich, und die zwei Tage der viertägigen Woche, die sie nach Herkommen und Gesetz dem Besitzer widmen sollen, werden recht gekürzt. Des weiteren mag der Herr sie als Lastträger und Begleiter an Reisende, als Diener, Tagelöhner oder Handwerker in Faktoreien verdingen, wo zwar mehr verlangt, aber auch nicht viel geleistet wird. Dazu bedarf er aber der Zustimmung der Leute, die sich einen guten Anteil am Lohne ausbedingen, weil sie bei Europäern sechs Tage der siebentägigen Woche zu arbeiten haben. Vielleicht am häufigsten wirtschaftet der Hörige selbständig und entrichtet dafür dem Herrn einen vereinbarten Zins bei jedem Neumond oder am Ende der Handels- und Erntezeit. Ein rühriger und geschickter Höriger mag schliesslich reicher als sein Herr werden. Es fällt nicht leicht, sich in solchen Verhältnissen zurecht zu finden. Nicht bloss Erwachsene, sondern auch Kinder beiderlei Geschlechtes Üif die durch Erbonkel, Blutsfreunde verstorbener Angehöriger, Vormünder oder Adoptivväter, häufig auch von den Altesten, von den Obmännern ihrer Hörigen vertreten werden — können Herren von Hörigen sein. Diese Hörigen können wiederum Hörige haben und so weiter. Das gibt ein Gewirr von persönlichen Beziehungen, das sogar der, der eingeweiht sein müsste, nicht mehr klar durchschauen kann ¡p- oder will, wie wir bald verstehen werden. Wenn der Oberste einer vielästigen Familie von den Seinen redet, nennt er alle, Freie wie Unfreie, seine Kinder, und alle nennen ihn Vater. Ganz patriarchalisch. Man muss erst eingehend fragen, um sich genau zu unterrichten, und das macht ihm gewöhnlich ebensoviel Spass wie Kopfzerbrechen, weil er sich in unsere Gliederungsweise nicht hineindenken kann, so wie uns die seine schwer fällt. Die leiblichen Kinder sind ihm ja weniger eigen als seine Unfreien. Als am engsten verbunden mit seiner Person und Familie betrachtet ein Herr natürlich die Hörigen, die in seinem Gemeinwesen geboren wurden. Mütter vermehren das Volk. Deshalb gilt das Aufgreifen von Frauen oder Mädchen, sowie von Kindern als Pfänder für unanständig, falls sie nicht gerade im Verüben einer Fehltat ertappt wurden, und wer es doch tu t, erregt Ärgernis. Dieser Unverletzlichkeit folgend, drängen sich Weiber dreist in die Reihen feindlicher Krieger, übernehmen Frauen und Mädchen furchtlos die Vermittlung zwischen erbitterten Parteien. Im Kampfe selbst können sie freilich auch ihren Teil abkriegen; davon sollen sie eben wegbleiben. Bei befürchteter Gefahr oder bei bösen Absichten schafft man zuerst immer Weiber und Kinder beiseite. Fehlen die in einem Dorfe, so hat der Fremdling auf seiner Hut zu sein und beim Verhandeln zunächst auf ihr Wiedererscheinen zu dringen. Werden sie zurückgerufen, dann darf er auch vertrauen. Wer als Pfand ergriffen wurde und natürlich fluchtverdächtig ist, wird aufgebunden, das heisst, er wird mittelst Schloss und Halseisen an eine Kette gelegt — das sind von europäischen Sklavenhändlern eingeführte Fesseln — oder er wird nach einheimischer Weise mit einem langen klobigen gegabelten Holzstück um den Hals gesichert. Jetzt befindet er sich* da es feste Gelasse nicht gibt, gewissermassen im Gefängnis, was übrigens gar keine Schande für ihn ist. Nun heisst es gut aufpassen, bis eine Entscheidung im Palaver erzielt worden ist, weil der ganze Rechtshandel für alle Zeit erledigt wäre, wenn der Gefangene ausrisse. Man hatte sich eigenmächtig geholfen, hatte einen Menschen gepackt; an ihm hingen fortan alle Forderungen. Man hat den Menschen entweichen lassen und hat damit jegliches Recht verscherzt. Der Handel ist sogleich abgetan, fertig. Palaver zu Ende. Erde drauf. Viel Gespött dazu. Deswegen überwacht man den Gefangenen aufmerksam, bis ein Palaverbeschluss erzielt worden ist. Nachher wird keinerlei Zwang mehr ausgeübt. Hörige werden nicht bewacht. Wohin sollten sie entweichen? Die Flucht macht keinen Hörigen frei. Liefe er zu seiner Erdschaft, laut deren Zustimmung er in seihe Lage kam, so müsste sie ihn zurückschicken. Entwiche er anderswohin, so käme er auf fremde Erde und gewönne nichts, könnte sogar noch schlimmer fahren als vorher. Dennoch gewährt das Erdrecht jedem Hörigen, wie dem Leibeigenen, die Möglichkeit, sich einen anderen Herrn zu wählen, sogar wider dessen Willen, nur muss der Erwählte ein Freier sein. Der neue freiwillige oder unfreiwillige Besitzer muss ihn gegen jede etwa geplante Vergewaltigung schützen, auch seine Schulden übernehmen, überhaupt ganz wie der vorige Herr für ihn eintreten , wenn die Hingabe rechtskräftig vollzogen worden ist. Dies geschieht in folgender Weise. Zunächst im gegenseitigen Einverständnis. Der Hörige tritt zu seinem künftigen Herrn und bietet ihm, indem er seinen Wunsch ausspricht, einen Grashalm, ein Blatt; der E rwählte greift das andere Ende, und beide zerteilen das Stück wie wir einen Knallbonbon. Mit dieser Handlung, die auch für Geschäfte und andere Abmachungen im Schwange ist, ist der Übertritt besiegelt. In dessen wird derartig selten verfahren. Denn bei einem Vorkommnis, das dem einen Gewinn, dem anderen Verlust bringt, bleibt der Geschädigte, der frühere Herr, selten gleichgültig. Deswegen sucht man den Schein der Unfreiwilligkeit zu wahren. Der Hörige tritt wie zufällig an den
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