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242 Rechte und Stellung der Hörigen. Mütter. bürgerliche Rechte, aber sie verlieren nicht .wie Leibeigene ihr Erdrecht, ihr Menschenrecht. So haben Herren oder Herrinnen, die eigene Hörige fahrlässig oder jähzornig derartig schwer verletzten, dass Blut auf die Erde tropfte, die Geschädigten frei zu geben. J e nach Art der Zuweisung und nach vereinbartem Vorbehalten können viele ausgelöst werden: von Verwandten durch Berichtigung der Schuld, für die sie hingegeben wurden, von sich selber durch Aufbringen einer gewissen Summe. Eine Verfallzeit für Geiseln scheint es nicht zu geben. Gewöhnlich, es müsste sich denn um neue Fälle handeln, wissen weder die Haftenden und Hörigen noch ihre Herren genau, wie es um sie steht, pflegen sich auch darüber den Kopf nicht zu zerbrechen. Hörigkeit ist keine Schande, und es lebt sich so ziemlich überall gleich gut. Gewohnheit, Anhänglichkeit, Familienbande üben ihren Einfluss. Mancher Herr hält seine altbewährten Hörigen höher als seine Verwandten. Unfreie Leute werden weder missachtet noch unbillig behandelt, schon aus Klugheit nicht, weil sie zur grossen Majorität zählen und weil sie Rechte haben. Sie verkehren mit jedermann, teilen Leid und Freud der Familie und Erdschaft. Der hörige Mann mag jedwedes freie Mädchen, selbst die Tochter seines Herrn oder seiner Herrin, sogar seine Herrin ehelichen. Eine Fürstin kann ihm ihre Gunst schenken. E r kann, und das ist bezeichnend, bestellter Vormund^Smukeba, plur. bakeba 8 - von verwaisten Kindern sein, die ihn geerbt haben. E r mag anderswo wohnen und seinem Herrn zinsen. Weib und Kind, falls er sie schon hat, ziehen zu ihm oder mit ihm, ohne dass sich ihre eigene politische und gesellschaftliche Stellung ändert; über sie hat der Herr keine Gewalt. Eine Hörige ist beschränkter in der Gattenwahl. Da ihre Kinder wieder hörig sind, wird ein freier Mann zögern, sie zu ehelichen. Und doch kommt auch das vor, manchmal mit besonderer Absicht, nämlich um den Erbgang nach Mutterrecht zu unterbrechen. Dies geschieht, wenn ein Grossmann, hauptsächlich ein Erdberr seine Hörige zum Eheweibe nimmt. Die Kinder, die sie ihm Bchenkt, sind frei geboren, mag die Mütter vorher frei erklärt worden sein oder nicht. Es ziemt sich nicht, dass die von einem Grossen auf seiner Erde gezeugten Kinder nach Mutterrecht und daraus folgendem N eilen erb recht später den Geschwistern oder den Schwesterkindern des Vaters als Besitztum zufallen. Solche Nachkommen sind nach Erdrecht weniger Kinder aus der Mutter Leibe als Kinder von des Vaters Art und Erde. Sie sind nur mit seinen Ahnen totemistisch verbunden, weil sonst nichts zu ihren Gunsten wirkt. Sie sind eben Vaterkinder b’äna ba ntü — und zählen nicht als Mutterkinder, als Nabelkinder — b’äna ba nkümba —, sondern als KopfKopf und Nabelkinder. Erbe. Patenrecht. 243 kinder, weil sie lediglich von dem, der auch einen Kopf ntü, mutü, plur. mitü — hat, abstammen. Sonach haben sie, laut Mutterrecht, keine Familie, mithin auch kein Erbe. Der Vater sorgt für sie bei Lebzeiten und sichert ihre Zukunft oft auf Kosten seiner Familie, weswegen die natürlich solche Ehen als nicht standesgemäss zu verhindern trachtet. Nichtsdestoweniger mag einem Vaterkinde Einreibung in einen rechtmässigen Erbschaftsgang mittelbar verliehen werden, wenn nämlich eine gutherzige leibliche Schwester des Vaters oder eine andere gültige Verwandte aus seiner Bluts- oder Nabelschnureinheit sich gewinnen lässt. Sie erfüllt den Wunsch des Vaters, indem sie die kreissende Mutter stützt, und nachher das Kind zuerst einmal an ihre Brust legt. In gleicher Weise mag ein Herr seine Kinder aus standesgemässer Ehe adoptieren, zu b ’äna ba ntü erheben. E r löst die aus, die etwa vom Bruder seiner Frau, vom Erbonkel der Kinder, nach Mutterrecht verpländet oder in Hörigkeit gegeben worden.sind oder gegeben werden sollen, bindet sie dadurch an sich und weist ihnen ein Erbe an oder einverleibt sie nachher seiner Mutterfamilie. Ein anderer verpflichtender Zusammenhang besteht zwischen Kindern und Personen, die vermeintlich mittelbar an ihrem Dasein beteiligt gewesen sind. So wenn ein Zauberarzt kinderlosen Eheleuten zu Nachkommen verholfen hat, wenn eine Hebamme, die beim Missglücken ihrer Hilfe hörig werden kann, arge Geburtsschwierigkeiten geschickt überwunden hat. Solche Personen werden nicht bloss etwa als Paten betrachtet. Sie gelten viel mehr. Sie haben ein gewisses Anrecht an die Kinder, dessen sie sich meistens erst zur Pubertätszeit ihrer Schützlinge gegen Geschenke, gegen Ablösung' begeben.KsMj Im ganzen leben die Hörigen kaum weniger behaglich als ihre Herren und gewiss sorgenfreier. An den Grossleuten sind die Zeiten nicht spurlos vorübergegangen. Der legitime Handel ist anstrengend infolge des regen Wettbewerbes und bringt nicht annähernd den Gewinn wie einst der Sklavenhandel. Viele Herren, die nicht auf gutem Boden in klimatisch wie geschäftlich günstiger Lage sitzen und nicht beizeiten mit dem Anbau lohnender Handelsgewächse begonnen haben, sind allmählich verarmt und haben ihre liebe Not, ihr Ansehen und ihre Leute in Ordnung zu halten. Ih re guten alten Zeiten sind vorüber. Und dennoch sollen sie nach Erdrecht für ihre Hörigen in jeder Hinsicht sorgen, und für alles, was die etwa anrichten, einstehen. Nur Speikulanten und Taugenichtse, die zu tief in Schulden gerieten, dürfen sie an Gläubiger ausliefern. Unverbesserliche Schuldenmacher möchten sonst ihrer Herren Vermögen bald erschöpfen. Die Hörigen wiederum haben Dienste zu leisten. Sie handeln, fischen, jagen, beschaffen Palmöl, Kautschuk, Holz, Baustoffe, üben Handwerke 16*


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